Sonntag, 5. Februar 2012

Angst oder Liebe?

Zwischen ewiger Hölle und Allversöhnung

Auf Tausenden von Bildern setzten Maler die Hölle ins Bild. Steinmetze meißelten den Rachen der Hölle über die Kirchenportale des Mittelalters. Dante hat in seiner göttliche Komödie um 1321 sieben Kreise der Hölle beschrieben, und mittelalterliche Philosophen haben sie sogar vermessen. Die katholische Lehre definiert, "dass nach allgemeiner Anordnung Gottes die Seelen der in einer aktuellen Todsünde Dahinscheidenden sogleich nach ihrem Tod zur Hölle hinabsteigen, wo sie mit den Qualen der Hölle gepeinigt werden." (Benedikt XII., um 1340) Veralteter Glaube des Mittelalters? Nein, noch das Zweite Vatikanische Konzil hält an der Existenz der Hölle fest. Vor allem aber an der Notwendigkeit der katholischen Kirche, um dieser Hölle zu entgehen:
"Darum könnten jene Menschen nicht gerettet werden, die sehr wohl wissen, das die katholische Kirche von Gott durch Jesus Christus als eine notwendige gegründet wurde, jedoch nicht in sie eintreten oder in ihr ausharren wollten." (Heinrich Denzinger - Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen).
In der Hölle landen also jene, die aus der katholischen Kirche austreten oder nicht in sie eintreten. Der Abfall vom 'wahren katholischen Glauben' (Apostasie) gilt noch heute als Todsünde. Was man sich unter der Hölle vorzustellen habe, beschreibt das N.T. sehr anschaulich: "...die Engel werden ausgehen und die Bösen von den Gerechten scheiden und werden sie in den Feuerofen werfen; da wird Heulen und Zähneklappern sein." (Matth. 13.49-50). Gerade das Bild von ewigen Flammen, welche die Sünder zu verbrennen, ohne dass diese jemals sterben können, hat die Jenseits-Vvorstellungen der Menschen nachhaltig geprägt. So kommen die Organisatoren des Glaubens bis heute nicht ohne "Extra ecclesiam nulla salus" aus! Im Original lautet der Satz "Extra ecclesiam salus non est" - "Außerhalb der Kirche gibt es kein Heil"; er formuliert den Grundgedanken, dass außerhalb der Kirche bzw. einer Gemeinschaft der Gläubigen kein Weg zu Gott führt. "Wenn du nicht das tust, was wir dir sagen, dann wird es dir schlecht ergehen", ist der platt formulierte Extrakt diesee Vorbedingung. Eine bedenkliche Anmaßung, wann immer Menschen vorgeben zu wissen, nach welchen Grundsätzen Gott entscheidet...und wie seine Entscheidung ausfällt.- Selbst wenn man die höllische Ewigkeit an sich nicht in Frage stellte, Eine Ewigkeit voller Qualen nach ein paar Jahrzehnten gedankenlosen Lebens auf Erden? Da scheint es an Ausgewogenheit zu mangeln. Hinzu kommt ein wahrhaft egoistisches Motiv, dass nicht recht zur Nächstenliebe passen will - schon Katharina von Siena, eine eine italienische Mystikerin, und Kirchenlehrerin im 14. Jhdt. erfasst diesen Gegensatz sehr klar:

"Wie könnte ich denn, Herr, mich damit abfinden, dass ein einziger von denen, die Du wie mich nach Deinem Bild und Gleichnis geschaffen hast, verlorenginge und Deinen Händen entglitte? Nein, auf gar keinen Fall will ich einen einzigen meiner Brüder zugrunde gehen sehen, einen einzigen derer, die mir durch eine gleiche Geburt zur Natur und zur Gnade geeint sind."
Kann man die Güte Gottes mit der Vorstellung von einem ewigen Strafort vereinbaren? Der Dominikanermönch Thomas von Aquin (gest. 1274) befindet Gott für gerecht: Ziel aller Höllenstrafen sei die Wiederherstellung der göttlichen Ordnung. Wer sich auf Erden seiner Barmherzigkeit gegenüber als unwürdig erwiesen habe, erhalte im Jenseits die gerechte Strafe. Und Anschauungsunterricht hält Thomas für pädagogisch zweckmäßig:
"Damit nun den Heiligen ihre Seligkeit noch erfreulicher sei und sie Gott dafür noch reichlicher danken, wird es ihnen verliehen, die Strafe der Gottlosen vollkommen zu schauen."
Umgekehrt sollen die Unverbesserlichen sehen, was sie leichtfertig verspielt haben? Nach einem Sinn suche ich da vergebens. Keine Spur von Mitleid gegenüber den Verdammten, allerdings auch keine Schadenfreude. an ihrer Qual. Die Geretteten sich freuen an der Wiederherstellung der göttlichen Ordnung und an ihrem eigenen seligen Zustand.
Wieso überhaupt dieses Thema?
Warum befasse ich mich überhaupt noch mit so etwas wie 'Hölle', wenn ich dieses Konzept als unzutreffend erkannt zu haben glaube? Nach wie vor suche ich nach Antworten, Denkanstößen und einer Alternative zu dem angsteinflößenden Katholizismus meiner Kindheit. Drohungen, was mich bei Missachtung von Ge- und Verboten, vor allem aber nach einer 'Todsünde' nach meiner irdischen Daseinsperiode an Hölle und Strafe erwarten, wurden mir hochdosiert zuteil - und passten nicht recht zur Heuchelei einzelner Religionsausübender un deren Umgang mit diesen Geboten. Lebhaft erinnere ich mich an mein siebtes oder achtes Lebensjahr, als ich sicher war, in genau diesem Feuerofen des Matthäus zu landen - wegen so einer 'Todsünde', die ich mir heute mit etwas mehr Objektivität überhaupt nicht mehr als mein Vergehen anlaste. Die damals empfundene Ausweglosigkeit - nicht hervorgerufen, aber doch erheblich verschärft durch das katholische Angstmuster, hat mein Denken wohl bis heute geprägt - auch wenn dies alles lange zurück liegt. Von der Liebe Gottes und Jesu, die doch den Kern dieser Religion bildet (oder?), wurde damals vergleichsweise selten gesprochen... Welch ein Kontrast und vor allem Trost eröffnet sich dagegen durch die Lehre von der Allversöhnung:  

Allversöhnung

...ist eine theologische Lehre von der Wiederherstellung aller Dinge am Ende der Zeiten. Ihre Kernaussage: Ausgangspunkte: Gott wird nie einen Menschen verurteilen, denn er droht, verurteilt und straft niemals.
Als zyklisch-teleologisches Geschichtsbild geht diese Lehre ausgehend von einem durch Abfall der geschaffenen Wesen vom Schöpfer („Apostasis“) verlorenen Zustand hin zu einem Zustand der Versöhnung und Einheit aller Wesen mit Gott aus, so wie es am Anfang gewesen sein soll. Wie der Prozess bis dahin aussieht, wird unterschiedlich gesehen. "Die ursprüngliche Apokatastasis-Doktrin ist jedoch von späteren Lehren einer „Allaussöhnung“ und Allversöhnung zu unterscheiden, die meist von einem neuen noch nicht dagewesenen Zustand der Harmonie zwischen Schöpfer und Geschöpf ausgeht. In der Religionswissenschaft wird der Begriff Universalismus gelegentlich als Synonym für Apokatastasis verwendet.“

Anders ausgedrückt: Gott wird alle Seine Kinder bei ihrer Heimkehr wieder in die Arme schließen. Wer allerdings in den Himmel eintreten möchte, muss ihn zuvor in sich erschlossen haben. Neben der offiziellen Kirchenlehre über die Hölle gab es von Anfang an eine alternative Entwicklung. Das schreckliche Entweder Himmel oder Hölle wurde schon von frühen Christen (→ Origines) entschärft. Apokryphe Evangelien wie die sog. Pilatusakten (Acta Pilati) (auch Nikodemusevangelium genannt) erzählen vom Abstieg Jesu in die Hölle, wo er die Seelen aus der Gefangenschaft befreite. Hier kommt der Gedanke der Aussöhnung zwischen Gott und den Menschen ins Spiel, eingeleitet durch Jesus. Gott habe seinen Anteil dazu bereits getan - für jeden Menschen ist es nun erforderlich, sich Gott Schritt für Schritt zu nähern, um seine liebende und heilende Gegenwart zu erleben und sich nun von ihm führen zu lassen. Den Zeitpunkt, wann der Himmel sich erschließt, kann somit jeder von uns in hohem Maße mitbestimmen - Voraussetzung dazu ist der Wille, sich im inneren zu verändern, zu ent - wickeln. Zur Entschärfung der Hölle trug auch die irische Legende von Brandan dem Seefahrer (484-576) bei.    

Warum aber haben die Menschen seelisch von Gott entfernt?
Hilfestellung bei der Beantwortung dieser Frage bietet weniger die Bibel als die sog. Neuoffenbarungen von Jakob Lorber, Anita Wolf, z.T. Leopold Engel und anderen. Danach existierte zunächst eine rein geistige Schöpfung, aber noch keine Materie. In dieser geistigen Welt lebten von Gott erschaffene Wesenheiten, die über ein eigens Bewusstsein verfügten. Mit der Erschaffung der Geistwesen erweiterte sich die Bedeutung Gottes auf die des Vaters, der geistige Kinder ins Leben gerufen hatte. Für die göttliche Liebe dieser Vaterperson ist es unvorstellbar, ja völlig unmöglich, eine Beschneidung der Freiheit ihrer Kinder vorzunehmen. Das Geschenk die Willensfreiheit implizierte sogar die Entfernung von der göttlichen Ordnung und eine Veränderung des eigene Wesens. Ohne am Bestehen von Willens- und Entscheidungsfreiheit festzuhalten, ist es nicht möglich, das Geschehen nachzuvollziehen, dass uns alle weit von Gott entfernt hat. Damit aber begann zugleich das Problem: Erst die Möglichkeit zum Missbrauch des freien Willens führte den Fall der geistigen Wesen herbei. Die Neuoffenbarungen sprechen hier von einer Auflehnung der Engel, die von Sadhana/Satan/Luzifer angeführt wurden – sie weigerten sich, ihr Abhängigkeitsverhältnis zu Gott weiterhin zu akzeptieren. Und erst dadurch ergab sich die Notwendigkeit der Rückholung der gefallenen Geistwesen. Für sie wurde über die Menschwerdung die Möglichkeit zur Rückkehr geschaffen, d.h. 'außerhimmlische Bereiche' und letztlich die materielle Welt wurden zur vorübergehenden Heimat der Gefallenen. Zwar war die Entstehung der Materie war nicht von Gott beabsichtigt, doch sie diente als Plattform zu späteren Rückkehr. So wird auch deutlich, das Gott auch 'den Teufel' keinesfalls so geschaffen hat, wie er inzwischen beschrieben wird: als Ausgangspunkt, Quelle oder Personifikation des Bösen. Diese Entwicklung vom 'Morgenstern' zum Satan konnte nur infolge einer eigenen Willensentscheidung eintreten! Und nun? Die Allversöhnung unterstellt zweierlei: Erstens, dass Gott die bedingungslos Liebt. Zweitens, daraus folgend, dass letzten Endes keines seiner Geschöpfe für immer verloren sein kann – auch wenn der Zeitraum bis zur endgültigen Rückkehr oder Wiedervereinigung mit allen bewussten Individuen (einschließlich Sadhana/Satan) für uns in unvorstellbarer Ferne liegen mag. Man dürfe insoweit davon ausgehen, dass Gott seine Allmacht in allen Möglichkeiten ausschöpft, jeden und jede wieder zurückzuholen – aber unter Beachtung des freien Willens seiner Geschöpfe. Ohne großes Nachdenken kommt man dann zu dem Schluss, dass ein bestimmter Glaube bzw. eine Religionszugehörigkeit sicher kein Kriterium in diesem Kontext darstellt!    

Bausteine (m)eines spirituellen Konzeptes 

Eine Vorstellung, die Gott als "fieses Kind mit einem Brennglas" ansieht, scheint sich zwar aus einer Beobachtung des Weltgeschehens aufzudrängen - doch sie impliziert nicht die kleinste Antwort auf die Frage nach dem Sinn von Allem, nicht mal einen Anhaltspunkt. Diese Sinnsuche ist jedoch ein Kernelement von Spiritualität, wenn wir Unverstandenes, Unerklärliches als 'Gott' bezeichnen und durch die Personifizierung dieses Phänomens ein Stück Verantwortung abgeben. Dabei kennen wir ehr wohl viele Phänomen, die sich unserer Einflussnahme komplett entziehen. Für mich persönlich ist Ausgangspunkt jeder sinngebenden Spiritualität eine bedingungslose, kaum vorstellbare Liebe - wobei diese Form göttlicher Liebe auch für Konsequenz zum Wohle der geliebten Geschöpfe steht. 

Bedingungslos bedeutet zwangsläufig auch, dass 'ewige Verdammnis' in einer Qualen bereitenden Hölle niemals eine Option sein kann. Spiritualität wie auch ein ideales Verhaltenskonzept gehen einher mit einem universellen Wissen, was richtig und was falsch ist. Dieses intuitiv erfassbare Wissen spiegelt sich auch sich in ursprünglichen Kernaussagen der Weltreligionen (wie auch in vielen esoterischen Konzeptionen) wieder. Ein Schöpfer, der seine Geschöpfe nicht bedingungslos liebt, ergibt wenig Sinn - denn wo sonst könnte seine Motivation liegen, den Schöpfungsprozess in Gang zu setzen. Wer meint, Gott habe uns aus Einsamkeit erschaffen, oder zu seiner persönlichen Belustigung, Anbetung usw., projiziert m.E. menschliche Empfindungen und Begriffe auf Gott ?

An dem Bild des Erziehens ist noch am ersten etwas dran, meine ich...doch eben nicht nach menschlichen Begriffen. Es existiert keine göttliche Abstrafung, sondern - in meiner Vorstellung - findet die 'Erziehung' statt als seelische Evolution statt: Jedes individuelle Bewusstsein existiert ewig - und universale Gesetzmäßigkeiten bewirken über einen sehr langen Zeitraum einen auf Freiwilligkeit und Gerechtigkeit basierenden Lernprozess. Dieses Lernen geschieht im Wege des Er-fahrens von Konsequenzen (Ursache und Wirkung) über einen sehr, sehr langen Zeitraum. Dabei besitzt Gott zwei erhebliche Vorzüge - unendliche Geduld und die Gewissheit, letztlich nicht zu versagen. 
Deshalb nimmt er es nicht persönlich und reagiert auch nicht verärgert, wenn uns wieder und wieder Schwächen und Fehler unterlaufen. Jeder 'Fehler' ist vielmehr eine weitere Gelegenheit zum Lernen. Und dafür haben (und benötigen) wir 'alle Zeit der Welt'...
 

“Liebe und tue, was du willst!” - ist es so einfach?

  Die Geschichte zeigt, dass Religionen auf alle sozialen Strukturen und Veränderungen mit beeinflusst haben- ihre Funktion über die bloße Glaubensvermittlung hinaus scheint sie vor allem in der Steuerung von Verhaltensnormen zu bestehen (Moraltheologie). Ob darin eher ein Zweck oder ein primäres Ziel liegt, vermag ich nicht zu beurteilen. In meiner Begegnung mit Religion mache ich nicht zur Bedingung, jede ihrer Aussagen zu verstehen. Was ich dagegen erwarte, sind plausible Begründungen für Ge- und Verbote, soweit sie über die erwähnten universalen Gesetze hinausgehen. 
Die Bibel enthält die unterschiedlichsten Anweisungen und Verbote, welche je nach Zeitgeist und Ideologie in verschiedenartiger Weise akzentuiert, mal verschärft und mal abgemildert wurden. Bei allem Verständnis für den sozialgeschichtlichen Kontext - bedarf es zur Erlangung ewigen Seelenfriedens eines ganzen Kanons detaillierter Verhaltensvorschriften? Schon beim Verfassen solcher Texte (z.B. eines Erwachsenen-Katechismus) steht fest, dass kaum jemand diese Gebote alle im Blick behalten kann. Eine schuldbeladene Person im demütigen Bewusstsein fortwährenden Versagens ist freilich einfacher zu lenken letztlich auch instrumentalisierbar. Aber die Akzeptanz leidet erheblich.
 
Reicht es nicht aus, jenem universalen Gesetz zu folgen?
  • Liebe deinen nächsten wie dich selbst.  
  • Was du nicht willst das man dir tu, das füge auch keinem anderen zu. 
  • Verurteile nicht damit auch du nicht verurteilt wirst.

Augustinus von Hippo hat es auf den Punkt gebracht, ebenso bei Udo Petscher ('Holofeeling') finden wir diese Aufforderung - in Verbindung mit dem Wunsch, der Mensch möge offen sein und sich nicht allein seinem scheinbar logischen Gegenwartswissen unterwerfen.

"Liebe und tu, was du willst!" Wenn du schweigst, schweige aus Liebe; sprichst du, so sprich aus Liebe; wenn du tadelst, tadle aus Liebe; wenn du verzeihst, verzeih aus Liebe. Die Wurzel der Liebe soll das Innerste deines Herzens sein: aus dieser Wurzel kann nichts als Gutes hervor kommen."
 
Mehr an moralischer Konzeption braucht es vielleicht gar nicht - ist doch der 'normale Mensch' schon damit überfordert. Immer und überall scheint das Empfinden wirklicher Liebe überlagert; denn unsere menschliche Natur ist offensichtlich auch von weiteren Motiven erfüllt, von denen Geltungsdrang und Machtbewusstsein nicht die Geringsten sind.- Doch ohne Angst vor Gott lebt es sich leichter und besser. Kommt das Vertrauen auf seine Liebe dazu, entsteht vielleicht die Basis für eine positive Veränderung von Allem. 

Endlich.

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