Mittwoch, 25. September 2013

Prä-Astronautik: Wie plausibel sind die Thesen von Zecharia Sitchin?

Außerirdische Schöpfer der menschlichen Zivilisation?

Nach wie vor fasziniert mich das Thema ‘Präastronautik’, obgleich ich bislang einen wohlwollend-neutralen Standpunkt dazu einnehme. Warum? Nun, viele Schöpfungsmythen, aber auch die Geschichtsschreibung früher Phasen der Zivilisationsgeschichte sind voller Berichte über "Götter", die unsere Welt besucht hätten - mit technologischen und mentalen Fähigkeiten, welche die damaligen Menschen nicht verstanden. Alles bloß naive Schilderungen, angereichert mit viel Phantasie? Vielleicht.

Um Überzeugungen und Annahmen dieser "Pseudo-wissenschaft" Paläoseti zu verstehen, kommt man an dem Buchautor und Altorientalisten(?) Zecharia Sitchin kaum vorbei. Dessen Thesen wurden gerade im Zuge der 2012-Hysterie heftig kritisiert – während viele Befürworter der Präastronautik diese nicht nur als Grundlage eigener Publikationen verwenden, sondern oftmals auch ungeprüft übernehmen.

Man könnte auch sagen ‘einfach abschreiben’ ...wenn man dann noch in Betracht zieht, wie viele Teilnehmer der Paläoseti-Onlinegemeinde voneinander abkupfert, weiß man ungefähr, wie dieses 'Stille Post'-Spiel ausgeht. Diese Häufung von Plagiaten behaupte ich nicht von ungefährt; mir selbst fällt dies auf, wenn ich eine Quelle oder konkrete Angaben zu einer aufgestellten Behauptung suche - 2 Beispiele:
  • Zitat 1: "Da sich anscheinend die UFO-Sichtungen in dieser Zeit häuften, erließ der Papst im 13. Jahrhundert ein Dekret, welches die Berichte von solchen „fliegenden Dingen“ bei Strafe verbot."
    Diese Aussage findet sich fast wortwörtlich in Büchern, vor allem aber auf zig Webseiten zum Thema Präastronautik. Welcher Papst? Welches Dekret? ...derartige Details scheinen nicht von Bedeutung, Hauptsache, ein Papst bzw. die Kirche hat 'was mit UFOs verboten'...
  • Zitat 2: "Der Gelehrte Erasmus Francisi berichtet in seinem 1500 Seiten umfassenden Werk “Mysteriöse Erscheinungen” über UFO-Sichtungen."
    Dieser Gelehrte hatte eigentlich den Namen Erasmus Finx, (1627 - 1694) genannt Erasmus Francisci. Gelegentlich wird noch als Erscheinungsdatum des betreffenden Werks das Jahr 1655 benannt. Doch der mutmaßliche Tippfehler (das fehlende "c" im Nachnamen) wurde von ziemlich vielen Kopisten mit abgeschrieben. Und so wie ich das sehe, bestand seine primäre Intention seiner Arbeiten keineswegs darin, dubiose Himmelserscheinungen zu dokumentieren. Schließlich hatte das ja auch der Papst verboten ;) Ein Werk mit exakt dem o.a. Titel habe ich bislang auch nicht finden können.
Ob beide Zitate inhaltlich zutreffen, vermag ich nicht zweifelsfrei zu klären. Dennoch ärgert mich eine geradezu inflationär auftretende Schlampigkeit ein wenig - vor allem seitens 'professioneller' Autoren, die mit ihren Büchern Geld verdienen - denn dadurch wird die Glaubwürdigkeit der Paläoseti-Forschungsbemühungen insgesamt herabgesetzt. Für mich persönlich ist dieses 'Nachforschen', Abgleichen, Vertiefen mit das Wichtigste, wenn ich mich mich solch 'fragwürdigen' Themen beschäftige - wie sonst könnte ich ein Gespür dafür gewinnen, welche Behauptungen möglicherweise plausibel sind?
[Gegen Zitate ist selbstverständlich nichts einzuwenden, sie sollten halt nur als solche gekennzeichnet und mit einer Quellenangabe werden. In Bezug auf die beiden o,a, Statements ist dies schwierig: von wem wurden sie 'zuerst' verfasst (evtl. stammen sie von Bernd v. Wittenburg ("Schach der Erde"), aber das ist nur eine Vermutung.)]

Zurück zu Z. Sitchin, bei dessen Büchern viele der o.a. Argumentationsketten (bzw. deren Abschriften) zusammenlaufen:

Zecharia Sitchin (1920 - 20110)
Zecharia Sitchin nachfolgend mit ZS abgekürzt, war ein bekannter Vertreter der Prä-Astronautik und amerikanischer Autor. Die selbst vorgenommene Übersetzung sumerischer Keilschrift-Texte veranlasste ihn zu der These, Außerirdische hätten die Erde kolonisiert und den Menschen als Arbeitssklaven erschaffen. Sitchin veröffentlichte 13 Bücher, die in 25 Sprachen übersetzt wurden.

Dr. Klaus Richter von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) gesteht in seinem im Jahr 2003 fertiggestellten Aufsatz “Fehler und Fehlinterpretationen Zecharia Sitchins“ zu, dass
"...die Darlegungen Sitchins über Besuche Außerirdischer… in pseudoarchäologischen Kreisen außerordentlich populär sind (...)."
Ungeachtet dessen gelange man bei intensivem Studium seiner Thesen zu “niederschmetternden Ergebnissen über den realen Hintergrund”. Darum soll es im folgenden gehen.

Das von Sitchin 1976 verfasste Buch “Der 12. Planet” ist durchaus interessant geschrieben – für einen Laien, der sich für historische Mythen und deren ‘Praxisbezug’ interessiert. Seine Herleitungen sind 'erschöpfend' ausführlich, was es mitunter erschwert, seiner Argumentationskette zu folgen und dabei den Überblick zu behalten. Auffallend oft spricht ZS von Beweisen, wo lediglich mehr oder minder strittige Annahmen auf der Basis 4000 Jahre alter Textquellen getroffen werden.
Sitchins Kernthese: frühe menschliche Zivilisationen wurden mehrfach von Außerirdischen besucht, die sie u.a. in politischen Fragen, im Bau- und Ingenieurswesen, der Landwirtschaft usw. unterwiesen. Angesichts ihrer technischen und geistigen Überlegenheit seien die Besucher von den Menschen als Gottheiten verehrt worden bzw. hätten sich selbst als solche inszeniert.


Zeichnungen aus dem Val Camonica in Italien, die häufig als Zeichnungen außerirdischer
 Astronauten auf der Erde gedeutet werden (Quelle: Wikimedia)

Auf diese Hauptthese vermag ich mich zum Teil einzulassen - denn in der ‘seriösen’ Geschichtsliteratur finde ich vorwiegend Spekulationen und Konjunktive bei dem Versuch, die neolithische Revolution (= die rasend schnelle Entstehung der ersten Kulturen, nachdem frühere Entwicklungsschritte viel, viel mehr Zeit beansprucht hatten) zu erklären.
Dennoch steige ich nach knapp 250 Seiten endgültig aus der Lektüre aus: Intuitiv sage ich mir ‘das geht zu weit’ - mein Verstand weigert sich partout, goldsuchende und menschenzüchtende Astronautengötter zu akzeptieren. 

Wie war das noch - "gerade das Unglaubliche lässt uns denken, dass es nicht wahr sein kann"? Ja, sicher. Nur trifft diese Weisheit auch nicht in allen Fällen zu ...ich möchte niemandem 'auf den Leim gehen'. Womöglich bin ich auch zu sehr von Sozialisation und Schulbildung geprägt, um wirklich unvoreingenommen zu sein?
Nebenbei beschleicht mich bei Leuten wie Sitchin oder Däniken der Eindruck, dass sie selbst von ‘ihren außerirdischen Göttern’ absolut überzeugt sind und deshalb nicht mehr zwischen objektivem Befund und subjektiver Interpretation differenzieren. Schlimmer noch: 


Was nicht passt, wird passend gemacht. 

Häufige Manipulationsversuche und selektive Argumentation im Umfeld sogenannter Grenzwissenschaften sind sicherlich die Hauptursache für das Zwielicht mangelnder Glaubwürdigkeit, in welchem Präastronautik-Vertreter von Kritikern gesehen werden.
Klaus Richter geht noch weiter: er glaubt belegen zu können, dass Sitchin
  • “… Tatsachen verdreht, sie manipuliert oder erfindet, um seine Theorie von einem außerirdischen Einfluß auf die Entstehung des Menschen zu untermauern. 
  • … Rätsel erfindet, wo keine sind, und sie anschließend in seinem Sinne löst.”

Sitchins Thesen

Ob ZS sich selbst als anerkannter Altertumsforscher bezeichnet, ohne einen akademischen Grad in Orientalistik oder einem angrenzenden Fachgebiet zu besitzen, hat für mich kaum Relevanz. Entscheidend ist (für mich), ob seine Argumentation in sich plausibel ist und inwieweit sie gesichertem Wissen widerspricht. 
Dabei gebe ich zu erinnern, dass weder die Evolutionslehre letztgültig bewiesen ist noch die Entstehung des Lebens (molekulare Evolution) und der Werdegang des modernen Menschen bis ins letzte geklärt sind. Hierzu bestehen jeweils wissenschaftlich fundierte Theorien, das ist wahr. Aber um die evolotionsmäßige Entstehung der Arten (Makroevolution) zu belegen, müssten sog. missing links gefunden werden, d.h. Übergangsformen, beispielsweise vom Reptil zum Vogel1).

Seit 1976 behauptet ZS, er habe Beweise gefunden, dass die Erde in vorgeschichtlicher Zeit durch Außerirdische besucht worden sei. Diese Aliens vom Planeten Nibiru sollen den Menschen als Arbeitssklaven erschaffen haben, vor allem für unbeliebte Bergwerksarbeiten.Ausgangs- und Schwerpunkt außerirdischen Aktivitäten soll Mesopotamien (das ‘Zweistromland’ zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris) gewesen sein, belegt durch eine Vielzahl religiöser Texte und Mythen.


Mesopotamien innerhalb der heutigen Staatsgrenzen (Quelle: Wikimedia)

Zur Entstehungszeit unseres Sonnensystems sei ein Planet (eben jener den Weltuntergangsbefürwortern gut bekannte "Nibiru") eingedrungen und mit einem zwischen Mars und Jupiter ansässigen Planeten (“Tiamat”) kollidiert. Aus dieser Kollision sollen der Asteroidengürtel sowie unsere Erde hervorgegangen sein, die in einen neuen Orbit geschleudert wurde und dabei den Mond einfing. Nibiru wurde als 12. Planet Teil unseres Sonnensystems – mit einer stark elliptische Sonnenumlaufbahn von 3.600 Jahren. Dessen Bewohner sollen vor ca. 450.000 Jahren die Erde erstmals aufgesucht haben.
Gold, hätten sie gebraucht, um die Atmosphäre ihres Heimatplaneten vor weiteren Schäden zu schützen; hierfür seien große Mengen des anscheinend intergalaktisch begehrten Edelmetall auf der Erde abgebaut und nach Nibiru verfrachtet worden. Gewaltige Raumhäfen seien auf der Erde errichtet worden – in “Nippur” und im heutigen Baalbek.
Der Jupitertempel mit Podium, das die drei größten je verbauten Steine der Welt enthält
Baalbek: Der Jupitertempel mit Podium,
das die drei größten je verbauten Steine der Welt enthält

Die Pyramiden auf dem Gizeh-Plateau - eine Lande- und Navigationshilfe für außerirdischen Piloten.
Die  künstlichen Erschaffung des Menschen vor etwa 300.000 Jahren sollte geeignete Arbeitskräfte hervorbringen, die nun anstelle der Mannschaftsgötter (‘Anunnaki’) in den Goldbergwerken arbeiten sollte. Als genügsamer Arbeitssklave gedacht, habe sich der Mensch mit den Annunaki vermischt und vermehrt. 
Als Beleg für dieses Upgrade des menschlichen Genpools muss u.a. auch die Genesis, das erste Buch des Alten Testaments herhalten:
"Und es geschah, als die Menschen begannen, sich auf der Fläche des Erdbodens zu mehren und ihnen Töchter geboren wurden, da sahen die Söhne Gottes, dass die Töchter der Menschen schön waren, und sie nahmen sich die zu Frauen, die sie irgend erwählten. Und der Herr sprach: Mein Geist soll nicht ewig mit dem Menschen rechten, da er ja Fleisch ist; und seine Tage seien 120 Jahre. In jenen Tagen waren die Riesen auf der Erde, und auch nachher, als die Söhne Gottes zu den Töchtern der Menschen eingingen und diese ihnen gebaren. Das sind die Helden, die vor alters waren, die Männer von Ruhm gewesen sind." [1 Mose 6,1-4]

Vor 13.000 Jahren habe eine große Flut, ausgelöst durch den Vorbeizug des Planeten Nibiru, zahllose Menschen getötet. In späteren Jahrtausenden folgten weitere Zivilisationsgründungen durch die ‘vom Himmel herabgestiegenen Götter’, zudem hätten (Atom-)Kriege2) und Erbfolgestreitigkeiten zwischen den verschiedenen außerirdischen Fraktionen stattgefunden.-
Mit solchen Thesen brachte Sitchin nicht nur Wissenschaftler gegen sich auf. Auch christliche und jüdische Theologen waren sauer auf ihn, deutet er doch zentrale Elemente des Alten Testaments - die Identität sowie Rolle des Gottes JHWH - weitreichend um.

ZS und seine Kopisten-Gemeinde entwerfen ein ‘alternatives’ Entstehungsszenario menschlicher Zivilisation, welches diametral von dem abweicht, was einerseits Wissenschaften, andererseits religiöse Überlieferung (bzw. deren herkömmliche Übersetzungen) bislang vermittelt haben. Richter betont:


"…eine solche Theorie kann nur Bestand haben, wenn die von ihr gebrauchten Argumente stichhaltig genug sind, um eine ernsthafte Alternative zu anderen, etablierten Theorien zu bilden."

Darin kann ich nur zustimmen: ein paar Indizien und deren Interpretation ist eben noch kein Beweis für ein alternatives Weltbild. Unter Fachkollegen steht Sitchin ziemlich isoliert da: seine Gefolgschaft schreibt etwas fort, was Wissenschaftler gerne mit dem abfälligen Terminus ‘Pseudowissenschaft’ versehen. 
Als Pseudowissenschaft werden Thesen und theoretische Modelle bezeichnet, welche dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit auftreten, jedoch im Widerspruch zu den anerkannten wissenschaftlichen Methoden und Erkenntnissen stehen. Der Begriff wird häufig abwertend gebraucht.


Kosmologie/Astronomie

Um 12. Planeten in unserem Sonnensystem auszumachen, müssten die Sumerer überaus detaillierte Kenntnisse besessen haben: Bis heute sind zehn Planeten bekannt, bzw. neun, weil der bedauernswerte Pluto ja 2006 zum Zwergplaneten degradiert wurde. Vgl. hierzu die Entdeckungs-Zeitpunkte von Planeten und Monden - Uranus bspw. wurde 1791 von Wilhelm Herschel entdeckt.

Planeten des Sonnensystems, nach Größe geordnet,
mit dem Sonnenrand zum Vergleich

ZS will die moderne Astronomie will die Existenz des 12. Planeten aufmerksam gemacht haben, deshalb verlangt er in seiner Bescheidenheit, jener 12. Planeten solle mit einem von ihm ausgewählten Namen belegt werden ...falls er denn eines Tages gefunden wird. In der Tat vermuten manche Astronomen einen “Planeten X” im Sonnensystem, aber nicht infolge der Untersuchungen Sitchins, sondern wegen Bahnstörungen Neptuns und der exzentrischen Umlaufbahn Plutos – ein bis heute kontrovers disktiertes Thema in der Astronomie.
Nach heutigem Wissen kann es durchaus einen weiteren Planeten geben. Falls er existiert, könnte er in den nächsten Jahrzehnten durch Bahnstörungen von Raumsonden nachgewiesen werden. Sogar ein Brauner Zwerg oder ein schwacher Stern ("Nemesis") als weit entfernter Begleiter ist bislang nicht definitiv widerlegt -wenngleich unwahrscheinlich: Grund seiner Eigen(wärme)strahlung wäre er durch die bisherigen Himmelsdurchmusterungen sehr wahrscheinlich gefunden worden wäre. (Vgl. Wpedia)
Wie dem auch sei, die von ZS eingeführte ‘sumerische Zählweise’ der Planeten im Sonnensystem alles andere als einleuchtend: Wenn der Erdmond als Planet mitgezählt werden soll, dann dürften weitere Monden anderer Planeten (d.h. natürliche Objekte, die sich in einer Umlaufbahn um einen Planeten befinden) nicht außen vor bleiben. Auch die Größe (z.B. der Jupitermonde Ganymed und Callisto) taugt hier nicht zur Unterscheidung.
Richter erläutert die Fehler in dieser Zählweise sehr ausführlich und kommt zu dem Fazit: "Logik fehlt hier".


Der 12. Planet unsere Sonnensystems – bewohnt von einer außerirdischen Intelligenz?

Eine mutmaßliche Sonnenumlaufdauer von 3.600 Jahre würde diesen Planeten in die äußersten Bereiche des Sonnensystems führen, wo es richtig kalt ist (nur drei Grad über dem absoluten Nullpunkt von minus 273 Grad Celsius).
Und doch soll auf dem Planeten nach Überzeugung Sitchins eine technologische Hochkultur entstanden sein, die sich schneller als die Menschheit auf der viel günstiger gelegenen Erde entwickelt hat.
Zumindest mit heutigem Wissenstand kann dieser Annahme klar widersprochen werden. Leben, insbesondere intelligentes oder gar humanoides Leben ist nur auf Planeten in der habitablen Zone möglich: Stabile Atmosphäre, dauerhaft ‘angenehme’ Temperatur sowie die Existenz von flüssigem Wasser bilden Grundvoraussetzungen für die Entstehung einer Zivilisation dar, wie ZS sie für seine Götter beschreibt. 
Es mag andere Lebensformen geben, die nicht auf solche Umweltbedingungen angewiesen sind – doch solche Wesen wären in Anatomie und Lebensweise grundverschieden von irdischen Lebensformen, folglich würden sie die Erde nicht aufsuchen, geschweige den Menschen ähnlich sein und mit ihnen kommunizieren.
Sitchins 12. Planet befände sich die meiste Zeit außerhalb der habitablen Zone und wäre wohl absolut lebensfeindlich, weil er. Die kurzen Zeiträume der Erwärmung bei Annäherung an die Sonne reichen definitiv nicht aus, um hochentwickeltes Leben entstehen zulassen ermöglichen. Sitchins Gegenargument – Nibiru könne eigene Wärme erzeugen und mit Hilfe seiner Atmosphäre bewahren – lässt Richter nicht gelten:
Dazu ist immer auch die Energie erforderlich, die von der Sonne abgestrahlt wird. Erst recht kann dies nicht bei einem Planeten der Fall sein, der sich die meiste Zeit in tiefster Dunkelheit und Kälte befindet.
Gerade im Hinblick auf die astronomischen Fragen kommt es mir so vor, als habe Sitchin sich in einem Zirkelschluss verbissen: ‘Irgendwie wird es schon gehen ...schließlich waren die Außerirdischen ja auf der Erde...’
Lassen wir Nibiru mal beiseite – wäre es denkbar, dass ZS sich nur in diesem Punkt irrte und dass seine außerirdischen Götter von einem anderen Sternenystem zu uns gereist sind?

Eine so weite interstellare Reise kostet jede Menge Ressourcen (und Personal) – sie setzt eine hinreichend große Motivation voraus, ausgerechnet die Erde aufzusuchen. Reicht Goldsuche als Erklärung aus? Sollten Edelmetalle nicht anderswo im Weltall effizienter abgebaut werden können als hier auf unserem vergleichsweise kleinen Planeten?
In jedem Falle aber müssten wir heute die Spuren der damals angelegten Bergwerken finden, falls hier wirklich in so großem Stil Gold abgebaut wurde.

Die Gizeh-Pyramiden als Navigationshilfe lassen sich in wenigen Worten: wozu braucht eine technologisch versierte Zivilisation Außerirdischer derart monumentale Bauwerke, um navigieren und ordentlich landen zu können? Satellitengestützte Navigation bekommen sogar wir Erdlinge geregelt...

Manipulation des menschlichen Erbgutes?

Bezüglich der “Erschaffung des (modernen) Menschen” zeigt sich sowohl bei Sitchins Befürwortern als auch bei seinen Kritikern, wie sehr deren jeweilige Sichtweise an persönliche Überzeugungen gebunden ist. Eine sachliche Auseinandersetzung würde erfordern, persönliche Überzeugungen sowie welanschauliche Traditionen außen vor zu lassen, um sich auf Evidenzen oder zumindest schlüssige Indizienketten zu beschränken.
Vielleicht aus diesem Grund geht Dr. Richter auf diesen überaus wichtigen Aspekt nur kurz ein – er zitiert das – bekanntlich lückenhafte – wissenschaftliche Jeweilsbild unserer Zeit:
  • Homo Sapiens sei “vermutlich” vor etwa 110.000 Jahren im südlichen Afrika aus dem Homo Erectus hervorgegangen und habe sich über mehrere zehntausend Jahren nach Nordafrika, Europa, Asien, Ozeanien und Amerika bewegt.
  • "Bislang gibt es von Seiten der Paläoanthropologie keine ernstzunehmenden Hinweise auf außerirdische Eingriffe in die menschliche Evolution."
Allein mit diesen kurzen flapsigen Statements lässt sich die These einer künstlichen Veränderung des frühmenschlichen Erbgutes (denn darum geht es de facto, und nicht etwa eine Erschaffung des Menschen aus dem Nichts bzw. aus Lehm…) sicher nicht überzeugend widerlegen. Eine Intervention ‘von oben’, d.h. durch intelligente Lebewesen, deren genetisches Wissen nur geringfügig weiterentwickelt war als unser heutiges KnowHow, ist vom Standpunkt der Realisierbarkeit nicht auszuschließen. Nur, wie wahrscheinlich ist solch ein Hergang - verglichen z.B. mit der breiter akzeptierten Panspermie-These (s.u.)?


Entstehung des Lebens auf der Erde 

Zur chemischen Evolution stellt ZS einige Überlegungen an:

“Wieso gibt es für alles terrestrische Leben auf der Erde nur einen genetischen Code? Wenn das Leben, wie die meisten Biologen glauben, in einer ‘Ursuppe’ begonnen hat, dann hätten sich vielfältige genetische Codes entwickeln müssen. Und wieso spielt der chemische Grundstoff Molybdän eine Schlüsselrolle bei enzymatischen Reaktionen, die lebenswichtig sind, wenn Molybdän doch so selten vorkommt?”

Das alles lässt nur zwei Schlüsse zu: entweder gab es am Anfang nur eine ursprüngliche Lebensform – oder alle anderen Lebensformen wurden im Laufe der Evolution durch eine einzige ‘Urlebensform’ eliminiert (Leitenberger).

Sitchin verweist auf die 1973 von Nobelpreisträger Francis Crick mit Dr. Leslie Orgel veröffentlichte Theorie der gerichteten Panspermie, d.h. dass “das Leben auf der Erde winzigen Organismen von einem fernen Planeten entsprungen ist.”
Danach sind die ‘Sporen des Lebens’ nicht zufällig ins Weltall geraten, sondern absichtlich von einer außerirdischen Zivilisation losgeschickt worden. Das Versenden von kleinen Körnern mit Bakterien ist nach Crick der kostengünstigste und effektivste Weg, um Leben auf einen potentiell lebensfähigen Planeten zu transportieren.
(Vgl. “Die Entstehung des Lebens auf der Erde“, Bernd Leitenberger)




"Relikt eines Marsbakteriums?"
Elektronenmikroskopische Aufnahme (Ausschnitt) des Meteoriten ALH 84001

Bei Variante musste nur eine Reihe widerstandsfähiger Mikroben durchs All reisen, was eher praktikabel erscheint als interstellare Raumfahrten einer intelligenten Spezies.


ZS behauptet nun: Crick und Orgel hätten erklärt, daß “intelligente Lebewesen von einem anderen Planeten die ‘Saat des Lebens’ von ihrem Stem in einem Raumschiff auf die Erde gebracht haben…”. Soweit nachvollziehbar, sprechen Crick und Orgel lediglich von einem Versand (sonst macht das Kostenargument keinen Sinn), nicht aber von einem Begleitpersonal samt Raumschiff!

Eine Überlegung wert? (Fazit)

Der Beurteilung von Dr. Richter – Sitchin habe Tatsachen verdreht oder sie falsch interpretiert, um seine Theorie argumentativ zu untermauern – mag ich mich nur zum Teil anschließen:
So wie Sitchin es beschriebt, wird es sicher nicht gewesen sein. Kein Nibiru und auch keine intelligenten Aliens als Mitbewohner ‘unseres’ Sonnensystems. Und erst recht keine Pyramidenbauten zwecks Flugnavigation.

Aber: Nahezu alle alten Kulturen entwickelten Erzählungen und Mythen von göttergleichen Wesen, die aus dem Himmel auf die Erde kamen und durch ihr Wissen große Fortschritte in allen Lebensbereichen herbeiführten. Durchaus kann man - eine kritische Distanz vorausgesetzt -  auch Teile des Alten Testaments sowie der hinduistischen Veda in diesem Sinne interpretieren.

Die Entwicklung des modernen Menschen und seiner  auf Technologien gegründeten Lebensweise war m.E. wesentlich von unbekannten Einflüssen begleitet, welche wir bislang noch nicht gefunden bzw. verstanden haben. 
Offensichtlich sind die Erklärungsmuster der Präastronautik noch unausgegoren, lassen entscheidende Fragen unbeantwortet und präsentieren ihre "Beweise" trotzdem in einer optimistisch-manipulativen weise. All dies macht sie leicht angreifbar für eine selektiv forschende Wissenschaftsgemeinde, welche ihrerseits mit fast dogmatischem Habitus auftritt und Irrtümer erst dann zögerlich einräumt, wenn dies unausweichlich wird.

Unterdessen lässt sich die Kernthese – außerirdische Intelligenzen hätten die menschliche Zivilisation beeinflusst oder geschaffen – mit dem heutigen Wissensstand weder widerlegen noch beweisen.
Den Vorwurf, die Präastronautik vernachlässige den wissenschaftlichen Grundsatz, dass die Theorie mit der einfachsten Annahme auch die am besten passende sei (Ockhams Rasiermesser), lasse ich gelten. Trifft dies aber nicht mindestens ebenso sehr auf eine Urknalltheorie zu, bei der physikalische Gesetze 'im entscheidenden Moment'
 keine Gültigkeit besitzen sollen ?


Ein (vermutlich ganz und gar unwissenschaftliches) Beispiel: Die Erde entstand vor etwa 4,5 Milliarden Jahren und schon einige hundert Millionen Jahre danach sollen sich einfachsten Einzeller ‘gebildet’ haben – der Beginn einer Kette unwahrscheinlicher Zufälle waren Zellstrukturen und Erbinformation (DNA), an deren Ende stand der moderne Mensch. Entspricht dieses Zufalls-Konstrukt dem Prinzip der einfachsten = besten Theorie?

Als naturwissenschaftliche Theorie eignen sich die Aussagen der Präastronautik dennoch nicht, was die Mehrzahl ihrer Vertreter auch einräumt. Mir scheint, die Widerstände haben einen anderen Hintergrund: Die Einflussnahme außerirdischer Intelligenzen passt nicht in das mit Traditionen und religiösen Überzeugungen durchsetzte ‘abendländische’ Weltbild passt...

Anmerkungen

  1. Nur sehr wenige solcher missing links wurden bis heute gefunden, der bekannte Archäopteryx ist nach neuesten Forschungsergebnissen keine Übergangsform vom Reptil zum Vogel, sondern lediglich ein ‘gefiedertes Reptil’. Aber auch darüber wird weiter gestritten.
  2. Gewaltige militärische Auseinandersetzungen, deren Beschreibung durchaus an die verheerenden Folgen von Nuklearschlägen erinnert, werden u.a. in den indischen Veden geschildert. Die Veden berichten zudem auch von gottähnlichen Gestalten in ‘Himmelsstädten’. 

Quellenhinweise/Links

  • Der 12. Planet, Zecharia Sitchin

Samstag, 7. September 2013

Staatliche Überwachung: "Wir müssen das Internet zurückerobern"

Der Spass am Internet ist mir weitgehend abhanden gekommen. Dafür gibt es mehrere Gründe: Über die haarsträubende Kommmerzialisierung des Web, wo nahezu jeder Klick vermarktet wird bzw. zu Einnahmen sog. 'Anbieter' führt, schüttle ich schon lange den Kopf. Dann dieser ganze Wust an Malware und sonstigen Nettigkeiten profilneurotischer Schwachköpfe, die das Netz auf ihre Weise in Verruf bringen.
Und jetzt die Spionage-Enthüllungen ...

Das ist nicht mehr das Internet, das die Welt braucht, und auch nicht mehr das, was seine Schöpfer ursprünglich beabsichtigt hatten. Der Westen insgesamt, nicht nur die USA und Großbritannien verwalten Internet un-ethisch und legitimieren so den Missbrauch des Internets durch China, Russland, Iran und andere.

Und die Informationsindustrie macht fleißig mit, wenn sie nicht mit Datamining etc. der eigentliche Vorreiter der grassierenden Überwachungsmentalität war.

Wie ZEIT Online berichtet, verlangt der amerikanische Informatiker und Sicherheitsexperte Bruce Schneier von Technikern und Ingenieuren, die Methoden der NSA und anderer Nachrichtendienste öffentlich anzuprangern - sowie "ein sicheres Internet zu bauen, das die Massenüberwachung durch Staaten unmöglich macht."


Bruce Schneier, 2007
"Regierung und Industrie haben das Internet – und uns – verraten. Indem die NSA das Internet auf jeder Ebene untergraben hat, um aus ihm eine riesige, allumfassende Überwachungsplattform zu machen, hat sie einen fundamentalen Gesellschaftsvertrag unterlaufen.
Weder den Unternehmen, die die Infrastruktur des Internets bauen und regulieren, noch denen, die Hardware und Software verkaufen, noch denen, die Daten speichern, kann man noch zutrauen, dass sie das Netz ethisch korrekt verwalten."
Schneier stellt fest, bislang sei weithin unbekannt, wie genau die NSA und andere Geheimdienste Router, Knotenpunkte und sogar Verschlüsselungstechnologien aushebeln bzw. umgehen.
  
Ist ziviler Ungehorsam als der moralisch richtige und vielleicht notwendige Ausgangspunkt, das Internet wieder zu dem Netz umzugestalten, als das es ursprünglich gedacht war?
"Wir müssen herausfinden, wie wir das Internet umbauen können, um diese Art der Massenausspähung zu verhindern. Wir brauchen neue Techniken, um Kommunikationsvermittler davon abzuhalten, private Informationen weiterzugeben.
Wir können dafür sorgen, dass Überwachung teurer wird."
Meiner Ansicht nach stört sich nur eine Minderheit so sehr an der Überwachungspraxis im Web, dass sie bereit ist auch schmerzhafte Konsequenzen zu ziehen - etwa auf Diensteanbieter zu verzichten, die offensichtlich persönliche Daten an Regierungsorganisationen weitergeben. 
Doch falls in ein paar Jahren aus Anfängen wie dem Appell von Bruce Schneier eine  breite, machtvolle Front entstehen sollte, könnte diese vielleicht bewirken, dass das Internet auch wieder Spaß macht und nicht länger primär als Sicherheitsrisiko gesehen wird. 

Nachtrag (23.10.2013): Angela Merkel war möglicherweise über Jahre hinweg ein Ziel US-amerikanischer Geheimdienste.

Ignoranz endet meist dann recht schnell, wenn man persönlich betroffen ist. Die WELT beschreibt Angela Merkels Verhalten in der Spionageaffäre recht süffisant;
Frau Bundeskanzler habe sich "abwägend und beschwichtigend verdient gemacht". Deutschland sei nun einmal "angewiesen auf die Zusammenarbeit mit den Amerikanern und habe nur wegen US-Hinweisen einen Terroranschlag verhindern können. Netter hätte es Washington selbst nicht sagen können."

Doch wurden ihr kürzlich muss offenbar überzeugende Beweise vorgelegt, dass ihr Privathandy abgehört wurde. Prompt ruft Merkel bei Obama an und in Berlin wirft man den USA "gravierenden Vertrauensbruch" vor. Schadenfreude ist nicht angebracht, oder nur ganz wenig..
"Wieder ist "inakzeptabel" das Wort, dass Indigniertheit mit Ohnmacht kreuzt."
Die Situation, wenn ein strebsamer Nerd auf dem Schulhof gegen Rempeleien stärkerer Mitschüler anredet, ist nicht unähnlich: "Ach bitte, lass das doch, sonst..."
Ja, was 'sonst'? Beleidigt sein bringt auf dem diplomatischen Parkett keine Punkte und zu Wirtschaftssanktionen wird es kaum kommen. Das "Erregungspotenzial" wg. Abhören ausländischer Staatschefs halte sich in den USA fühlbar in Grenzen, meint auch WELT-Korrespondent Uwe Schmitt.

Obamas Reaktion spricht für sich: Der Präsident versichert der erregten Kanzlerin, dass die Vereinigten Staaten ihre Kommunikation nicht überwachen und nicht überwachen werden.“ Inwieweit dies auch auf die Vergangenheit zutrifft, ließ die Sprecherin dem SPIEGEL zufolge offen.