Montag, 23. Juni 2014

Hans-P. Dürr: "Der Urknall ist alte Physik..."

„Ein Baum, der fällt, macht mehr Lärm, als ein Wald, der wächst. Lasst uns deshalb dem wachsenden Wald lauschen!“
Ich habe erst heute erfahren, dass der von mir bewunderte und geachtete Kernphysiker Hans-Peter Dürr am 18.Mai 2014 im Alter von 84 verstorben ist. Herrn Dürr verdanke ich wertvolle Denkanstöße, nicht nur in Bezug auf die Möglichkeit einer Synthese zwischen naturwissenschaftlicher und spiritueller Weltsicht. 

Exemplarisch für die Denkweise von Professor Dürr war das im Jahr 2002 geführte Gespräch über Erkenntnisse der Quantenphysik in Bezug auf unser Denken und Handeln (s. Video). Einige Schwerpunkte daraus:
"Der Urknall ist für mich alte Physik - und inakzetabel, weil er an der eigentlichen Problematik vorbeigeht. Urknall ist...noch die Vorstellung, dass die Welt sich entfaltet hat. "
"Wir haben uns auf Erden eine Sprache zum Apfel pflücken erdacht, weshalb ich unsere (mathematische-physikalische) Sprache gerne als Apfelpflücksprache bezeichne. Nun kann man ja nicht wirklich annehmen, dass sich das Universum nach einer Apfelpflücksprache richtet!" 
Die gesamte im Universum der Gegenwart enthaltene Information wäre nach dieser 'alten' Physik von Anfang an schon in dem sich entwickelnden, entfaltenden 'Knäuel' enthalten - daran sei nicht wirklich etwas Kreatives (im Sinne einer Neu-Schöpfung). Insoweit transportiere die Urknalltheorie das Missverständnis, als sei anfangs ein mächtiges Zahnradgetriebe in Gang gesetzt worden. 
Quantentheorie besage dagegen, dass in jedem Moment etwas Neues entsteht - und etwas 'Altes' verschwindet - ohne Ursache und Wirkung.Dabei wirke die Evolution in jedem Augenblick weiter, ständig fließend: "Die Zukunft ist offen".
Der Kernphysiker vergleicht die traditionellen Naturwissenschaften mit einem Fleischwolf, der die Wirklichkeit verwurstet. Gefordert sei ein völlig neues Denken. Unsere Alltags-Wahrnehmung könne freilich nur ein statistisches Mittel dieser Prozesse wahrnehmen
Auch in einem mit der WELT 2006 geführten Gespräch erklärte der Inhaber des alternativen Nobelpreises: Wer die recht unverständliche Quantentheorie in völliger Klarheit verstanden habe, könne von der Welt nur noch in Bildern und Gleichnissen sprechen. Der Kosmos sei eine "geistig-lebendige Wirklichkeit", ein Beziehungsgefüge von Möglichkeiten, ein ständiges Geschehen voller Kreativität. Statt von Materie-Teilchen sollte man besser von "Passierchens" oder "Wirks" sprechen.
Diese Struktur der Wirklichkeit sei holistisch (ganzheitlich) - man könne sie daher nicht in einzelne Bestandteile zerlegen (= analysieren), ohne wesentliche Verbindungen und Zusammenhänge zu zerstören.
Materie lasse sich als "elektromagnetischer Schwingungsball" beschreiben: 
"Und was da schwingt, ist Nichts. Aber dieses Nichts hat eine Form."



Siehe auch:

Freitag, 20. Juni 2014

Werner Heisenberg und die Frage nach der Wirklichkeit

Hans-Peter Dürr, Anton Zeilinger und Martin Heisenberg über Leben und Werk des Wissenschaftlers und Nobelpreisträgers Werner Heisenberg (*1901), eines der bedeutendsten Physikern des 20. Jahrhunderts zählt

Von diesem Film war ich ziemlich angetan; er betrachtet nicht nur die Meilensteine auf dem wissenschaftlichen Karriereweg, sondern das gesamte Leben des Künstlers, Philosophen und Forschers Heisenberg.



Werner Heisenberg (1933)

"Wer über die Philosophie Platos meditiert, weiß, dass die Welt durch Bilder bestimmt wird." - Einige Zitate aus den Werken Heisenbergs:
  • "Aber die existierenden wissenschaftlichen Begriffe passen jeweils nur zu einem sehr begrenzten Teil der Wirklichkeit, und der andere Teil, der noch nicht verstanden ist, bleibt unendlich."
  • "Die Energie ist tatsächlich der Stoff, aus dem alle Elementarteilchen, alle Atome und daher überhaupt alle Dinge gemacht sind, und gleichzeitig ist die Energie auch das Bewegende. | Die Energie kann als Ursache für alle Veränderungen in der Welt angesehen werden."
  • "Die Entscheidung mag das Ergebnis der Überlegung sein, aber sie beendet gleichzeitig die Überlegung, sie schließt die Überlegung aus."
  • "Die Naturwissenschaft beschreibt und erklärt die Natur nicht einfach, so wie sie "an sich" ist. Sie ist vielmehr ein Teil des Wechselspiels zwischen der Natur und uns selbst."
  • "Die Quantentheorie ist so ein wunderbares Beispiel dafür, dass man einen Sachverhalt in völliger Klarheit verstanden haben kann und gleichzeitig doch weiß, dass man nur in Bildern und Gleichnissen von ihm reden kann."     
  • "Immer dann, wenn man lebendige Organismen als physikalische oder chemische Systeme betrachtet, müssen sie sich auch wie solche verhalten."   

Siehe auch:


Mittwoch, 11. Juni 2014

Quantenphysik der Unsterblichkeit

"Wie Alles mit Allem ewig verbunden bleibt", Vortrag von Dr. Rolf Froböse

Religiös bzw. spirituell veranlagte Menschen bejahen die Existenz einer unsterblichen Seele, während manche (aber längst nicht alle) Naturwissenschaftler diesem 'Konstrukt' sehr skeptisch gegenüberstehen. Rolf Froböse (*1949), ein deutscher Chemiker, Wissenschaftsjournalist und Buchautor, untersucht im u.a. Vortrag, welchen Beitrag die moderne Naturwissenschaft in diesem Kontext liefern kann. 

Dazu könne er etwaige Indizien liefern, aber keinen 100-prozentigen Beweis/Gegenbeweis.

Hierzu kommt der Wissenschaftsjournalist zunächst auf Grundlagen zu sprechen:

  • Evolutionsbiologen erklären die Entstehung von (komplexem) Leben letztlich mit dem Zufallsprinzip, d.h. durch Mutation in der Erbsubstanz und anschließende Selektion durch die jeweiligen Lebens-/Umweltbedingungen. Dem hält Frobse entgegen, dass Wahrscheinlichkeit für die 'ad hoc'-Entstehung eines Gens aus Molekülen der 'Ursuppe' bei "Eins zu 10 hoch tausend" liege.
    Das Miller-Urey-Experiment (1953) sollte bestätigen,  dass unter den Bedingungen einer postulierten Uratmosphäre eine Entstehung organischer Moleküle (Chemische Evolution), wie sie heute bei Lebewesen vorkommen, möglich ist. Doch dieses Experiment wurde 'zu früh' beendet, man gab sich mit ein paar Aminosäuren zufrieden.
     "Von der Aminosäure zum Gen ist es noch ein langer Weg." Wie wahr.

Schematischer Versuchsaufbau des Miller-Urey-Experiments (Bildquelle: wikimedia)


  • Froböse erläutert nun relativ knapp das Doppelspalt-Experiment und das Phänomen der Quantenverschränkung: Platt ausgedrückt, scheinen zwei verschränkte Teilchen augenblicklich zu wissen, was mit dem anderen gerade passiert - egal wie groß die Entfernung zwischen ist. Bekanntlich sprach Einstein von einer "spukhaften Fernwirkung" und wollte am liebsten gar nichts mit diesem ihm suspekten Phänomen zu tun haben. An der Universität Genf hat eine Gruppe um Prof. Nicolas Gisin eine Untergrenze für die angenommene Ausbreitung von Quanteninformationen geliefert: Im Experiment wurde gezeigt, dass zwei verschränkte Photonen bezüglich verschiedener Eigenschaften, unter anderem der Polarisation, mit wenigstens 10.000-facher Lichtgeschwindigkeit kommunizieren müssten, wenn sie denn kommunizierten.(Vgl. "Mysteriöses Quantenphänomen: Einsteins Spuk ist Tausende Male schneller als das Licht", SPON 2008)
Konkret führten Gisins Resulate zu der Schlussfolgerung, dass es seit dem Urknall im gesamten Universum möglich ist, dass sich Teilchen ohne zeitliche Verzögerung (= "außerhalb der Raumzeit") wechselseitig beeinflussen und "jeder von uns an diesem Dialog aktiv teilnimmt". Gisin zeigte sich überzeugt, die Menschheit stehe an der Schwelle einer neuen Epoche, eines neuen Konzeptes von Natur und Welt.

Über dieses Verschränkungsprinzip ("Alles im Universum kommuniziert in Echtzeit miteinander") sei es möglich, so Froböse, zahlreiche Phänomene naturwissenschaftlich erklären, die heute noch als „paranormal" eingestuft werden.
"Ins Jenseits, so die These, führt kein Graben, den wir überwinden müssen. Vielmehr sind wir heute bereits von diesem Jenseits umgeben, das als großes Ganzes zu verstehen ist."  



Das klingt alles so weit plausibel und deckt sich im wesentlichen mit meiner (intuitiv hergeleiteten) Überzeugung. Dennoch glaube ich, der Zeitgeist steht einer ganzheitlichen, auf eine Synthese von Physik und Metaphysik abzielende Sichtweise entgegen: 
Bis heute, sechs Jahre nach Prof. Gisins Veröffentlichung, sind keinerlei Anzeichen einer (durchaus wünschenswerten) epochalen Veränderung zu bemerken, wenn wir von einem sich weiterhin beschleunigenden technologischen Fortschritt absehen.