Das gelbe Kreuz – die Katharer


“Das Licht kam in die Finsternis...
und die Finsternis hat es nicht begriffen.”

(Diesen Taxt habe ich aus meiner vorhergehenden Webseite "Kern des Lebens" übernommen. Er stammt aus den Jahren 2010 - 2012 und wird z.Zt. überarbeitet und ergänzt.)



Gelbes Ketzerkreuz als Schandmal für Katharer

Lange blieb die Geschichte der Katharer nahezu unbeachtet – nach 1966 wuchs das öffentliche Interesse durch den Zweiteiler "Les Cathares - un film de Stellio Lorenzi et Alain Decaux": "La Croisade") und "L'inquisition" (verlinkt auf YT ist jeweils das Original in französischer Sprache - eine deutsch synchronisierte Fassung finde ich nicht ...für diesbezügliche Hinweise wäre ich echt dankbar) waren Bestandteil der Serie La caméra explore le temps (1964 - 1966). Seither folgten unzählige Bücher und Dokumentationen; die früheren Katharer-Hochburgen wurden zu beliebten Urlaubszielen. Lebensweise und Schicksal dieser mittelalterlichen Bewegung werden inzwischen als touristisches ‘spectacle‘ inszeniert, etwa als ‘Catha-Rama’ in Carcassonne und Limoux.
Hierzulande ist die religiöse Bewegung der Katharer vor allem aus historischen Romanen von Autoren wie Peter Berling (z.B. “Die Kinder des Grals“), Tessa Körber (‘Das letzte Lied des Troubadours’) oder Helene Luise Köppel (‘Die Ketzerin von Montségur‘) ein Begriff.

Vom Balkan her breitete diese Glaubensbewegung sich seit dem 12. Jahrhundert in Südfrankreich und Oberitalien aus, fasste aber auch in Deutschland, Spanien und Sizilien Fuß. Zeitweilig gehörten ihr 500.000 Gläubige an. Verbreitet ist auch die Bezeichnung Albigenser nach der südfranzösischen Stadt Albi, einer ehemaligen Katharerhochburg. Als "Ketzer" und christliche Dissidenten wurden sie grausam unterdrückt - von manchen Katholiken werden sie noch heute als Sekte bezeichnet.

Lässt sich der Katharismus in wenigen Worten charakterisieren? Kaum, denn es handelte sich nicht um ein fest gefügtes, einheitliches Glaubenskonzept. Maurice Magre (zitiert auf ‘die-katharer.de’) beschreibt den Ausgangspunkt ihres Erfolges im mittelalterlichen Europa:
“…sie begriffen, das auf den katholischen Altären nur noch Scheinhandlungen vollzogen wurden und der Geist von Christus woanders zu finden sein müsse.
Es fiel den Katharern leicht, diesen Menschen zu zeigen, dass sie ihn in sich selbst zu entdecken hatten, denn dieses Geheimnis, diese schlafende Wahrheit bewahrten die Menschen des Oc seit den druidischen Zeiten in ihren Herzen, die Katharer brauchten es nur zum Leben zu erwecken.”

Hymn of the Cathars “Lo boièr




A. Die Katharer-Bewegung – Ursprünge, Lehre und Weltbild

Ursprünge und Vorläufer

Schon im 4. Jahrhundert n. Chr. waren die flachen Regionen Okzitaniens (das südliche, romanisch geprägte Drittel Frankreichs) christianisiert. In der unzugänglichen Bergwelt der Pyrenäen jedoch verehrten noch keltische Druiden – Priester eines Kultes, in dem Wissenschaft, Philosophie und Religion verschmolzen war – den Lichtgott Abellio. Die christlichen Missionare, welche auch in die Pyrenäen gelangten, gehörten zu der verfolgten Sekte der Priscillianer. Sie galten seit dem Konzil von Saragossa (341 n. Chr.) als Häretiker. Bereits die Priscillianer hingen einem dualistischen Glauben an, der sich im Ursprung wohl auf die Lehren der persischen Feueranbeter Ahura-Mazdas zurückführen lässt.

Im Mazdaismus oder Zoroastrismus bekämpfen sich zwei Prinzipien von Ewigkeit zu Ewigkeit – das Prinzip des Lebens, der Fruchtbarkeit und das Prinzip von Tod und Zerstörung. Ahura-Mazda (Gott des Lichtes und des Feuers) war die Verkörperung von Sonne, geistigem Licht und somit von Wärme, Güte und Wahrheit. Das gegensätzliche Prinzip, die nächtliche Finsternis, Irrtum, Lüge und Verrat (das Übel schlechthin) wird symbolisiert durch die zerstörerische Gottheit Ahriman.
In der Glaubensvorstellung der Priscillianer war Jesus an die Stelle Ahura-Mazdas getreten – und Luzifer ersetzte den bösen Ahriman des Mazdaismus. Die Priscillianer bekehrten die Druiden der Pyrenäen zu ihrer Auffassung des Christentum. So entwickelten fortan die christlich gewordenen Nachkommen der Kelten eine dualistische Lehre weiter, die ursprünglich in Persien begründet worden war. Desweiteren wird der Manichäismus zu den (außerchristlichen) Vorläufern der katharischen Lehre gezählt.



Der Bogomilismus als Vorläufer der Katharer(?)

Die Bogomilen ("Gottesfreunde", andere Schreibeise: Bogumilen) waren eine christliche Bewegung, die einen religiösen Dualismus verkündete. Ihr Name geht vermutlich bulgarischen Dorfpriester namens Bogomil oder Bogumil zurückgeführt. Die Bogomilen fassten vom 10. bis 15. Jahrhundert von Bulgarien aus im byzantinischen Kaiserreich Fuß und gelangten auch in andere Balkanländer und bis nach Russland.
Inhaltlich weist ihre Lehre über den persönlichen Anteil des Priesters Bogomil hinaus auf den Ursprung aus dem älteren Dualismus der Manichäer und Paulikianer hin. Daneben sind anschauliche Mythen des bulgarisch-slawischen Volksglaubens und Inhalte von apokryphen Texten zu finden.
Der Bogomilismus entwickelte sich in radikalen und gemäßigten Richtungen. Die dualistische Grundposition führte zur Dämonisierung der materiellen Welt, zur Ablehnung von Teilen des Alten Testaments sowie der Bilderverehrung, des üblichen Gottesdienstes, der meisten Sakramente und religiösen Symbole sowie der Hierarchie in der Kirche. Dies brachte die Bogomilen in Konflikte sowohl mit den Großkirchen als auch mit Staat und Gesellschaft.

 (Näheres siehe: Enzyklopädie des europäischen Ostens der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt)

Der Einfluss der balkanischen Bogomilen auf den Katharismus galt lange Zeit als nachgewiesen (noch bei A. Borst): Die Interrogatio Johannis, eine apokryphe Schrift, sollte dem italienischen Katharerbischof Nazarius von Bogomilen aus Bulgarien überbracht worden sein. Gerhard Podskalsky bezeichnet diesen Vorgang dagegen in seinem Werk “Theologische Literatur des Mittelalters in Bulgarien und Serbien: 865-1459″ als kaum beweisbar – womit auch die Frage der Ost-West-Verbindung zwischen Bogumilen und Katharern als schwierig einzustufen sei.
Nachdem die ‘bogomilische Häresie’ bereits ab 950 in Bulgarien aufkam, darf angesichts der inhaltlichen Nähe beider Bewegungen von Berührungspunkten ausgegangen werden, nicht aber von deren ausschließlicher Bedeutung für den Katharismus der Langue d’Oc.


Auch Gerhard Rottenwöhrer ("Die Katharer - was sie glaubten, wie sie lebten") stellt klar, dass bei gründlichem Quellenstudium keine eindeutigen Beweise für die Wurzeln des keineswegs homogenen Katharismus existieren. Er sieht einen Bezug zu den Bogomilen dennoch als wahrscheinlich an. Er kritisiert ferner die unbewiesenen Behauptungen in vielen Büchern von selbsternannten ‘Katharer-Exprrten’, wodurch die Verbreitung eines verfälschten Geschichtsbildes begünstigt werde.

Siehe auch:
Beeinflusst von dualistischen Glaubensüberzeugungen, Traditionen und frühchristlichen Idealen entwickelten sich im 12. und 13. Jahrhundert die Katharer als eine religiöse Erneuerungsbewegung, die von der katholischen Kirche als ebenso wie ihre Vorläufer als Irrlehre mit Nachdruck verurteilt wurde. (Die eigentlich spöttisch gemeinte Bezeichnung “Katharer“ wurde wahrscheinlich abgeleitet vom griechischen “katharoi“, was soviel wie „rein“ bedeutet. Eine andere Herleitung von ‘cattus’ (lat. für Katze) soll durch das Propaganda-Märchen entstanden sein, laut dem die Katharer in kultischen Handlungen zur Teufelsverehrung den Anus einer Katze küssten…ohne Worte…)
Arno Borst charakterisiert die Besonderheit dieser Bewegung so:
“Für Ketzer und Mönche wurde zum Muster aller Sekten die einzige häretische Bewegung, die sich eine Organisation mit Bischöfen, Sakramenten und Dogmen schuf, die der Katharer, die von den balkanischen Bogomilen angeregt im 12. und 13. Jahrhundert bei Laien Begeisterung, bei Geistlichen Entsetzen auslöste. Den einen galt sie als Verwirklichung einer christlichen Lebensform, den anderen als satanische Gegenkirche schlechthin.
Tatsächlich erlangten die Katharer mit ihrer der katholischen Kirche ähnelnden Organisation weit mehr sozialen und politischen Einfluss als beispielsweise die Waldenser und widerstanden fast zweihundert Jahre lang den päpstlichen Bekehrungs- und später Ausrottungsbemühungen.

Cathars songs – Consolament Ens


„Gott ist reiner Geist und Liebe – doch diese Erde ist die Hölle.“
“Unsere Erde erschien ihnen als Schöpfung des Teufels, das Leben als Kerkerstrafe, der leibliche Tod als Befreiung der reinen Seele.”
Theologisch ist der Katharismus insbesondere in der Tradition des Gnostizismus zu verorten. So gingen auch die Katharer zum Teil davon aus, Jesus habe keinen Körper ‘aus Fleisch und Blut’ besessen, sondern er sei eine geistige Erscheinung gewesen (vgl. Doketismus). Eine direkte Verbindung lässt sich allerdings nicht nachweisen, obwohl theologische Parallelen augenscheinlich sind.
Die Katharer sahen sich selbst als veri christiani (‘wahre Christen’) und bezeichneten sich selbst meist als die boni homines (‘die guten Leute’); mit zunehmender Verkirchlichung traten sie in eine lebensgefährliche Konkurrenz zu den ‘Römischen’:

Jesus Christus war die zentrale Person ihres Glaubens – wenngleich sie Jesus als einen Gott sehr nahe stehenden Heilsbringer sahen, nicht aber als Gott in Person.
Der radikale Dualismus ihrer Vorläufer bildet auch ein zentrales Element der katharischen Theologie: Gott wird nicht ein als allem übergeordnetes, gutes Prinzip betrachtet, sondern Gott und Teufel stehen sich als Kontrahenten gegenüber. Die materielle Welt wird als böse angesehen, das Gute ist lediglich bei Gott im Himmel zu finden. Das Leben des Katharers war deshalb darauf ausgelegt, das Gute im Menschen (die Seele) aus der bösen Welt in den Himmel zu bringen, d.h. er lebte ‘jenseits-orientiert’.

Auf der Webseite ‘Hieronymus Bosch – Suche nach den Hintergründen’ wird das dualistische Weltbild etwa so skizziert:
Der Gute Gott war der wahre, lebendige und wirklich allmächtige Gott, von dem Gerechtigkeit und Wahrheit ausgingen. Er verkörperte unendliche, bedingungslose Liebe – und nur wer Liebe lebte, konnte Gott nahe sein und mit ihm eins werden. Sein ewiges Reich, die Himmel, blieb für den Menschen während ihrer Zeit im ‘Tal der Tränen’ unsichtbar. Doch war Jesus, dessen Werke und Lehre, nicht aber seine Gottessohnschaft die Katharer anerkannten, auf die Erde gekommen, um den Menschen den Weg zu weisen.

Für die Katharer schien undenkbar, dass Gutes und Böses von ein und demselben Schöpfer stammte: der Gott des Bösen war Satan, der Herrscher über die irdische, diesseitige Welt der Schmerzen, der Krankheit und des Todes. Ist Satan aber ein von Gott unabhängiges Schöpfungsprinzip, so musste es zwei gegensätzliche Schöpfungen mit zwei gegensätzlichen Schöpfern geben.
Satan ist ebenso wie die von ihm erschaffene Welt unvollkommen, er steht geistig-moralisch nicht auf der gleichen Stufe wie der Gute Gott: Die Verkörperung des Guten vermag auch ohne die Welt des Bösen zu existieren, nicht aber umgekehrt. Anders als die frühen Christen und die katholische Lehre sehen die Katharer eine unüberwindbare Feindschaft zwischen Satan und Gott. Denn Satan imitiert fortwährend die gute Schöpfung und versucht sie ins Böse zu verkehren: nachdem Gott die geistige Welt erschaffen hat, erschafft Satan das materielle Gegenstück und versucht, beide Welten zu vermischen und so die geistige Welt zu verderben.

Diese Dualität zeigt sich auch im Menschen: sein Körper ist von Satan erschaffen, der für alle menschlichen Leiden verantwortlich ist. Sexualität außer zur Zeugung neuen Lebens wurde im Katharismus ebenso abgelehnt wie körperliche Strafen. Der menschliche Körper ist gleichsam ein Gefängnis der “Seele eines Engels”, sie ist eingeschlossen und der Mensch erlebt sich als von Gott getrennt. Gott aber ist vollkommen.
Dieser dualistische Ansatz bot Katharern und ihren Vorläufern eine elegante Lösung für eine der Kernfragen jeder Religion, auf welche das etablierte Christentum nur unzureichend antworten konnte: Wenn Gott allmächtig und liebend war, warum sollte er dann eine Welt voller Leid erschaffen haben und fortwährend weiteres Leid zulassen?

Nur wenn es dem Menschen gelingt, vollkommen (‘perfekt’ bzw rein) zu werden und alles Irdische abzustreifen, bis er nur noch aus dem reinen Geist der Liebe besteht, dann kann er in das Reich Gottes eingehen. Die Seele konnte im menschlichen Leib ebenso gefangen sein wie im Körper von Tieren, weshalb es ihnen verboten war, Tiere zu töten.
Aus dem Kern ihrer Lehre, der Unvereinbarkeit von Materie (Fleisch) und Seele, erwächst ihr oberstes Ziel: die Befreiung der Seele über die Erlangung des Consolamentum (‘Geisttaufe’, ein besonderer Initiationsritus). Deggau umschreibt das Consolamentum als wichtigsten Ritus und zugleich als “Kristallisation, in der sich die Glaubensvorstellungen der Katharer kondensierten.”

Diese Ritualhandlung sollte gerade in Zeiten schwerster Verfolgung die Angst der Gläubigen reduzieren, indem es ihnen größtmögliche Heilsgewissheit im Jenseits sicherte. Im Diesseits bewirkte diese besondere Form der ‘Geist- und Feuertaufe in Christus’ eine fundamentale Änderung im Leben des Empfangenden.
Alle übrigen Sakramente wurden als überflüssig abgelehnt – im Mittelpunkt stand allein die Erlösung von der schlechten materiellen Welt und die Hinwendung zum Geistlichen. Die Eucharistie wurde als irdische und somit unreine Symbolhandlung verworfen; genauso weigerten Katharer sich, das Kreuz mit dem Bildnis des Gekreuzigten anzubeten. Sie verneinten im Gegensatz zur katholischen und orthodoxen Kirche das A.T., in welchem sie den Schöpfergott einer bösen Welt (den jüdischen Gott Jahwe) beschrieben sahen.

Diesem Bild des ‘Demiurgen’ begegnen wir schon bei Gruppierungen der ‘alten’ Gnosis, die in der nachapostolischen Zeit breiten Zulauf erhielt. Auch nach katharischer Überzeugung konnte diese materielle, ungerechte Welt voller Schlechtigkeit nur von einem unvollkommenen Gott geschaffen worden sein. Allein dem N.T. maßen große Bedeutung bei – insbesondere dem Evangelium des Johannes, welches den größten Wert auf persönliche, individuelle Erkenntnis durch Wissen (=Gnosis) legt.
Der Himmel liegt nicht in weiter Ferne. Wenn du nicht ein Stück von ihm in dir trägst, wirst du ihn im ganzen Universum nicht finden.
Die ordinierten Parfaits nahmen keinen Kirchenzehnten und auch kein Geld für ihren Dienst an Gläubigen wie Eheschließungen und die Erwachsenentaufe an; sie lebten von einfacher handwerklicher oder ländlicher Arbeit.
So hatten die Katharer weder Prunkbauten noch goldene Ritualgegenstände zu bieten – für sie war allein der innere Glaube von Bedeutung. Eine Glaubensentscheidung in Freiheit zogen sie demütigem Gehorsam vor. Langatmige Rituale dienten ihrer Auffassung allein dazu, ‘einfache’ Menschen nicht Gott nahe zu bringen, sondern sie auf die klerikalen Autoritäten zu fixieren.

Frauen waren bei ihnen nahezu gleichberechtigt (auch wenn sie nicht das Bischofsamt ausüben konnten) – zu einer Zeit, in der Frauen normalerweise als männliches Eigentum behandelt wurden. So übten die Katharer eine starke Anziehungskraft auf jene Menschen aus, die ihre klar umrissene, bildhafte Botschaft für glaubhafter erachteten als das Vorbild der primär auf den irdischen Papst ausgerichteten Amtskirche.

Die Katharer verkündeten nach eigener Auffassung statt dessen die einzig wahre, unverfälschte und liebevolle Heilslehre Jesu. 
Kate Mosse:
“…sie brauchten nur Bücher und Gebete, das gesprochene und vorgelesene Wort. Erlösung hatte nichts mit Almosen oder mit Sabbatgebeten zu tun, gesprochen in einer Sprache, die nur die Priester verstanden.
In ihren Augen standen alle gleichermaßen in der Gnade des Heiligen Vaters – Juden oder Sarazenen, Mann und Frau, die Tiere auf der Erde und die Vögel in der Luft. Es würde keine Hölle geben, keinen Tag des Jüngsten Gerichts, weil alle durch Gottes Gnade errettet werden würden, wenngleich auch manche dazu bestimmt waren, das Leben viele Male zu durchleben, ehe sie Gottes Königreich erlangten.”

Thesen, die bis heute nachdenklich stimmen

Den radikale Dualismus der Katharer sowie die kategorische Ablehnung der materiellen Schöpfung, sogar der eigenen Körperlichkeit vermag ich selbst kaum nachzuvollziehen.
Andere Glaubenselemente dagegen erscheinen mir bedenkenswert, wenn nicht erstrebenswert:

  • Katharische Prediger und Missionare zitierten stets nur bestimmte Fragmente der Bibel welche nach ihrer Intuition und Logik in ihrer ursprünglichen Bedeutung vorlagen.Die Bibel als Gesamtwerk lehnten sie ab, insbesondere das Alte Testament. Das AT stand für sie in offensichtlichem Widerspruch zu ihrem Guten Gott, der reines Licht und Liebe war.Gerade in Bezug auf die Bibel als insgesamt unfehlbares ‘Wort Gottes’ ist der u.a. von den Katharern vertretene Ansatz aus meiner Sicht richtungsweisend.
  • ’Prüfet Alles, das Gute behaltet’ – eine zeitlos gültige Empfehlung, zu differenzieren und Überliefertes nicht unreflektiert als eigene Überzeugung zu übernehmen.
    1 Thess 5,21 kann insoweit auch auf den Kanon der Bibel angewendet werden. Dessen Bücher mögen in Teilen durchaus von Gott inspiriert sein. Doch ist beispielsweise die Idealisierung der Landnahme durch die Israeliten im Pentateuch in seiner grausamen und menschenverachtenden Darstellung unvereinbar mit dem (ur)christlichen Bild eines Gottes, der alle Menschen in gleicher Weise liebt.
  • Pierre Authié, der um 1299 nochmals an die tausend Anhänger in 125 Ortschaften gewann und erneut parfaits weihte, äußerte sich in einer Predigt über den ‘Unsinn der Wassertaufe’ (wörtlich „Mummenschanz“) an unmündigen Kindern, sogar Säuglingen. Dabei gaben und geben die Eltern “im Namen eines ohnmächtigen Kindes” an seiner statt Antwort auf priesterliche Fragen.
    Die Taufe als Sakrament ist nicht besser oder schlechter als andere religiöse Rituale – viele Menschen versprechen sich davon emotionale Sicherheit und bedürfen dieser Form spiritueller Unterstützung. Heute erscheint es (nicht nur im agnostischen Umfeld) mehr fragwürdig, Säuglinge und kleine Kinder zugunsten einer Glaubensrichtung zu vereinnahmen und so ‘Fakten zu schaffen’. Was sagt es über das so oft geforderte ‘Gottvertrauen’ aus, wenn man der Gottheit mittelbar unterstellt, sie schütze Kinder vor dem ‘Bösen’ nur unter der Voraussetzung einer verfrühten Ritualhandlung?
  • Die Katharer lehrten eine Form der Allversöhnung, welche besagt, dass letztlich alle Seelen zurück zu Gott finden. Damit spenden sie Menschen aller Schichten weitaus mehr glaubhafte Zuversicht als die damalige römisch-katholische Geistlichkeit mit ihren Drohgebärden über eine mögliche, ewig währende Verdammnis.
Siehe auch:
Se Canto (Video)


B. Erneuerungsbewegungen im Mittelalter – weshalb waren sie so erfolgreich?

“Der Schmerz über das Versagen der Kirche brachte das Mönchtum hervor; auf das Versagen des Mönchtums folgten die Katharer.”
Die Wurzeln inner- und außerkirchlicher Erneuerungsbewegungen scheinen im Kontext zu eines gesellschaftlichen Phänomens zu stehen, das eine große Anzahl von Laien im ausgehenden 12. Jahrhundert erfasste:
Die Haltung der katholischen Kirche stimmte mit der Sehnsucht so vieler Menschen nach einer ursprünglichen, reinen Lehre Jesu schon lange nicht mehr überein: Der Klerus hatte sich immer weiter von den  spirituellen Bedürfnissen der Laien entfernt. Aufgrund der immer offensichtlicheren Gegensätze zwischen Lehre und sichtbarem Handeln der auf Macht- und Prachtentfaltung bedachten katholischen Kirche, aber auch angesichts überkommener kirchlicher Strukturen, versuchte eine zunehmende Zahl an Christen in Europa, sich selbst aktiv religiös zu betätigen.
In freiwilliger Armut folgten sie dem Vorbild der Apostel Jesu und verkündeten eigene Auslegungen der Evangelien. (Vita apostolica). Aus diesem großen Kreis von Laien gingen nicht nur die als ketzerisch gebrandmarkten Gemeinschaften der Waldenser, der Katharer und der Humiliaten hervor, sondern auch kirchennahe, anerkannte Orden wie die Franziskaner.
Was aber meint der Terminus ‘Versagen des Mönchtums’ aus dem eingangs zitierten Zweizeiler, den ich diesem Buchauszug v. Bernd Hercksen entnommen habe?
Kirchennahe Orden fanden zwar zu manchen frühchristlichen Idealen zurück, zumindest teilweise. Doch sie waren alles andere als unabhängig, weder theologisch noch in ihrer seelsorgerischen Praxisstanden. Im Gegensatz zu außerkirchlichen Bewegungen standen  sie zudem nicht außerhalb der Kirchenhierarchie, folglich mussten sie letztlich der päpstlichen Linie folgen.

Die überraschend schnelle Verbreitung der katharischen Glaubensansicht war insoweit der Ausdruck einer grundlegenden Wandlung der religiösen Gesinnung, die in dieser Zeit stattfand.
“Diese alternative christliche Bewegung nahm aus der Sicht der Kirche immer bedrohlichere Ausmaße an, gab es doch immer mehr Gegenden, wo die Zahl der „Alternativchristen“ schon größer war als die der Kirchenchristen.” B.Hercksen

Dabei darf man sich die Begleitumstände der persönlichen Umorientierung keineswegs so einfach vorstellen, wie dies heute (in Mitteleuropa) vonstatten geht, wo ein Kirchenaustritt in wenigen Minuten erledigt ist und im Grunde ohne Folgen bleibt. Sämtliche Lebensbereiche waren im Mittelalter einer religiösen Weltordnung untergeordnet. Wer aus der Gemeinschaft der Gläubigen ausgeschlossen wurde bzw. sich selbst durch schlüssiges Handeln von ihr distanzierte, den erwartete nach der damals geltenden Vorstellung eine ewige Verdammnis – niemals endende physische und seelische Qualen.
Indem es den Katharern gelang, diesem Höllenwahn ein glaubhaftes Bild der Vervollkommnung im Zuge mehrerer Seelenwanderungen entgegen zu setzen, ‘erlösten’ sie viele Christen schon im Diesseits (von ihren Ängsten). Da sie zudem Kongruenz an den Tag legten, d.h. weil ihre theologischen Aussagen sich mit dem Handeln der Parfaits absolut deckte, ist der gewaltige Zulauf, den sie in Europa hatten, nachvollziehbar.

Anlass zur Idealisierung…

...bietet keine einzelne, isoliert betrachtete Glaubensgemeinschaft – dies trifft auch auf den Katharismus zu. Betrachtet man die katharischen Ideale, hätte das Leben in dieser Kirche völlig anders aussehen müssen als in den römisch-katholischen Gemeinden. Obgleich einige dieser Ideale (insbesondere der kompromisslose Pazifismus) durchaus anziehend auf mich wirken, entdecke ich bei näherem Hinsehen auch manche Schattenseite:

  • Katharische Theologen schreckten wie ihre römisch-katholische Konkurrenz nicht davor zurück, das Neue Testament so zu übersetzen, dass der Text ihre Überzeugung zu bestätigen schien. 
    • Sogar der Text des Gebetes ‘Vaterunser’ wurde abgeändert: Während die Katholischen beteten ‘Unser tägliches Brot gib uns heute’, lautete diese Gebetszeile bei den Katharern: ‘Unser tägliches überstöffliches Brot gib uns heute’ (womit das Gesetz Christi oder die Liebe gemeint waren).
  • Ihrem Ideal nach wollten die Katharer keine universelle (=”katholische”) Kirche von mittelmäßigen Gläubigen sein, sondern kleine Gruppen begeisterter Heiliger bilden. Eben in diesem hohen, stellenweise weltfremden Anspruch liegt eine Schwäche: das gesellschaftliche Leben wird bekämpft, anstatt es zu verändern und nach einer tragfähigen Lebensweise zu suchen. 
  • Indem sie sie die Zeugung kommender Geschlechter (Verbot der Heirat bzw. des Vollzugs der Ehe) und die Mitarbeit an der Umwelt aufkündigten, zerstörten die katharischen Ideale potenziell die Zukunft aller Menschen – auch derer, die im Zuge ihrer Seelenwanderungen noch nicht bereit waren für die einstige Rückkehr zum Licht Gottes.(Dass es nur wenigen von ihnen überhaupt gelang, diesem Ideal konsequent zu folgen, steht auf einem anderen Blatt.)
    Es war den einfachen Gläubigen ohne besondere Weihe (Credentes) nicht einmal gestattet, ein direktes Gebet an Gott zu richten oder eine persönliche Anrede Gottes (z.B. ‘Vater’) zu gebrauchen.
Verglichen mit dem bigotten Gebaren einer rücksichtslosen Machterhalt abzielenden Großkirche erscheinen die Katharer auf den ersten Blick tatsächlich als die ‘wahren’ Gläubigen (Im Hinblick auf eine untadelige, den erklärten Glaubensgrundsätzen entsprechende Lebensführung dürfte dieser Gesamteindruck zutreffend sein – was sogar katholische Zeitgenossen wie Dominikus widerwillig bestätigten).
Zur einseitigen Idealisierung des Katharismus und seiner Gläubigen besteht dennoch kaum Anlass: Verkirchlichung und Bürokratismus wurden auch für sie zu einem ernsten Problem.
Außerdem waren keineswegs alle katholischen Würdenträger verdorben, wie dies von ihren häretischen Gegnern dargestellt wurde - wie so oft stank auch dieser Fisch vor allem vom Kopf her.
Hier sei ab dem 13. Jahrhundert auf die Bettelorden wie z.B die Franziskaner verwiesen. Ihren Statuten zufolge dürfen sie kein Eigentum besitzen, sind nach dem Vorbild der Jünger Jesu der Armut besonders verpflichtet (in diesem Punkt stehen sie den Katharern durchaus nahe) und bestreiten ihren Lebensunterhalt durch Arbeit, Betteln und Schenkungen an ihre Gemeinschaft.-

Music of the Troubadours: Lanquan li jorn


C. Albigenser-Kreuzzug und Inquisition – Landnahme und Vernichtung

Worin bestand formal das Vergehen der Katharer?

Die Zeit des Mittelalters kannte zwar längst nicht so viele Einzelgesetze wie wir heute, doch die Vorstellung von einem Chaos aus Willkür und Selbstjustiz ist falsch.
Es bedurfte eines Rechtsverstoßes, worunter zur damaligen Zeit gegen säkulares oder kirchliches Recht gerichtetes Verhalten verstanden wurde. Eine im Stillen gelebte Irrlehre wäre eventuell geduldet worden oder nur vereinzelt sanktioniert worden
Doch die Katharer lehrten öffentlich, die röm.-katholische Kirche und ihr Amtspriestertum seien überflüssig. Das Paradies und spirituelle Erfüllung könne auch und gerade ohne deren Vermittlung gefunden werden – ein krasser Bruch mit den bisher als unantastbar geltenden Lehrtradition ‘Extra ecclesiam nulla salus.
Eine solche Argumentation, die mit Kritik an der Simonie, dem Ablasshandel und weiteren ‘katholischen Auswüchsen’ nicht sparte, traf ins Herz der freiheitlich gesinnten und eigenständigen Okzitanen, wo der Katharismus am meisten verbreitet war.
Eine solche "entsetzliche und antichristliche Häresie" bildete zugleich die Grundlage für Anklage und Verurteilung von Katharern, nachdem der Katharismus auf dem Dritten Laterankonzil (1179) und 1185 auf dem Konzil von Verona offiziell zur häretischen Lehre erklärt worden war.

Hirnlose Vernichtungstaktik?

Einseitige Darstellungen, Papst und Kirche hätten von Anfang an nur die Vernichtung der ‘katharischen Häresie’ im Sinn gehabt, werden der historischen Abfolge nicht gerecht: Als Häretiker hingerichtete Personen entrichteten keinen Zehnten mehr - ebenso wenig ab wie Abtrünnige, die bereits erheblichen wirtschaftlichen Schaden verursacht hatten.
Deggau stellt Mutmaßungen darüber an, ob die vielbeschworene Bedrohung der katholischen Kirche (“schlimmer als die Sarazenen”) nur eine ‘willkommene Fiktion war, oder auf einer Fehleinschätzung im fernen Rom beruhte:
“In Rom wurden die Prinzipien gepflegt, während das normale Nebeneinander beider Religionsgemeinschaften vor Ort und im Alltag unproblematisch war.”
Daher wurde zunächst der Versuch einer konsequenten Reintegration entlaufener Schäflein unternommen, manchmal mit Erfolg. Die Metapher von ‘Zuckerbrot und Peitsche’ beschreibt das kirchliche Vorgehen vor den Kreuzzügen nach Südfrankreich wohl treffend.
Katholische Geistliche setzten intensiv mit der Theologie des Katharismus auseinander, ignorierten dabei jedoch das Problem der apostolischen Lebensführung ...man wusste zu genau um die Defizite in den eigenen Reihen.

Religiöse Impulse der wurden sogar in ‘eigenen Angeboten’ übernommen – etwa in den Bettelorden der Franziskaner, Dominikaner und anderen. Eine innere Konsolidierung der Amtskirche trat ein.

Der Abt von Cîteaux und spätere päpstliche Legat Arnaud Amalric nahm sich den hohen Klerus im Süden Frankreichs vor und enthob sogar die Bischöfe von Narbonne und Beziers ihrer Ämter, nachdem er Klagen über deren Pflichtvergessenheit und Amtsmissbrauch als begründet erkannte.

Öffentliche Debatten fanden statt, u.a. in Servian, Verfeil und Montréal – sich wiederholende Inszenierung gegenseitiger Vorwürfe.

Das Ende der okzitanischen Autonomie

Doch alle verbalen Instrumente bis hin zur Exkommunikation erwiesen sich als wirkungslos – es gelang nicht, die Katharer und den sie unterstützenden Adel zu einem Kurswechsel zu bewegen. Im März 1208 rief Papst Innozenz III. zu einem Kreuzzug gegen die christliche Gemeinschaft der Katharer im Languedoc auf – mit dem Ziel, die Katharer aus dem Midi zu vertreiben und so die Glaubensautorität der katholischen Kirche wiederherzustellen. Unterstützt wurde er von nordfranzösischen Baronen; sie schlossen sich dem Kreuzzug an - wenngleich kaum aus religöser Überzeugung: Für sie galt es, Ländereien und Reichtum durch Unterwerfung der bis dahin weitgehend unabhängigen Grafschaften des Südens zu erlangen.
Erst diese Überlagerung von relgiösen und geopolitischen Interessen machten den Albigenser-Kreuzzug letztlich zu einem Eroberungskrieg, welcher die Auslöschung von Kultur und Traditionen Okzitaniens und seiner Ideale zur Folge hatte.
"Barone und Damen und kleine Kinder, Männer und Frauen, alle nackt und tot, In Stücke zerhauen mit blutigen Schwertern. Herausgerissne Lebern und Herzen liegen umher, wie zum Vergnügen verteilt.
Rot glänzt der Boden, als sei blutiger Regen gefallen, Die Stadt versinkt in Feuer und Asche."(Unbekannter zeitgenössischer Troubadour über das Massaker von Marmande, das im Jahr 1219 Kreuzritter Ludwigs VIII. v. Frankreich an 5.000 Bewohnern verübten)
Bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts war die Grafschaft Toulouse zu einem Zentrum der katharischen Bewegung geworden, die auch durch die Grafen materielle Unterstützung erhielt. Nun wurde sie von Simon IV. de Montfort bekämpft, der zwar katholische Ideale hochhielt, sich aber vor allem in Toulouse ein eigenes Lehen sichern wollte: Seine Herrschaft über Toulouse wurde 1215 durch päpstliche Belehnung bestätigt, aber nie von dem rechtmäßigen Grafen akzeptiert.
In den wechselvollen Jahren bis 1224 gelang es den legitimen Grafen von Toulouse zwar die Kreuzfahrer zu vertreiben, doch war ihr Land durch den andauernden Kriegszustand wirtschaftlich und militärisch stark geschwächt.

Einem weiteren Kreuzzug, angeführt durch den französischen König Ludwig VIII. hatten Land und Leute nichts mehr entgegenzusetzen. Schließlich blieb Raimund VII., der rechtmäßige Graf von Toulouse, im Jahr 1229 keine Wahl, als sich König Ludwig IX. zu unterwerfen. Mit dem Vertrag von Meaux trat er an den König von Frankreich die Hälfte der Grafschaft Toulouse ab und beendete damit die Autonomie Okzitaniens gegenüber dem Königreich Frankreich.
Auch der der Rest ging später durch die erzwungene Eheschließung zwischen Johanna von Toulouse, der Erbtochter Raimunds, mit Alfons von Poitiers (einem der Brüder des Königs) an die Familie des Königs – und schließlich, mit dem kinderlosen Tod der beiden 1271, unmittelbar an die Krone. Die Markgrafschaft Provence blieb tatsächlich in Alfons’ Besitz bis zu dessen Tod, und auch danach zögerte der König noch bis 1274, bis er das Gebiet entsprechend den Bestimmungen des Vertrags der Kirche übergab.

Ferner wurde eine Reihe okzitanischer Barone zugunsten königstreuer Vasallen enteignet. Diese Chevaliers faydits standen später auf der Seite der Katharer gegen den König und die Inquisition, die zwei Jahre nach dem Vertrag das Licht der Welt erblickte.
  • Das beispielhafte Leben des Faydits und späteren Kreuzfahrers Oliver de Termes wird von von Gabrielle C. J. Couillez in ihrem zweiteiligen Roman ‘Die Frucht des Ölbaums‘ geschildert. Couillez bleibt eng an den historischen Ereignissen und vermittelt zugleich die bewegende Verlorenheit eines Adeligen, dem sich von Jugend an schrittweise eine schmerzhafte Erkenntnis aufzwingt: Seine gesamte Welt wird vor seinen Augen zur Vergangenheit – und für ihn selbst ist kein Platz in der ‘neuen Welt’.
     

Verordneter Bürgerkrieg

Christlichen Kreuzrittern bereitete dieser Krieg großes Unbehagen: erstmals wurden Christen durch Christen bekämpft. Die Opfer waren keine Sarazenen, deren ‘Andersartigkeit’ förmlich ins Auge stach – sondern Landsleute, zu denen oft freundschaftliche und verwandschaftliche Kontakte bestanden. Selbst für Ritter aus Deutschland musste der Sold verdoppelt und die Weinration erhöht werden.
Nutznießer dieses Elementes der päpstlich veranlassten Genozid-Kampagne waren die Kirche selbst und die französische Krone, der die Ländereien der zuvor viel zu eigenständigen Barone und Grafen Südfrankreich (vgl. die Geschichte der Grafschaften von Toulouse und Foix) nun in den Schoß fielen.
  • Ihr erstes Ziel der war Béziers, das am 22. Juli 1209 eingenommen wurde. Die Stadt wurde in Brand gesteckt nahezu die gesamte Bevölkerung, etwa 20.000 Einwohner und eine unbekannte Anzahl von Flüchtlingen – Alte, Frauen und Kinder – in einem Massaker ermordet, viele von ihnen starben, nachdem sie in die dortige Kirche geflohen waren. In Béziers starben sowohl Katharer wie Katholiken: Der päpstliche Legat Abt Arnaud Amaury soll auf die Frage, wie man denn Ketzer von den normalen Bewohnern unterscheiden sollten, geantwortet haben: “Tötet sie alle! Der Herr wird die Seinen schon erkennen.” (Heute wird dieser Ausspruch von Historikern bezweifelt, der allein in einem Werk des deutschen Zisterziensermönchs Cäsarius von Heisterbach erscheint, aber nirgends sonst in der mittelalterlichen Literatur nachzuweisen ist.)
Vertreibung der Katharer aus Carcassonne
(mittelalterliche Miniatur)

Das nächste Ziel war Carcassonne, eine mit Flüchtlingen überfüllte Stadt. Seuchen wie Ruhr und Cholera breiteten sich rasch aus und verliefen zur damaligen Zeit oft tödlich. Der Zugang zu frischem Trinkwasser war blockiert worden. Nach zweiwöchiger Belagerung bot die Stadt im August 1209 ihre Kapitulation an, fast alle Einwohner entkamen durch unterirdische Gänge in die umliegenden Wälder geflohen. Doch auch hier wurden 400 ‘Ketzer’ verbrannt oder gehängt.
Es bedurfte eines Bürgerkrieges von bald 30 Jahren, um ganz Südfrankreich in den grausamen Griff der katholischen Kirche und der Adeligen Nordfrankreichs zu zwingen.


Inquisition als letztes Mittel der ‘Reinigung’


Zwar hatte der Kreuzzug hatte die „politischen Rahmenbedingungen für die Etablierung einer effizienteren Ketzerverfolgung geschaffen” (Schwerhoff, s.u.). Doch mit den Mitteln des Krieges, so grausam sie auch waren, ließ sich ein Glaube nicht dauerhaft auslöschen. Um eine ‘Endlösung der Katharer-Frage’ zu bewerkstelligen, wurde im Jahr 1231 die Inquisition als Kirchenbehörde unter der Leitung der Dominikaner gegründet.
Die domini canes (‘Hunde des Herrn’) gingen äußerst gewissenhaft vor: sie installierten ein systematisches Inquisitionsverfahren flächendeckend in ganz Okzitanien. Exkommuniziert und verbrannt wurden Lebende und auch längst Verstorbene, wann immer der Anschein des ‘Ketzertums’ oder der Duldung von Ketzern vorlag.

Sehr gezielt wurde ein Klima der Angst erzeugt: Nahm ein geistliches Sondergericht seine Arbeit in einer Stadt oder Gemeinde Südfrankreichs auf, wurde zunächst eine meist 30-tägige ‘Gnadenzeit’ verkündet. Predigten, welche Drohungen und Versprechungen geschickt kombinierten, mahnten die Anwohner zur freiwilligem Umkehr und Selbstbekenntnis.
Glaube und Rituale der Katharer wurde dabei aufs äußerste verzerrt – bis hin zu Behauptung katholischer Geistlicher beispielsweise über katharische Versammlungen, auf denen im Dunkeln kollektiver Geschlechtsverkehr praktiziert und Okkultismus ausgeübt werde.

Durch eine geheime Beichte konnte ein vollständiger Freispruch erreicht werden – allerdings nur, wenn der ‘Bekehrte’ andere Ketzer oder Ketzerfreunde denunzierte. Von dieser Möglichkeit machten viele der verängstigten und mit der Situation überforderten Einwohner Gebrauch.

Heute mag man diese Verhaltensweise vorschnell als Verrat zu verurteilen. Um ein qualifiziertes moralisches Urteil treffen zu können, wäre die Teilnahme an einer Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen als naher Beobachter anzuraten (wozu  unbeteiligte Anwohner damals gezwungen wurden, wann immer die Gelegenheit sich bot):

Nur wer die Schreie und Qualen der lebendig Verbrannten selbst erlebt hatte und diesen Anblick und den ekelhaften Gestank verbrannten Fleisches ertragen musste, konnte sich ein Bild von der Gewissensnot derer machen, die sich selbst und geliebte Angehörige allein durch Denunziation vor solchen Qualen würden schützen können.
Als moralische Hintertür wurde geschickt die Rechtfertigung platziert, die der Ketzerei beschuldigten Männer und Frauen hätten schließlich eine Wahl:

Sie konnten ihrem bisherigen Glauben abschwören und in den Schoß der heiligen Mutter Kirche zurückkehren. In diesem Fall kam es nicht zur Hinrichtung, wohl aber zu langen Haftstrafen und vollständiger Enteignung. Bei der Beweisaufnahme, die an sich ein Novum für religiöse Delikte war, wurden Geständnisse durch Folter erpresst, Verstümmelungen waren an der Tagesordnung – betroffen von den organisierten Befragungen waren “Männer ab 14 und Weibsstücke ab 12”.


'Bekehrte Häretiker' mussten zwei gelbe Kreuze erkennbar auf ihrer Kleidung tragen und durften zeitlebens keine öffentlichen Ämter mehr bekleiden. Härter traf sie jedoch die Zerstörung des eigenen Hauses im Zuge der Konfiszierung des Vermögens und damit der Entzug jeglicher Erwerbsgrundlage.

Wer diesen ‘Ausweg’ eines freiwilligen Geständnisses verweigerte, bewies dadurch seine 'Bußunwilligkeit' und wurde nach einem kirchlichen Urteil der weltlichen Gerichtsbarkeit überstellt.
Als weitere Entscheidungshilfe für Denunzianten wurden finanzielle Anreize geschaffen: das konfiszierte Vermögen verurteilter Ketzer wurde zu je einem Drittel zwischen dem Denunzianten, dem zuständigen Bischof und der beteiligten weltlichen Behörde aufgeteilt.

Die theologische Einordnung und Rechtfertigung der Inquisition durch Konzilsbeschlüsse und päpstliche Bullen ist nicht leicht nachzuvollziehen, zumal eine katalogisierte Rechtsnorm zur Verurteilung von Ketzern erst nach und nach geschaffen werden musste:

Die Bulle „Ad abolendam“ (1184), eine Art ‘Grundgesetz der Ketzergesetzgebung’ enthielt u.a. das Verbot des Predigens ohne kirchliche Autorisierung. Die Bulle „Vergentis“ von 1199 stellte jede Unterstützung von Häretikern unter Strafe und die Bulle „Ad Eliminendem“ 1207 regelte die weltliche Unterstützung der Ketzerbekämpfung. Auf diese Grundlagen berief sich Papst Innozenz III. beim VI. Laterankonzil (1215) und brachte die Bestimmungen in eine geschlossene Form, um wirkungsvoller gegen Ketzer vorgehen zu können (Fichtel). Ergänzt wurde im Zuge des Kreuzzugs in Okzitanien die wichtige Bestimmung, dass ‘verketzerte’ Gebiete denjenigen zufällt, die sie erobern.
Siehe auch:

Montségur und das Ende der katharischen Bewegung

Der Montségur („Schutzberg“) ist ein 1216 m hoher Berg am Nordhang der östlichen Pyrenäen. Auf seinem Gipfel erhebt sich die Ruine der wohl bekanntesten Burg der Katharer.
Montsegur




Im Jahr 1232 ließ Raimund de Péreille die im Jahr 1204 erbaute Burg namens Pog zu einer Festung umbauen. Im gleichen Jahr wurde Montségur auf Beschluss des Katharer-Bischofs von Toulouse, Guilhabert de Castres, das Zentrum der katharischen Kirche. Hierhin flüchteten alle jene, die bei der Eroberung der übrigen Städte und Burgen durch das Kreuzfahrerheer entkommen konnten.


Pierre Roger de Mirepoix der Jüngere, Herr der Festung Montségur, tötete 1242 bei einem Vergeltungsangriff auf Avignonet mehrere Mitglieder und das Gefolge eines Inquisitionstribunals. Auch hierbei handelte es sich um ein Massaker an Wehrlosen - offenbar von katharischer Seite – es diente als letzter Vorwand für den Sturm auf eine der letzten Katharerburgen:
Der Montségur wurde ab 1243 von Soldaten des neuen, königstreuen Seneschalls von Carcassonne und ca. 6.000 Kreuzrittern des Erzbischofs von Narbonne belagert und musste im Frühjahr 1244 nach zehn Monaten wegen Nahrungsmangel, Krankheiten und militärischen Niederlagen in Kapitulationsverhandlungen eintreten. Die Bewohner der Burg wurden vor die Wahl gestellt, entweder ihrem Glauben abzuschwören oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden.
"Ein einsamer Adlerhorst…in einem Lande, wo
längst keine Vögel mehr singen."

Die Kinder des Gral – P.Berling
Am Morgen des 16. März 1244 wurde die Burg nach einem Waffenstillstand von zwei Wochen an die Belagerer übergeben. 225 ‘Bons Chrétiens’ (von denen 63 bis heute namentlich bekannt sind) unter ihrem Bischof Bertrand Marty wurden verbrannt, weil sie die geforderte Unterwerfung unter den katholischen Glauben verweigerten.

Unter ihnen waren lt. Überlieferung mehrere Angehörige der Söldnertruppe, welche die Festung verteidigt hatte. Sie seien so von dem katharischen Glauben eingenommen gewesen, dass sie um das Consolamentum baten und ebenfalls den Flammentod wählten (obgleich der Feind ihnen freien Abzug zugesichert hatten). Einige Katharer konnten auf die Burg Puilaurens flüchten, wurden dort aber ermordet. Andere flohen in die Lombardei, wo sich ihre Spur verliert. Noch im selben Jahrhundert wurde eine neue Burg Montségur errichtet, die nach ca. 300 Jahren verfiel.

Der Fall von Montségur war noch nicht das Ende: das Sterben sollte noch 80 Jahre weitergehen. Als letzter größerer Stützpunkt der Katharer wurde im Jahr 1255 die Burg Quéribus eingenommen. Der letzte Katharer-Bischof Guillaume Bélibaste wurde nach einem bewegten Leben 1321 in Villerouge-Termenèste öffentlich verbrannt.
Nicht wenige Katharer entgingen der Verfolgung und gelangten nach Bosnien; offenbar war die Verbindung zu den Bogomilen erhalten geblieben und der Katharismus wurde kurzzeitig sogar zur Staatsreligion Bosniens.
Gesichert ist, dass die Katharer und Bogomilen es vorzogen, zum Islam zu konvertieren, anstatt sich wieder dem römischen Katholizismus anzuschließen. Bisweilen werden die heutigen bosnischen Muslime als Nachfahren der Katharer bezeichnet.

Die Quellenlage hierzu ist unübersichtlich; ein kurzer Abriss ist auf wehrgeschichte-salzgurg.at zu finden (‘Bosnien und die Bogomilen‘). Dort heißt es in Bezug auf den Übertritt zum Islam:
“Die Eroberung durch die Osmanen bedeutete für Bosnien eine radikale geschichtliche Zäsur. [...]. Mit der neuen Herrschaft kam auch die neue Religion – der Islam. Die Bogomilen, von Orthodoxie und römischem Christentum gleicherweise als Häretiker verfolgt und ausgegrenzt, nahmen die Lehre Mohammeds offensichtlich ohne großen Widerstand an.
Ob sie geschlossen zum Islam übergetreten sind, oder ob es Anhänger der bosnischen Kirche noch jahrzehntelang in Dörfern gegeben hat [...], ist zweitrangig angesichts der Tatsache, daß das Bogomilentum in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts vollkommen verschwunden ist.
Was den christlichen Kirchen des Ostens und des Westens trotz jahrhundertelanger Verfolgung und staatlicher Repression nicht gelungen war, schaffte der Islam innerhalb kurzer Zeit und das, obwohl [...] dem Islam ‘gewaltsame Bekehrungsversuche wesensfremd waren.’ Dies läßt eine gewisse Bereitschaft und Freiwilligkeit der bisweilen fanatischen Anhänger dieser asketischen Lehre annehmen…”
War dies ein absehbares Ende des idealistischen Vorhabens, eine wahre Kirche Christi zu gründen? Wie Deggau darlegt, lagen weitreichende Reformen in der Luft, denn längst war eine vielfältige Opposition zur Amtskirche entstanden, der viele Menschen einen Abfall von frühchristlichen Prinzipien und eine doppelte Moral vorwarfen.
Auch die Päpste Innozenz III und sein Nachfolger Gregor VII erkannten durchaus die Reformnotwendigkeit in ihrer Kirche. Gregor sah es unter anderem als seine Aufgabe, die Simonie (Kauf von Kirchenämtern) und den Einfluss von Laien auf die Kirche zurück zu drängen. Doch jede Veränderung sollte ausschließlich von ‘der Spitze nach unten’ erfolgen, während jede oppositionelle Haltung innerhalb der christlichen Gläubigen rücksichtslos ausgemerzt wurde.


Speziell dafür war das System der Inquisition geschaffen worden, auch wenn es formal allein die ‘reine Lehre’ schützen und erhalten sollte. Insoweit waren religiöse Bewegungen bis ins 15. Jahrhundert auf verlorenem Posten, wenn sie zugleich pazifistische Ideale verfolgten. Auch die Katharer hatten sich verpflichtet, niemals eine Waffe zu gebrauchen und damit Unverständnis ausgelöst:
"Als Fremde sind wir in dieser Welt gewesen, doch voll guter Absicht."

D. Was geblieben ist – die Spuren der Katharer
Stellungnahmen der Kirche von heute?
Blickt man heute im Dialog mit Kirchenvertretern auf die gewaltsamen Glaubensauseinandersetzungen zurück, ist eine zweigeteilte Reaktion zu bemerken – Bedauern und nicht selten der Impuls, die Unterdrückung und Beseitigung Andersgläubiger doch irgendwie zu rechtfertigen. Zumindest bitten Vertreter der Kirche um Verständnis für die damals Verantwortlichen: 

  • Im Kontext der damaligen Umstände hätten diese keine andere Möglichkeit gesehen, als so zu handeln.
  • Mitunter wird auch argumentiert, die Päpste und ihre Beauftragten hätten es doch zunächst 'im Guten versucht'. 
  • Allein die Uneinsichtigkeit der Ketzer gegenüber mahnenden Worten der Umkehr habe den Klerus gezwungen, mit Hilfe der Staatsmacht zur Gewalt zu greifen (“So wird Gewalt herrschen, wo Sanftmut fruchtlos blieb”).
Demgegenüber sind die primären Beweggründe der Konfliktparteien recht offensichtlich: Es ging der Allianz aus kirchlichen Amtsträgern und weltlichen Eroberung eben nicht zuallererst um 'Umerziehung' und Rettung der Seelen, sondern um eigennützige Interessen. Wenigstens heute sollte man dies auch zugeben können.
Papst Johannes Paul II. leistete im März 2000 öffentlich Abbitte:
Lass jeden von uns zur Einsicht gelangen, dass auch Menschen der Kirche im Namen des Glaubens und der Moral in ihrem notwendigen Einsatz zum Schutz der Wahrheit mitunter auf Methoden zurück-gegriffen haben, die dem Evangelium nicht entsprechen.
Das ist sicher ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Und den priesterlichen Einsatz ‘zum Schutz der Wahrheit’ und zur Wahrung der Einheit des katholischen Glaubens betrachtet man im Vatikan und andernorts nun mal als notwendig – auch im Interesse einer klaren, eindeutigen Rechtleitung des Laienvolks. Hier darf nicht übersehen werden, dass die katholische Lehre die Kirche in ihrer Vermittlerrolle zwischen Gott und den begrenzt erkenntnisfähigen Laien für unabdingbar erachtet.

Aber: Aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, würde meines Erachtens ein striktes Bekenntnis zu Glaubensfreiheit und Gewaltverzicht implizieren. Das ist für mich eine Conditio sine qua non: Seelen dürfen weder mit Feuer und Schwert noch mit massiven Drohungen ‘gerettet’ werden (was zudem funktionieren kann: die spirituelle ‘Errettung’ setzt die Einsicht und den Willen des mutmaßlichen Abweichlers voraus).
Begeisterte Katholiken erweisen ihrer Kirche einen schlechten Dienst, wenn sie immer noch versuchen, gewaltsame Bekehrung sowie Bestrafung anhand einzelner Bibelzitate zu rechtfertigen:
  • “Du sollst die Zauberin nicht am Leben lassen.” [2 Mose 22,17] und ähnliche Gebote aus dem A.T. stehen in einem Gegensatz zu der von Jesus geforderten Feindesliebe und Barmherzigkeit gegenüber Sündern.

Wenn ‘Verschärfungskatholiken’ also bis heute mit dem mosaischen Gesetz argumentieren, um die im Namen Gottes begangenen Verbrechen der mittelalterlichen Kirche ins ‘rechte’ Licht zu rücken, sollten sie m.E. ernsthaft über ihren Bezug zum ‘christlichen’ Glauben nachdenken. Dieser stellt bekanntlich nicht den Papst und den Klerus in den Vordergrund.

Was ist von den Katharern geblieben?

"Daß alles Schöne muß vergehen,
Und auch das Herrlichste verwehen, 
Die Klage stets auf Erden klingt;

Doch Todtes noch lebendig wähnen,

Verwirrt das Weltgeschick und bringt

Das tiefste Leid, die herbsten Thränen."

(aus: Die Albigenser – Nicolaus Lenau)


Quellen berichten von der letzten Verhaftung eines Katharers im Jahre 1342 (in Florenz). Was konnten uns die Katharer ungeachtet ihrer gnadenlosen Beseitigung hinterlassen? Sollte von ihnen mehr geblieben sein als bruchstückhafte Erinnerungen – gepaart mit Sehnsucht und Verwirrungen der Seelen und Herzen?
Fraglos ruft Glaube der Katharer nicht nur Fragen hervor, sondern auch Zweifel und Skepsis. Und doch hier hatte sich sich ein großartiges Gedankengut entwickelt, als gläubige Christen den Ballast der materiell orientierten Staatskirche abstreiften und sich wieder auf den spirituelle Essenz ihrer Überzeugungen und Lehre besannen. 
Getrenntes wurde zusammen gefügt und wer weiß, ob daraus nicht eine wirkliche Heilslehre hervor gegangen wäre, wenn nicht...

So aber blieben über Jahrhunderte eine machtversessene, in der Vergangenheit lebende Institution, eine große Schar frustrierter, teils verfeindeter Glaubensanhänger sowie ein durch die Erinnerung zunehmend verklärtes Häuflein der ‘Märtyrer reiner christlichen Liebe’… Ansonsten finden sich unterschiedlichste Verflachungen und Durchmischungen spekulativer Mythen wie der sagenumwobenen Gralssuche.–
Persönlich komme ich wieder und wieder auf die Katharer und auf Okzitanien zurück: Wie viele Sachbücher ich schon gelesen haben mag? Und wie viele 'Katharer-Romane' ich wohl schon verschlungen habe (und zum Teil enttäuscht wurde von einer oberflächlich aufbereiteten Story, die einfach nur 'billig' anmutete)? Mich fasziniert das einerseits entschiedene Eintreten für die eigene Überzeugung, das andererseits einhergeht mit der Weigerung, selbige anderen Individuen aufzuzwingen.

Nachträge, Ergänzungen und Links

Und der Gral?
Das Wort Gral lässt sich wahrscheinlich herleiten aus dem okzitanischen grazal (Gefäß, Schüssel), das wohl aus dem lateinischen ‘gradalis’ entstand. Dahinter verbirgt sich ein bunter Strauß alter und moderner Mythen und Mysterien, die ein gemeinsames Motiv aufweisen – den “Glauben an einen rätselhaften, ‘heiligen’ Gegenstand, in dem kultische Mysterien und Geheimnisse symbolisiert seien und der sich dem profanen Zugriff der Ungläubigen entziehe…”
Nun, die Mythen um einen prunkvollen Kelch oder Schatz mit dieser Bezeichnung interessieren mich nicht sonderlich. Es gibt allerlei Versuche, eine Verbindung herzustellen zwischen dem Reichtum  des Templer-Ordens und den Katharern – so wird auch spekuliert, letztere hätten den von den Templern im Hl. Land beschafften Gral auf Montségur versteckt und kurz vor der Kapitulation verbuddelt oder auf geheimen Wegen in ein anderes Versteck verbracht.
Falls es sich bei dem Gral (so er denn wirklich existiert) um einen materiell wertvollen Gegenstand handelt, dann ist es eher abwegig, dass die alles Materielle kategorisch ablehnenden Katharer etwas damit zu tun hatten.
Denn im Gegensatz zu den meisten Katholischen ihrer Zeit hatten die Katharer eines verinnerlicht: ‘wie der Teufel die Seelen verführt’:

„Wenn ihr mir in meine Welt folgt, dann werde ich euch jedoch Besitz geben in Form von Feldern und Weingärten, Gold und Silber, Ehefrauen und anderen Gütern jener sichtbaren Welt“.
Mit derlei Versprechungen seien viele Geister schon aus dem Paradies gelockt worden.- Aus historischen Texten kann jedenfalls keine unmittelbare Beziehung zwischen Katharern und den Tempelrittern oder dem ‘Heiligen Gral’ erwiesen werden. Wilfried Augustin fasst einen Teil der Gralsmythen und –theorien in dem Artikel “Das Geheimnis von Rennes-le-Château” zusammen und liefert für Interessierte Ausgangspunkte für eigene Recherchen.
Hoffentlich wird er nie gefunden…

Neben einer bedauerlichen Tendenz zur Plünderung alter Grab- und Denkmäler auf der Suche nach einem sagenumwobenen Schatz existieren allerdings alternative Interpretationen. Dieser Darstellung zufolge umfasst der Gral mehrere Bedeutungsebenen:
Während er profan als ein Gefäß interpretiert werden kann, könne er im übertragenen Sinne auch für einen besonderen Stammbaum oder für bestimmte Abkömmlinge dieses Stammbaums stehen. In jedem Fall dürfte er jedoch das Potenzial besitzen, eine einzigartige Erfahrung zu vermitteln – etwa jene gnostische Erleuchtung, wie sie von den Katharern und anderen Gnostikern angestrebt wurde.
In diesem Zusammenhang wird anstelle von Klunkern einen Sammlung ‘geheimer Katharerschriften’ vermutet, welche vor den Kreuzfahrern und Inquisitoren verborgen worden sei.
Literatur zu Katharern/Katharismus:
Links
Bücher
  • Kleine Geschichte der Katharer – Hans-Georg Deggau
  • ‘Die Katharer: Was sie glaubten, wie sie lebten’ – Gerhard Rottenwöhrer
  • Die Katharer – Arno Borst
  • ‘Ketzergeschichte des Mittelalters’ – H. Grundman (Auszug online – Die Katharer, ab S. 22)
  • Die Geschichte der Katharer: Häresie, Kreuzzug und Inquisition im Languedoc’ – M.Roquebert
  • Domus und Religion in Montaillou – Mathias Benad
  • ‘Die Kontroverse um die Inquisitionsakten zu Montaillou im Spätmittelalter’ – Saskia Bommert
Dokumentationen zur Geschichte der Katharer
Vermutlich werden die Katharer seit Januar 2013 durch die Buchverfilmung ‘Das verlorene Labyrinth’ etwas mehr ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit rücken. Leider kommen theologische Aussagen und die spirituelle Ausrichtung der Katharer darin viel zu kurz.
  • Der Kreuzzug in Südfrankreich – Film v. P. Milger
  • Doku-Drama “Die Katharer” (ARTE, 2008)


ARTE zeichnet hier die Geschichte der Katharer nach und stützt sich in dieser Dokumentation auf die Forschungsergebnisse von Michel Roquebert und Anne Brenon.
Siehe auch:

***
"Quan serey morto, reboun me 
Al pus founs de la cava, 
Metme los pes a la pared, 
Lo cap jous la canelo.
Tots los romieus qua passaran 
Prendran aigo senhado…"



"Versprich mir, wenn ich gestorben bin
Mich in die Tiefste der Grotten zu tragen
Lege mich, die Füße gegen die Felsen
Den Kopf unter einen Stalaktiten
Alle Pilger die passieren,
sollen vom reinigenden Wasser nehmen..."


“Padre nostre” cancion de los cataros.

2 Kommentare:

  1. Hallo,
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