Sonntag, 11. Oktober 2015

Religion muss endlich Privatsache werden!

Am Individuum führt sowieso kein Weg vorbei.

Was der Einzelne glaubt, ist ausschließlich sein persönliches Problem, denn jeder kann nur jeder für sich selbst herausfinden, was er mit der Vernunft in Einklang bringen kann und was nicht. Erziehung bzw. Indoktrination üben einen starken prägenden Einfluss aus, der aber im Laufe des Erwachsenwerdens gegenüber eigenen Überzeugungen verblasst - oder durch diese Bestätigung erfährt.
      
Dass viele Deutsche dem Zustrom von Migranten aus dem Nahen Osten mit Skepsis und Sorge verfolgen, hat viel mit 'politischer Religion' zu tun. Wie der Bundesinnenminister in einer Bürgerdialog-Runde feststellte, erzeugt der Islam hierzulande weit mehr Vorbehalte als andere Glaubensrichtungen und Weltanschauungen.
Dabei ließe sich das Zusammenleben von Menschenweitaus komplikationsärmer gestalten - theoretisch zumindest:
Leben und Leben lassen. 
Jedem das Seine.
So trivial diese beiden Grundsätze auch klingen mögen, so bedeutsam ist doch ihre Verwirklichung.
Persönlich hänge ich weder atheistischen noch agnostischen Vorstellungen an. Im Gegenteil, ein Leben ohne jeden spirituellen Bezug erscheint mir armselig, als ob das Salz in der Suppe fehlte.
Aber: Es erscheint mir absolut unzulässig, andere Personen von meiner weltanschaulichen Vorstellung überzeugen geschweige ihnen selbige aufzwingen zu wollen.
Tatsache ist: Eine wachsende Anzahl Menschen wendet sich angewidert von jeglicher Art Spiritualität  ab, da sie Religionen als die Hauptursachen für Hass und nie endenden Krieg auszumachen glauben.



Theorie und Realität

Hierzulande sieht das Grundgesetz die Trennung von Kirche/Religion und Staat vor, d.h. Kirchenzugehörigkeit und der persönliche Glaube jedes Einzelnen sollen im rein privaten Bereich gelagert sein, als individuelle Gewissensentscheidung.
Tatsächlich ist diese an sich erstrebenswerte Zielsetzung keineswegs umfassend verwirklicht. In Deutschland besteht schon durch die sog. gesetzlich geregelte Kirchensteuer, insbesondere aber durch die staatliche Subventionierung sozialer Einrichtungen mit kirchlichem Träger, eine vielfältige Verzahnung von Staat und Kirche. Welcher andere Verein hat Gelegenheit, sich zur Einnahmenverwaltung staatlicher Ressourcen zu bedienen?

Freilich hat das Staats- und Gesellschaftswesen vieler westlicher Staaten in dieser Hinsicht einen Vorsprung vor jenen islamischen Ländern, welche die Scharia in ihrer Verfassung verankert haben und an 'islamischen Menschenrechten' festhalten. Für mich ein Widerspruch in sich - Grundrechte implizieren einen universalen Anspruch, welcher naturgemäß nicht durch eine Weltanschauung (egal welche!) verfärbt werden darf.
"Im islamischen Bereich sind Glaube und Religion dagegen grundsätzlich öffentliche, gemeinschaftliche Angelegenheiten mit gesellschaftlicher Tragweite."(1)
Wo religiöse und staatliche Ordnung einander bedingen, wird Apostasie auch als Hochverrat gegenüber dem Staat angesehen. Dies war sowohl in der Geschichte des Christentums als auch der Hebräer sehr lange ein zentraler 'Erfolgsfaktor', auch wenn dies heute mitunter verdrängt wird.

Heute wird 'bei uns' die individuelle Gewissensentscheidung nicht staatlich sanktioniert - ein Verdienst der Aufklärung, nicht eines inneren Sinneswandels der Kirchen. Die Haltung 'Ordnung muss sein' ist hierzulande dennoch weit verbreitet: Eine wachsende Angst vor einer "Islamisierung" gesellschaftlicher und soziale Strukturen erwächst doch aus der Furcht, hier könnten die bisherige Ordnung und der gesellschaftliche Konsens zusammenbrechen, falls 'der Islam ans Ruder kommt'.
Wir gestehen zwar dem einzelnen Menschen die Entscheidungsfreiheit in religiösen Fragen zu - aber 'bitte nicht so viele Frauen mit Schleier und bärtige Männer im Kaftan'...
Die Ansicht, nach der Religion und Glaube ausschließlich Privatsache sein (und ausschließlich der privaten/persönlichen Handhabung unterliegen) sollte, ist hierzulande wenig verbreitet und noch weniger verwirklicht.

Dabei kann (und darf) jedes Individuum nur für sich selbst herausfinden, welche Glaubensvorstellung es mit seinen Einsichten  und 'seiner' Vernunft in Einklang bringen kann. Wer an Gott/Götter glaubt oder an eine übernatürliche, nicht personale Kraft, macht das nur mit sich aus und dem, an den/das er glaubt.
Was im inneren Menschen vorgeht, ist letztlich frei von Einblicken und Einflüssen der Außenwelt.

Religiöser Unfriede kann nur dort entstehen, wo Glaube/Religion nicht als Privatangelegenheit angesehen wird, d.h. wo Menschen einander Vorschriften machen oder die jeweils 'Ungläubigen' zwangsbekehren bzw. aus dem Weg räumen wollen. Andererseits kann auch Religionsfreiheit nicht im sozialen Vakuum entstehen bzw. geschützt werden:
"Die Religion als unverfügbare Freiheit zu betrachten heißt kurioserweise, sich auf den weltanschaulich neutralen Staat fest zu verlassen. Wer den nicht als Schutz hat, ist nicht mit Sicherheit frei – sondern lebensgefährlich frei."(2)
Erst durch ein solches Staatswesen könne Glaube zur Privatsache werden, jedenfalls solange man als Glaubender das staatliche Gewaltmonopol achtet und mit dem Gesetz auch sonst nicht in Konflikt kommt, schreibt Elisabeth von Thadden.
Für sie ist es zulässig, seinen Glauben in die Öffentlichkeit zu tragen, ihn zu feiern, ihn 'mit guten Gründen politisch' werden zu lassen.

Diese Zulässigkeit bestreite ich. Wie kann Glaube denn Privatsache werden/bleiben, solange er von seinen Befürwortern zum Maßstab staatlichen Handelns gemacht wird? Politik kann zwar naturgemäß nicht wertneutral sein, doch sie sollte den Glauben da lassen, wo er hingehört: im privaten Bereich und im Kreise gleichgesinnter Menschen.



Religiöser Unfrieden ist keine Privatangelegenheit.

Wo Religion zur öffentlichen oder gar zur politischen Gestaltungsoption erhoben wurde und wird, befeuert sie Diskriminierung Andersdenkender, Gewalt und sogar Kriege.
Geistig gesunde Menschen wollen nichts weniger als diese Auswüchse, aber muss man dafür in Glaubensfragen den Mund halten? 

Friedvolle Koexistenz setzt gegenseitigen Respekt voraus - sowie das Unterbleiben offensiver (belästigender) Missionstätigkeit, die im öffentlichen Raum nichts, aber auch gar nichts zu suchen hat. Dies gilt meiner Ansicht nach sowohl für lebende Wachturm-Plakatständer als auch für das aufdringliche, manchmal unerträgliche Dawa-Geschrei von Islamisten.
Dergleichen sollte nicht verboten, sondern sehr konsequent auf geeignete Veranstaltungsorte (am besten schallgeschützte Räume) begrenzt werden. Gleichbehandlung und Friedenspflicht für alle 
Glaubensrichtungen, Paradigmen und Sekten - einschließlich religionsfeindlicher Atheisten und Darwinisten - steht dabei im Vordergrund. Wer Interesse hat, kann Jehovas Zeugen, Darwinisten, Evangelikale oder Salafisten dort aufsuchen und ungestört (sowie niemanden störend) mit ihnen 'die anderen' als Ungläubige verdammen. Aber so, dass jene 'Ungläubigen' von deren Getue und Gebrülle verschont bleiben.
Dem Gleichheitsgrundsatz folgend, würde eine solche Friedenspflicht für alle  finden. Glockengeläut und Minarette fallen auch darunter, wenngleich ich mir lokale Regelungen durchaus vorstellen kann.

Gegen einschlägige Veröffentlichungen in Medien und im Internet ist nichts einzuwenden, denn dort sind der Freiwilligkeit des Zugangs keinerlei Grenzen gesetzt...anders, als z.B. mitten in der Fußgängerzone, wo man sich der optischen und verbalen Präsenz von Eiferern nicht immer entziehen kann.

Patrik Schwarz(2) argumentiert dagegen, Religion sei immer auch eine öffentliche Angelegenheit. Dies trifft gegenwärtig noch zu, leider. Denn aus dieser unheilvollen Verquickung ergeben sich immer wieder Konfliktpunkte - die leicht vermieden werden könnten, ohne den Einzelnen in seiner (persönlichen) Glaubensausübung nennenswert zu beschränken.
Schwarz beschreibt das Bild einer einsame Nonne: "[sie] sitzt da, in stiller Anbetung, vor einer goldgeschmückten Monstranz, darin die Hostie. Es ging ungeheurer Friede aus von diesem Bild, aber auch eine Provokation: Vergeudet da nicht eine Frau ihr Leben?"

Auch hier gilt: Es obliegt doch wohl allein ihr, dies mit sich selbst auszumachen. Niemand sonst hat sich daran zu stören. Was ist an stiller Anbetung in einer Kirche provokativ - außer für jenen Typ Mensch, der andere nicht ihr eigenes Leben leben lassen kann/will?
Ob man im Bild dieser Nonne nun ein "inneres Leuchten" oder "eine ungute Mischung aus Herzenshärte und mühsam verkniffener Leibeslust" auszumachen glaubt, wen hat's zu interessieren? Die sogenannte Wahrheit liegt, 
wie fast immer, im Auge des Betrachters.
"Und dann die Hostie: Wie kann man im Ernst ein Stück Brot anbeten?"
Privatsache. Und wieder gilt: Glauben und glauben lassen. Mit der TV-Übertragung von Gottesdiensten, Predigten oder Päpsten im rollenden Panzerglas-Käfig habe ich nicht das geringste Problem: längst verfügen wir über eine so große Programmvielfalt, dass wirklich niemand 'gezwungen' ist, dem hermelinbekleideten Ratzinger oder einer Franziskus-Show seine Aufmerksamkeit zu schenken.
"Es weht mich daher auch nicht länger folkloristisch an, dass Katholiken gelegentlich ihre Monstranz zur Demonstranz machen und an hohen Feiertagen die Hostie in einer Art 'ChristPrideParade' durch die Straßen tragen. Sie zeigen sich und der Welt ihr Heiligstes, und das ist gut so."
Was genau soll daran gut sein? Mich jedenfalls 'weht das an' (schon weil ich als Kind genötigt war, in zig Prozessionen mitzuschlurfen ...bei jedem Wetter ). Es gibt hinreichend Kirchentage und sonstige Veranstaltungen, wo Kirchen an geeigneten Plätzen ihre Imagepflege betreiben können - vor einem interessierten und freiwilligen Publikum. Eine Prozession erfordert es jedoch oft, sonstige Verkehrsteilnehmer anzuhalten oder umzuleiten - das geht in meinen Augen über die Freiheit des einzelnen hinaus. Zugegeben, in manchem bayrischen Dorf mögen die Verhältnisse anders liegen ...weil eh' jeder mitschlurft.
Indessen kann eine Unterweisung in Glaubensfragen zweckmäßig sein - sofern sie dem erkennbaren, geäußerten Wunsch des Unterwiesenen entgegen kommt. Mit 'Überredung' zum Glauben, schlimmstenfalls durch eine Trickkiste vordergründig plausibler Argumente, ist dagegen niemandem gedient.
Schwarz erklärt, er wende sich gegen "Besserwisser, die in dicken Büchern schreiben, warum Glauben schlecht sei für den seelischen und politischen Frieden – also dumm macht oder tot".
Darin stimme ich zu. Persönlicher Glaube macht niemals "dumm oder tot" (jedenfalls keine unbeteiligten, 'unschuldigen' Personen). Die Gefahr kollektiver Verdummung entsteht erst, sobald die Institutionalisierung des Glaubens einsetzt, wodurch sich Religion mit Dominanz und Machtstreben vermischen kann und zu einem Vehikel für fragwürdige Interessen wird.

Wenn dann wieder über Glaube gestritten wird (ein Unding!), ist er nicht länger Privatsache.

Sicher, den Kirchen und religiösen Organisationen kann die 'Privatisierung' des Glaubens nicht gefallen - schließlich leben sie davon, ein Individuum bereits im Säuglingsalter zu vereinnahmen und ihm den Stempel der Zughörigkeit aufzudrücken. Was hat das eigentlich mit Religionsfreiheit zu tun?
Über das Ziel, durch 'Traditionen' Einnahmen zu generieren, sprechen sie freilich nicht - sondern von ihrem Auftrag"das Evangelium, Gottes frohe Botschaft, in Wort und Tat zu verkündigen und die Gemeinschaft untereinander an Christus auszurichten". Der Kirche müsse es deshalb darum gehen, "die Bedingungen zu befördern, unter denen die "Erkenntnis der Wahrheit", der Glaube wachsen kann."
Das kann sie meinetwegen versuchen, aber bitte fair, d.h. nur an jenen, die selbständig denken können. Nicht an Babies und Kids im Grundschulalter.
Allerdings sehe ich auch die Schwierigkeiten, welche sich aus einem gesetzlichen Verbot solcher Praktiken ergäben: Zu tief sind Kindertaufe, Beschneidung usw. in Traditionen sämtlicher mosaischer Religionen verwurzelt. Eine Abkehr davon kann m.E. nur durch Aufklärung und Einsicht bewirkt werden ...ein langer Weg.


Quellenangaben/Literaturhinweise

  1. "Der Abfall vom Islam – Schariabestimmungen und Praxis", Prof. Christine Schirrmacher (→ PDF)
  2. "Ist Religion Privatsache?" - Pro-/Contra-Erörterung auf ZEIT.de

Freitag, 25. September 2015

Höhlenforschung: Autarkes Biotop in der Movile-Höhle

In der Höhle Pestera Movile in Rumänien, die lange von der Außenwelt isoliert war, hat sich eine "Gemeinschaft urtümlicher Wesen" (SPON, 1996) entwickelt: Fingerdicke Biofilme aus Bakterien, Riesenegel und fleischfressende Insekten, die sich auf ihr düsteres Biotop spezialisiert haben.
Die Höhle von Movile am Südufer des Mangaliasees (Schwarzmeerküste) wurde 1986 von Cristian Lascu entdeckt. Sie bildete sich vor ca. 5 Millionen Jahren und ist seit mindestens 500.000 Jahren von der Oberfläche abgeschnitten. Die Höhlenatmosphäre enthält viel Schwefel und kaum Sauerstoff. Die Höhlenwände der Karsthöhle bestehen aus Lehm, welcher von einer 25 Meter dicken Kalkstein-Schicht  umschlossen ist. Der einzige Zugang zur Höhle ist eine schwefelhaltige Wasserader aus 400 Meter Tiefe.

"Hunderte Tausendfüßler mit einer fast durchsichtigen Haut"

Im Innern der Höhle besteht ein außergewöhnliches Ökosystem, das etwa "60 urzeitliche Tierarten" aufweist, die sich im Laufe der Zeit stark spezialisierten und beispielsweise Augen oder Farbpigmente in der Haut völlig zurückgebildet haben. 35 vorgefundene Arten waren noch unbekannt.
Die Überlebensfähigkeit dieses Systems wird durch Schwefelbakterien gewährleistet, die auf dem Wasser einen gallertartigen Überzug bilden. Auf dieser Masse bilden sich Pilze, welche anderen Lebewesen in der Höhle als Nahrung dienen.
Ähnliche Systeme sind seit den 1970er Jahren aus der Tiefsee bekannt - jedoch lassen sie sich in der Movile-Höhle aufgrund ihrer Zugänglichkeit wesentlich leichter untersuchen.

Das Besondere und Interessante an dieser Höhle ist also das Vorhandensein eines Biotops mit autarken Lebensformen. Dieser Mikrokosmos der Movile-Höhle basiert vermutlich auf Chemosynthese und könnte von daher Rückschlüsse über Lebensformen auf anderen Planeten ermöglichen.
Wie der abschließende Forschungsbericht darlegt, stellt das Höhlensystem aufgrund seiner Abgeschlossenheit ein "ideales Untersuchungs- und Demonstrationsobjekt zur Quantifizierung von Stoff- und Energieflüssen für extreaterrestrische Systeme wie der ISS oder Bodenstationen auf dem Mond oder dem Mars dar".
"Die Primärproduktion basiert vorwiegend auf der bakteriellen Oxidation geogenen Sulfids, jedochleisten wahrscheinlich auch die Methanoxidation sowie die Nitrifikation einen signifikanten Beitrag zur Energiebilanz."(1)

Dokumentation zur Movile-Höhle (Phoenix)

Der Film bietet einen Überblick extremophiler Lebensformen in erschiedenen Biotopen. Leider wurde die ursprüngliche Dokumentation auf YT entfernt


Siehe auch:

  1. Untersuchung der Mikroflora in Movile Cave bei Mangalia, Rumänien (Abschlusbericht
  2. Im weiteren Sinne relevant / von Interesse:
    "Astrobiologie für Einsteiger" (von Kevin W. Plaxco Michael Groß)


Donnerstag, 27. August 2015

Objektive Gottesbeweise sind ausgeschlossen - wozu dann streiten und morden?

Gedanken über die Unsinnigkeit von Glaubens-Konflikten

Gottesbeweise sind Versuche, mit Hilfe der Vernunft die Existenz (eines) Gottes zu beweisen".Vorweg: die fundierten Überlegungen zu Philosophen und Theologen über die (Un-) Möglichkeit eines objektiven Gottesbeweises sowie etwaige Paradoxa (z.B. "Kann ein allmächtiger Gott einen Stein erschaffen, der so schwer ist, dass er ihn selbst nicht anheben kann ...obwohl er doch allmächtig ist?" Ja nee, is' klar;) werde ich nicht lang und breit nachplappern. (Diesbezüglich bietet Wikipedia einen wirklich hilfreichen Überblick.)

Worum es mir geht: Gestern stieß ich wieder einmal auf eine Aussage, die mir einiges Unbehagen bereitet:

Letztlich ist Jesus der lebendig gewordene Beweis für die Existenz Gottes.“
Aha, welcher Jesus bitte? Mit dieser Frage zweifele ich keineswegs an, dass Jesus tatsächlich gelebt hat und aller Wahrscheinlichkeit durch Kreuzigung hingerichtet wurde. Beides betrachte ich als erwiesen.
Ist mit "lebendiger Beweis" der historische Jesus gemeint? Oder jener Jesus, dessen Leben, Worte und Taten von elitären Kreisen u.a. in Rom fast nach Belieben umgeschrieben und 'ergänzt' wurde?
Diesen mythologischen Jesus samt aller später hinzugekommenen magie-ähnlicher Rituale vermag ich persönlich nicht als Beweis für Gottes Existenz zu sehen ...eher schon als Beleg für Feuerbachs These, wonach manche Menschen sich ihren eigenen Gott erschaffen – vornehmlich zu Projektionszwecken: Was die Naturwissenschaft nach wie vor nicht präzise zu erklären weiß (z.B. wie genau das Leben vor ca. 3,4 Milliarden Jahren auf der Erde entstand), wird einer Projektionsfläche namens Gottheit XY zugeordnet.
Da viele von sich uns nicht an die Vorstellung gewöhnen können, mit dem Tod sei alles vorbei (auch ich kann und will mir dieses unendliche Nichts nicht ausmalen), wird der jeweiligen Gottheit auch die Zuständigkeit für das Weiterleben des Geistes nach dem Tod übertragen: (mal mit dem alten Körper, mal mit einem neuen 'feinstofflichen' Body und mal ganz ohne, als reine Energieform). Aber bitte nach dem vorteilhaften Prinzip „Die Guten (=Angehörige desselben Glaubens) ins Töpfchen, den Rest ins Kröpfchen (=ab in die Hölle zwecks endloser Quälerei)“. 
Ungeachtet dieser zynischen Selektionsvorgabe an die Gottheit schaffen die Kleriker es allen Ernstes, eben dieser Gottheit zugleich Attribute wie unendlich liebend, barmherzig, gerecht usw. zuzuordnen.
Auch sich selbst sehen etliche dieser Kleriker im Lichte dieser positiv besetzten Eigenschaften, schließlich bezeichnet sich deren amtierender Chef als Stellvertreter Gottes auf Erden. Was für eine Anmaßung! Und zudem für eine international agierende, auf monetäre Gewinne und Machtausübung abzielende Wirtschaftsorganisation durch nichts in der Bibel herleitbar. Ebenso können große Gesten und noch größere Worte nicht überzeugen, solange die Handlungen der Person bzw. der von ihr repräsentierten Organisation grundsätzlich unvereinbar sind.
Folglich taugen Aussagen sowie das Verhalten von Klerikern jedweder Couleur ebenso wenig als Beweis hinsichtlich der Existenz Gottes, wie sich das Reden und Gebaren von Atheisten und Agnostikern als intersubjektives Indiz für die Nichtexistenz Gottes eignen muss.

Aber zurück zur Frage nach der Möglichkeit von Gottesbeweise. Wir Menschen werden nach meiner Überzeugung auf lange Sicht nicht imstande sein, einen unwiderlegbaren Beweis Gottes (wobei „Gott“ hier für das monotheistische Gottesbild steht, nicht für irgendwelche Halb- oder Astronautengötter) zu erbringen. 

Warum? Weil wir uns bei keinem beobachteten Phänomen – selbst wenn es der uns bekannten bzw. von der Naturwissenschaft beschriebenen und berechneten Realität diametral zu widersprechen scheint – sicher sein können, ob es auf dem Wirken Gottes beruht oder ob es uns nur an nötigem Wissen mangelt, um das betreffende Phänomen zu verstehen.

Anders sähe die Sache aus, falls Gott sich entschlösse, uns seinerseits einen Beweis seiner Existenz zu geben. Ein solcher Beweis wäre unwiderlegbar, im Gegensatz zu den missverständlichen, teilweise widersprüchlichen Aussagen offensichtlich menschlicher Autoren in Bibel und Koran. Er hätte zudem einen unausweichlichen Charakter, d.h. er würde sämtliche Streitigkeiten zwischen Atheisten und Religionen zum Verstummen bringen. Über die Beschaffenheit einer solchen Beweisführung zu spekulieren, ist unsinnig: falls ein allmächtiger, mit der materiellen Realität interagierender Gott existiert, wird er zweifelsfrei dazu in der Lage sein.

Doch ist er dazu willens? Es scheint, als habe Gott – zumindest bisher – eben nicht die Absicht besessen, uns seine Existenz in dieser Weise vor Augen zu führen.
Über seine Motive, uns im Unklaren zu lassen, wurde zu allen Zeiten spekuliert und gestritten. Vielleicht soll unser Verstand, unser Wunsch zu forschen und zu begreifen, wach gehalten werden...eventuell sollen wir (als Spezies) einen Reifegrad entwickeln, bei dessen Erreichen wir 'von selbst drauf kommen', was das Wesen einer uns derzeit noch übernatürlich erscheinenden Intelligenz ist?
Keine Ahnung, denn ich habe die erforderliche geistige und seelische Reife sicher noch nicht gewonnen.

(Dass ich persönlich an die Existenz einer höheren, für uns derzeit nicht zu verstehenden und deshalb als 'übernatürlich' eingestufte Intelligenz glaube, der ich überwiegend rational-neutrale bis positive Eigenschaften zuordne...nun, das ist in diesem Zusammenhang irrelevant. Mir ist nur allzu bewusst: auch ich könnte in die von Feuerbach beschriebene Projektionsfalle getappt sein.)


Warum ist mir die Frage nach Gottes' Beweisbarkeit so überaus wichtig?


Nun ja, falls die Menschheit endlich begreifen und einsehen wollte, dass sich ein solcher Beweis eben nicht herbeizwingen lässt, würde dies dies weitreichende positive Konsequenzen nach sich ziehen: Jeder könnte sich irren, ob Atheist oder Islamist, ob moderater Christ, Muslim oder Raelianer!

Diese Einsicht muss nichts an der persönlichen (Un-) Glaubensauffassung des Einzelnen ändern; doch sie zeigt die Unsinnigkeit jeglicher Bemühung auf, anderen die eigene Ansicht aufzuzwingen.

  • Mit welcher sachlichen/moralischen Berechtigung könnte ich Andersdenkende von meinem Glauben (oder Unglauben) überzeugen, für dessen Richtigkeit ich keinerlei objektivierbare Fakten anzuführen vermag?
  • Umgekehrt wird auch ein Schuh draus: Wozu sollte ich, sollten wir uns von irgendwelchen Radikalen bedrängen lassen, die ihrerseits gleichfalls keine unwiderlegbaren Fakten vorzuweisen haben?
Fazit: Zu kapieren, dass unsere subjektive Ansicht zu Gott, Glauben und Religionen de facto nicht objektiv bewiesen werden kann, erlegt uns allen eine gewisse Demut auf: einerseits läuft die schwer erträgliche Arroganz atheistischer, allwissender Naturalisten ins Leere; andererseits machen Glaubensstreitigkeiten und erst recht Religionskriege machen absolut keinen Sinn mehr! 

Jeglicher Bestrebung, wonach alle demselben Glauben/Pseudo-Realismus/Unglauben anhängen, wird durch das Faktum des Nichtwissenkönnens jeder Nährboden entzogen.


Natürlich sehe ich die Realität der Gegenwart: Tiefgläubigen Personen und deren Organisationen reicht ihre jeweilige 'Heilige Schrift' als „Beweis“ - sowohl der Existenz Gottes als auch für die Richtigkeit ausschließlich ihrer Glaubensvorstellung – völlig aus. Der Kopf bleibt im Sand und "die Ungläubigen" werden weiterhin diffamiert, ausgegrenzt oder gar gefoltert und ermordet.



Kann man etwas tun?

Das ist keineswegs einfach ...wie jeder einsehen dürfte, der schon mal mit einem Fanatiker diskutiert hat: oft gut ausgebildet, versuchen sie zunächst mit 'Sachargumenten' zu überzeugen - gelingt dies nicht, endet der Dialog mitunter in wüstem Geschrei und Androhungen von Strafe und Verdammnis.

Religöse Menschen mit großem 'Sendungsbewusstsein' argumentieren gerne vergleichend: Die Liebe zwischen zwei Menschen könne man ebenso wenig sehen, berechnen, empirisch beweisen ...wie Gott, dennoch sei sie unbestreitbar in ihrer Existenz. Das ist zwar richtig, doch gerade die Liebe ist überaus vielfältig - in ihrer Ausprägung wie auch in ihrem 'Zielobjekt'. 


Schließlich ist nicht jeder von uns in Jean Watts verliebt oder? 
Nicht wenige Männer (und Frauen) werden mir zustimmen, die junge Frau auf dem Foto ist optisch überaus anziehend. Doch sie werden diese Frau nicht lieben, vielleicht nicht einmal das geringste Interesse an ihrer Person haben.
Folglich wäre es unsinnig (und zudem kontraproduktiv), wollte der Lebensgefährte von Mrs Watts nun alle Welt überzeugen, seine Liebe zu ihr zu teilen.

Wohlgemerkt, ich vergleiche nicht Gott bzw. den Glauben an Gott mit der Liebe zu einer Frau. Sondern ich versuche, den trivialen Charakter einer solchen vergleichenden, vermeintlich zwingenden Argumentation aufzuzeigen.


Dass Liebe existiert, ist ein Indiz für einen einzigen Umstand: die (zumindest zeitweilige) Existenz der Liebe. Davon auf die Existenz einer 'übernatürlichen' Wesenheit (oder deren Nichtexistenz ...weil man eventuell noch nie richtig verliebt war?) schließen zu wollen, ist ...nun ja, nicht besonders intelligent.


Wir haben zunächst also die Möglichkeit, uns deutlich abzugrenzen: 'Du hast deine Weltanschauung, ich habe meine. Belassen wir es dabei.'

Bei Bedarf lässt sich noch anfügen: 'Du magst für deine Errettung (vor der Hölle?) verantwortlich sein, aber definitiv nicht für meine. Oder hast du vor, mich gewissermaßen zu entmündigen?

Im Kontext weiter reichender Auseinandersetzungen zwischen Gruppen und Organisationen, ist der Einfluss von Einzelpersonen naturgemäß geringer. Doch ein von mehreren Seiten heraufbeschworener Religionskrieg oder Kulturkampf würde jeden einzelnen von uns in Mitleidenschaft ziehen.

Die weltweite Zunahme von Terroranschlägen, aber auch von militärischen Übergriffen durch Staaten bzw. Regierungen, betrachte ich als mögliches Vorzeichen einer Art "Endkampf", der in so manchem kranken Hirn radikaler Islamisten und christlicher Zionisten längst herumspukt. Leider wächst deren Einfluss auf beiden/allen Seiten...der IS ist da nur ein Beispiel. 

Folglich sind wir gut beraten, in unserem eigenen Umfeld und auch in sozialen Netzwerken eine eindeutige Position zu vertreten:

Wir tolerieren Euch und Eure Ansichten - in dem Maße, wie ihr uns und unsere Anschauung toleriert. Aber wir wenden uns entschieden gegen jede Ausübung von Zwang und mehr oder minder subtilem Druck zugunsten Eurer Auffassung.
Denn: jeder von 'uns' und 'euch' könnte einem gewaltigen Irrtum unterliegen.
Gehen wir noch einen Schritt weiter: Wenn Konflikte über weltanschauliche Fragen unsinnig und nutzlos sind, so trifft dies unzweifelhaft auch auf unterschiedliche Lebenskonzepte zu, welche (zumindest teilweise) aus der jeweiligen Glaubens-/Weltanschauung erwachsen.
Kein Islamist und kein Katholik hat einem Schwulen das Schwulsein zu verbieten! Und kein ach so aufgeklärter Agnostiker hat eine Muslima zu diffamieren, weil sie ein Kopftuch trägt (außer sie ist Beamtin in Deutschland und trägt das Teil während ihrer Dienstzeit, zB als Lehrerin).

Selbst unter dieser Voraussetzung bleiben noch offene Fragen, welche einer Klärung bedürfen. Eine davon ist beispielsweise: Darf es weiterhin gestattet werden, Säuglinge und Kinder vor Eintritt ihrer Religionsmündigkeit zu beschneiden?

Doch für so schwierig zu lösende Fragestellungen lässt sich ein Konsens allenfalls dann finden, wenn die Kontrahenten nicht länge die gesamte Identität der Gegenseite infrage stellen oder dies für sich selbst befürchten müssen.

Es ist, glaube ich, klar geworden worauf ich hinaus möchte: 



  • Wir (die Spezies Mensch als Gesamtheit) müssen dringend an unserer Friedensfähigkeit arbeiten, falls wir das 22. Jahrhundert noch erleben wollen.
  • Hierzu ist es notwendig, unlösbare Konflikte über Religion/Glauben/Lebenskonzepte einzufrieren. 
  • Diese Konflikte beizulegen wird nicht ohne weiteres gelingen, da die gegensätzlichen Auffassung fortbestehen. Deshalb ist eine 'zeitweilige' Übereinkunft lebensnotwendig: Die Menschheit hat sich vorrangigen, vitalen Herausforderungen zu stellen - darin Erfolg zu haben erfordert den Verzicht auf die ohnehin unter dem o.a. Irrtumsvorbehalt stehenden Glaubensstreitigkeiten.

Sonntag, 14. Juni 2015

"Wann kommt Jesus wieder?" - Christliche Endzeit-Theologien im Wandel der Zeiten

Als ich mich mit der apokalyptischen Gedankenwelt des Christlichen Zionismus beschäftigte, fiel es mir nicht leicht, einen halbwegs überschaubaren Überblick zu dieser Thematik zu vermitteln. Querverweise und ‘lose Enden’ blieben übrig; doch ihre Erörterung hätte den Rahmen eines Blogartikels vollends gesprengt.

 Freilich erachte ich die Kenntnis verbreiteter Endzeit-Theologien für wichtig, wenn man auch nur ansatzweise die US-Außenpolitik seit dem Ende des Kalten Krieges verstehen will. Deren Motive beschränken sich keineswegs auf die Sicherung von Bodenressourcen wie Öl, Erdgas sowie der zugehörige Infrastruktur und Transportwege – vielmehr verfolgen viele nordamerikanische Politiker zugleich ‘höhere Ziele’. Insbesondere die Regierungszeit von George W. Bush jun., seit 1986 als Wiedergeborener Christ (→Erweckungsbewegung), verstörende Parallelen zu einem Glaubenskrieg auf.
Als Leitfaden diente mir hierzu eine Abhandlung von Horst Koch, → “Endzeitlehren im Wandel der Zeit“.
Der Terminus “Endzeit” in christlich-fundamentalistischen Lehraussagen meint nicht den unmittelbar bevorstehenden ‘Weltuntergang’, sondern bezieht sich auf eine Zeitperiode, in welcher der Messias kommen und als ‘König der Könige’ die Erde regieren soll.


“Wann kommt Jesus wieder?”

Christliche Eschatologie (=’Lehre von den letzten Dingen’) befasst sich mit der Hoffnung auf Vollendung des Einzelnen (individuelle E.) und der gesamten Schöpfung (universale E.). Daraus ergeben sich für (alle) Christen konkrete Fragestellungen:
“Wann kommt Jesus wieder? Wann beginnt das Millennium (das tausendjährige Reich)? Wann beginnt das Gottesreich? Wann werden wir entrückt? Wann schafft Gott einen neuen Himmel und eine neue Erde?”
Koch nennt vier Endzeit-Systeme (A-D), die sich im Lauf der Geschichte
herausgebildet haben. Sie unterscheiden sich vor allem darin, wie sie das Millennium, das Wiederkommen Jesu und den Neuanfang ordnen.


System A: Historischer Prämillennialismus

Bei dieser Sichtweise innerhalb der frühchristlichen Kirche wurde die Wiederkunft Jesu vor dem 1000-jährigen Reich erwartet. Die Ereignisfolge: Menschwerdung Jesu  Wiederkunft Jesu  Millennium  neue Erde.
 
Die prämillenaristische Sicht des Tausendjährigen Reiches
Für die Zeitspanne von der Himmelfahrt Jesu bis zu seiner Wiederkehr war der Missionsbefehl bindend. Die christliche Kirche formierte sich und das Evangelium wurde
tatkräftig in die Welt getragen – angesichts der Erwartung, Christus werde sehr bald wiederkommen (manche Jünger erwarteten ihn noch zu ihren Lebzeiten) und sein Reich auch politisch in dieser Welt aufrichten.

System B: Amillennialismus

Hier geht man davon aus, dass es kein 1000-jähriges Reich geben wird. Man versteht das Millennium symbolisch und wendet es auf die Ära der Gemeinde an.
Die Geschehnisse werden so geordnet:
Menschwerdung Jesu 
 Ära der Gemeinde → Wiederkunft Jesu → neue Erde.



Die amillenaristische Sicht des Tausendjährigen Reiches

Da es sich um die Herrschaft Gottes durch seine Vertreter auf Erden handelt und der Satan in dieser Zeit gebunden ist, müsste diese Herrschaft auch großes Wohlergehen unter den Menschen zur Folge haben. Diese Darstellung bietet viel Raum für die verantwortungsvolle Gestaltung unserer Zeit – anstelle “wilder Endzeitspekulationen”. Der Amillennialismus gewann seit Augustinus (4.Jh.) an Bedeutung löste den Prämillennialismus  als gängige Sichtweise ab.

System C: Postmillennialismus

Hier wird erwartet, dass Jesus nach dem 1000-jährigen Reich wiederkehrt:
Menschwerdung Jesu 
 Millennium  Wiederkunft Jesu - neue Erde.
In diesem Sinne geht der Postmillennialismus von der weltweiten Verbreitung des
Evangeliums und „Errichtung“ des Reiches Gottes in der jetzigen Phase aus, was zu einer weitgehend christianisierten und friedlichen Welt des Wohlstandes führen werde. Die dann folgende Wiederkunft Jesu markiert den Beginn des neuen Zeitalters.



Postmillenaristische Sicht des Tausendjährigen Reiches
Die postmillenaristische Sicht des Tausendjährigen Reiches

Mit unseren fast 2000 Jahren Kirchengeschichte ist die Zeitspanne eines Millenniums bereits überschritten und es müsste bei dieser Sichtweise davon ausgegangen werden, dass irgendwann in der Zukunft noch ein zweckbestimmtes Jahrtausend beginnen und Jesus an dessen Ende wiederkommen wird.
Der Postmillennialismus hält im Unterschied zu (B) am Zeitraum von exakt 1000 Jahren fest.
“Während (A) den Missionseifer als zentralen Antrieb hervorruft, spornen (B) und (C) darüber hinaus zu einem bewussten Engagement in unserer Welt für unsere Welt an.” (Koch)

System D: Dispensationalistischer Prämillennialismus, kurz Dispensationalismus

Nach der Reformation tauchte der Prämillennialismus (A) wieder auf diente als Nährboden für den Dispensationalismus.
Ereignisfolge: Menschwerdung Jesu 
 Wiederkunft Jesu - Millennium  neue Erde.

Ein Grundgedanke des Dispensationalismus ist, dass Gott in den verschiedenen Phasen (‘Heilszeiten’) seiner Geschichte mit der Menschheit auf unterschiedliche Weise waltet.
C.I. Scofield (1843-1921) meinte, dass sich diese Phasen in der Heiligen Schrift aus der Veränderung in Gottes Umgang mit der Menschheit unwiderlegbar ergeben. Diese 7 Zeitalter
[analog zu den sieben Schöpfungstagen im 1.Buch Mose (?)] werden als die verschiedenen Bünde Gottes mit den Menschen beschrieben:

  1. Unschuld: das Zeitalter des Bundes Gottes mit Adam bis zum Sündenfall,
  2. Gewissen: der Bund Gottes mit nach der Vertreibung bis zur Sintflut
  3. Verwaltung unter Verantwortung des Menschen”: der Bund Noahs bis zum Turmbau zu Babel
  4. Verheißung: der Bund mit Abraham und dem Volk Israel bis zur Versklavung in Ägypten,
  5. Unter dem Gesetz Mose: der Bund mit Moses bis zum Tod Jesu,
  6. Zeitalter der Gnade durch die erlösende Tat Christi bis zu seiner Wiederkehr,
  7. Millennium: das Errichten des Tausendjährigen Friedensreiches in Jerusalem.
Die futuristische Auslegung der Offenbarung des Johannes geht davon aus, dass die meisten in diesem Buch beschriebenen Ereignisse sich erst noch ereignen werden – während der sieben Jahre der großen Trübsal.
Praktisch, dass als weiteres Element die Vor-Entrückung hinzukommt: Danach werden sowohl zu dieser Zeit lebenden Gläubigen Christen “von dieser Erde weggenommen”, als auch die bereits verstorbenen Gläubigen.
Sie werden zuerst aus Ihren Gräbern auferstehen, um dann gemeinsam mit den lebenden Gläubigen in die Wolken Richtung Himmel zu schweben, Christus entgegen.”
Bevor also die ‘große Trübsal’ losbricht – die Zerstörung der Welt in einem alles zerstörenden Krieg, einhergehend mit Naturkatastrophen – werden nach dieser Lehre sämtliche bibeltreue Christen durch göttliche Intervention in Sicherheit gebracht. Um die Ungläubigen – Kinder, Frauen, Männer jeden Alters – ist es nicht weiter schade; sie hatten schließlich ihre Chance (sich für den ‘einzig richtigen’ Glauben zu entscheiden). Etwaige Ähnlichkeiten mit dem SciFi-Film “Knowing – Die Zukunft endet jetzt” sind sicher nicht beabsichtigt.
Die Verantwortung des Menschen und sein Versagen sind zentrale Komponenten. Jede Phase wird als eine neue Prüfung für die Menschheit gesehen, die sie nicht besteht. Darauf folgt zwangsläufig ein Gericht Gottes, durch das die Tragik des Versagens deutlich wird.
"Gott bietet sein Heil an. Wir scheitern. Gottes Gericht folgt. Danach bietet Gott sein Heil wieder anders an …"
Der Dispensationalismus erklärt, es werde keine weiteren Offenbarungen Gottes mehr geben. Seit die Kirche Christi etabliert und die Bibel geschrieben ist, werde ‘zusätzliche Kommunikation’ nicht länger benötigt. Allein die Bibel ist Gottes Kommunikationsmittel. Für Dispensationalisten sind die Wunder der Bibel geschehen.
Hoffnung ist im Dispensationalismus vor allem auf die zukünftigen Zeitalter (Millennium und neue Erde) ausgerichtet – nicht aber für die Gegenwart anwendbar, denn die Menschheit wird auch in der gegenwärtigen Dispensation versagen.
  Zum Vergleich hier die Gesamtübersicht:


Die vier hauptsächlichen Sichtweisen des Millenniums

Kritik

Auch Koch sieht die Notwendigkeit, sich kritisch mit dem Dispensationalismus zu beschäftigen, der auch hierzulande an Zulauf gewinnt. Es bestehe die Gefahr, dass die dispensationalistische Geisteshaltung des Scheiterns, Bestrafens und Verwerfens “das Anliegen Gottes, unserer Welt sein Heil zu offenbaren, eher blockiert als fördert“.
Die pessimistische Erwartung einer ständig versagenden Menschheit bildet kaum einen fruchtbaren Boden für das christliche Anliegen, in die Verantwortungsräume der Gesellschaft einzutreten machen und notwendige Reformen mitgestalten.
Zudem seien die prophetischen Äußerungen der Bibel bezüglich der Endzeit schwer in ein System zu fassen und würden regelmäßig falsch interpretiert.
“…wenn die frohe Botschaft keine Antworten auf die dringenden Probleme in unserer Gesellschaft zu geben hat, sondern den Exit durch Entrückung als Hoffnung verbreitet, dann ist sie keine frohe Botschaft.”

Auf politische Auswirkungen und Verstrickungen des Dispensationalistischen Prämillennialismus gehe ich im Beitrag “Christlicher Zionismus” ein.


Quelle: Wikipedia (Grafiken, Textelemente)

Freitag, 6. Februar 2015

Erziehnungstipps aus dem Vatikan

"Wenn man keine Ahnung hat, einfach nur die Messe halten.."

Seine Kinder zu schlagen 'um sie liebevoll-konsequent zu erziehen', geht aus Sicht des Weltkirchenführers in Ordnung. Solange, lautet die Einschränkung, man seinen Kindern nicht die Würde nimmt, indem man sie beispielsweise ins Gesicht schlägt.

Der Papst habe eines Tages einen Mann sagen hörte: "Ich schlage meine Kinder manchmal ein bisschen, aber nie ins Gesicht, damit ich sie nicht demütige." Das Kirchenoberhaupt fand das gut. Der Mann habe einen Sinn für Würde, wird Franziskus zitiert: "Er muss sie bestrafen, aber tut es gerecht und geht dann weiter." 
Möglich, dass Päpste stets 'in bester Absicht' öffentliche Kommentare abgeben. Entscheidend ist jedoch, wie diese Aussagen von 1,2 Milliarden Katholiken rezipiert werden. Wie werden manche von ihnen die päpstliche Ermunterung für ein veraltetes Erziehungsprinzip, das mit der Würde des Kindes kollidiert, umsetzen

"Ein Klaps oder eine Ohrfeige hat noch niemandem geschadet". Solche Parolen dürften die meisten Deutschen über 40 noch lebhaft in Erinnerung haben. Wie die resultierende Lebenswirklichkeit aussehen konnte, beschreibt dieser Artikel:

Kochlöffel, Rohrstock, Teppichklopfer oder der Gürtel (an den Gürtel erinnere ich mich noch gut - und an den Siegelring, denn eine männliche Erziehungsperson beim Erziehen nicht ablegte) - in der Nachkriegszeit wurden diese und weitere Utensilien von Eltern als Erziehungsmittel gegen ihren Nachwuchs eingesetzt. 
Das zur Zeit des Wirtschaftwunders ein flächendeckendes Phänomen über alle sozialen Schichten hinweg. Frühere Generation traf es noch heftiger.

 Dokumentation: Wer seine Kinder liebt, der züchtigt sie

"Heute Abend bekommst du Prügel."  
Aber warum?" 
"Damit du nicht über die Stränge schlägst."



Diese Vergangenheit ist nicht mehr zu ändern. Auch ist kaum zu bestreiten, dass diese Eltern ihre Kinder liebten. Dennoch, als Erziehungsmodell für die Zukunft sind derartige 'Konzepte' völlig untauglich!

Letzte Bearbeitung: Herbst 2021

Montag, 2. Februar 2015

Liefern "Exotische Organismen" erste Beweise für die Panspermie-Theorie?

"Stammen wir nicht von der Erde, sondern aus dem All?"

Wie FOCUS am 2.2.2015 berichtete, wollen Astrobiologen wollen einen ersten Beweis für außerirdisches Leben entdeckt haben. In Proben, die Ballons in der Stratosphäre gesammelt hatten, sollen sich Partikel organischer Natur gefunden haben, die nicht von der Erde stammen. 
"Ihre These: Sie sind mit Genmaterial gefüllt und sollen die Saat des Lebens auf anderen Planeten verbreiten."
Wenn sich diese Resultate bewahrheiten sollten, d.h. einer unabhängigen Begutachtung neutraler Wissenschaftler standhalten, dann wäre dies eine ziemliche Sensation. Die Panspermie-Theorie (Mikroorgaismen seien von außen, d.h. aus dem Weltall auf die Erde 'übertragen' worden und hätten hier die Evolution irdischen Lebens ausgelöst) wird seit Jahrzehnten in der Wissenschaft diskutiert, bislang hatte man allerdings keinen Beweis zugunsten oder gegen diese These.

Die Fundstücke würden für eine gerichtete (absichtlich ausgelöste) Panspermie sprechen:

  • eine Art organischer Ballon, der in seiner natürlichen Umgebung mit leichten Gasen gefüllt ist.
  • eine mikroskopisch kleine Kugel, in deren Innern eine „organische Flüssigkeit mit schleimiger Konsistenz“ enthalten ist.
Im zweiten Teil des Berichtes äußern beteiligte Forscher die Vermutung, die 'Kugel' könne ein künstlicher Mikroorganismus sein, der programmiert sei, fremdes Leben auf der Erde zu verbreiten.

Ich finde diese Entwicklung hochspannend, neige aber dazu, erstmal abzuwarten. Zu oft wurde für vergleichbare Sensationsmeldungen bei näherem Hinsehen eine 'natürliche Erklärung' gefunden. So wurden auch in diesem Fall Stimmen von Kritikern laut, nach deren es sich bei den Objekten durchaus um Organismen handeln könne, die von der Erde stammen.
Kritik richtet sich gegen die unwissenschaftliche Art, mit diese Entdeckungen und Ergebnisse publiziert wurden.:
"Diese erschienen im umstrittenen Fachmagazin „Journal of Cosmology", dem andere Forscher vorwerfen, es werde im Eigenverlag von einer kleinen Gruppe veröffentlicht, die die alte Idee der Panspermie vertreten."
Was besagt die genetische Analyse der Objekte? Ist die enthaltene DNA(?) mit irdischen Organismen verwandt bzw. vergleichbar? Darüber schweigt sich die Publikation anscheinend aus ...wäre dies nicht eine der ersten Untersuchungen, der vermeintlich 'nicht von der Erde stammenden' Organismen zu unterziehen sind??
"Außergewöhnliche Behauptungen erfordern außerordentliche Beweise."

***
Nachtrag (Juli 2015)
Auch auf der Erde findet man Lebensräume, die mag man sich kaum vorstellen. "Exotische Lebewesen", die aber keineswegs 'von außerhalb' stammen, wurden nun  in 2.500 m Tiefe entdeckt -  unter dem Meeresgrund vor Japan (Die WELT, 25.7.15).
Von den im Februar gefundenen 'exotischen Schleimkugeln' war dagegen im Web nicht wieder die Rede, was vermutlich für sich spricht..

Montag, 26. Januar 2015

Messianismus: Sehnsucht nach einem übernatürlichen Retter?

In allen drei monotheistischen Religionen nimmt er eine zentrale Rolle ein: der Messias oder Mahdi, als von Gott gesandter Erretter der Menschheit.

Für den schiitischer Islam beschreiben Baqir al Sadr und Murtada Mutahhari den Mahdi in ihrem Buch “Der ersehnte Retter”:
“Eine Gestalt, legendärer als die des Mahdi, des Ersehnten Messias, hat die Geschichte der Menschheit nicht gesehen. Die Fäden des Weltgeschehens haben im menschlichen Leben so manch feines Webmuster angenommen, aber das Muster des Mahdi steht hoch über allen anderen. Er ist [stets] die Vision der Visionäre in der Geschichte gewesen. Er ist [stets] der Traum aller Träumer dieser Welt gewesen. Für die endgültige Rettung der Menschheit ist er der Polarstern der Hoffnung, auf den der Blick gerichtet ist.
Auf der Suche nach der Wahrheit über den Mahdi ist gesellschaftliche Stellung, Glaube oder Nationalität belanglos. Die Wahrheitssuche ist universell, ebenso wie der Mahdi selbst universell ist. Prachtvoll steht er hoch über den engen Mauern, die die Menschheit trennt und aufteilt. Er gehört zu einem jeden.
(…) Wer ist der Mahdi? Sicherlich, das ist die große Frage, die denkende Menschen überall auf der ganzen Welt gern stellen würden
.”

Auch wenn die Ausprägung des Messias im Christentum eine andere ist als im Islam, beschreiben diese Worte die an diese Gestalt gerichteten Erwartungen und Sehnsüchte meiner Ansicht nach sehr treffend.
Im A.T. kündigen Israels Propheten die zukünftige ideale Erneuerung des Königtums an,  eine endzeitliche Rettergestalt, deren Kommen alles verändern werde. Dieser Heilsbringer werde eine radikale Wende zum Frieden für alle bringen. Und die ersten Christen rechneten mit der Wiederkehr (Parusie=Naherwartung) des Messias Jesus, dem Weltende und dem Weltgericht – noch zu ihren Lebzeiten.


Juden warten auf den Messias, Christen auf Jesus und die Muslime warten sowohl auf den Mahdi als auch Jesus. Alle Religionen beschreiben ihn als einen Mann, der kommt um die Welt zu retten.” Sheik Kabbani

Im islamischen Kontext dient der Begriff “Messianismus“ dazu, das wichtige Konzept einer eschatologischen Gestalt (d.h. den Mahdi) zu übersetzen. Er werde als vorherbestimmter Führer emporsteigen, eine großartige soziale Umgestaltung einleiten und alle Dinge unter göttlicher Führung wiederherstellen.


Der islamische Messias verkörpert (…) daher das Bestreben der Wiederherstellung der Reinheit des Glaubens, welcher die wahre und unkorrumpierte Führung für alle Menschen bringt und (…) eine Welt frei von Unterdrückung schafft…“ (Abdulaziz Abdulhussein, ‘Islamischer Messianismus’)

Kurz gesagt, die Rettergestalt des Mahdi/Messias soll eine “neue Weltordnung” implementieren (dass dieser Terminus von militanten Politikern vereinnahmt wurde, steht auf einem anderen Blatt). Nebenbei sei erwähnt, dass sowohl islamische als auch christliche Endzeittheologien nicht den geringsten Zweifel daran hegen, dass vor dem Weltenende die ‘wahre’ (also die eigene) Religion siegen werde. Als Mittel und Methoden des Erretters beziehen sie militärische Kampagnen oder ‘heilige Kriege’ ausdrücklich ein.

Gerade in der heutigen Zeit – mit all ihren Verwirrungen, ihrer Gewalt und vermeintlichen(?) Ausweglosigkeiten – ist es nur verständlich, wenn gläubige Menschen sich an eine solche Figur klammern, all ihre Hoffnungen auf die projizieren.


Dabei schwingt ein trauriges Eingeständnis mit, wenn auch unausgesprochen: Wir (die ‘normalen’ Menschen) haben es verk*ckt. Der Karren (die menschliche Zivilisation) hat sich in einer unheilvollen Sackgasse festgefahren – derweil weigern wir uns, diese Realität zu erkennen und flüchten in Haarspaltereien und Konflikte.
Persönlich glaube ich nicht, dass wir uns auf einen Erretter ‘von oben’ verlassen sollten. Ohne eschatologische Aussagen pauschal anzuzweifeln, sehe ich das Prinzip der Kausalität (Ursache und Wirkung) im Vordergrund.
Wir, die menschliche Spezies, werden durch die Folgen unserer Handlungen zunehmend gezwungen, endlich (überlebens-)notwendige Lehren aus unseren Fehlern zu ziehen. Tatsache ist aber auch, dass hierzu augenscheinlich ein gewaltiger Leidensdruck bestehen muss – und dass dieser Leidensdruck nur in den allerwenigsten Fällen die eigentlichen Protagonisten (Regierende, Wirtschaftslenker, geistige Führer …) trifft.


Diesen Umstand mag man für ungerecht erachten, was freilich nichts an den Fakten ändert.


Den unbeirrbaren Endzeit-Gläubigen möchte ich am liebsten erwidern:
Seit 2000 und mehr Jahren erwartet ihr stets das nahende Ende der Welt. Ihr erträumt euch, jener Mahdi/Messias möge “endlich” von Gott geschickt werden und die Fehlentwicklungen geradebügeln, welche von der Menschheit wieder und wieder verursacht werden.
Dabei wisst ihr (ebenso wenig wie ich), ob/wann diese Endzeit eintrifft. Was spricht dagegen, dass die Menschen ‘bis dahin’ ihre Lethargie bzw. Frömmigkeitsstarre überwinden und sich ihrer Verantwortung stellen für das Diesseits, für diesen Planeten Erde und alle Menschen, die auf ihr leben?