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Samstag, 22. Juni 2013

Christentum: Trinität – ob ich sie jemals verstehen werde…?

Werner Gitt schreibt über das christliche Gottesbild: “Von diesem dreieinen Gott wird in dreifacher Weise in personaler Differenzierung geredet…
Wie bitte? Heißt es im allgemeinen nicht, das Christentum sei eine monotheistische Glaubensauffassung? Darüber wird unter Christen erstaunlich wenig gestritten, nur ‘von außen’ wird Kritik geäußert. Muslime etwa verneinen die Göttlichkeit Jesu, bringen ihm aber als einem wichtigen Gesandten Gottes hohen Respekt entgegen. 

Mein Problem: In meinem Wunsch, die Welt in meine subjektiven Kategorien einzuordnen, habe ich ein schrecklich rationales Entweder-Oder-Schema entwickelt. Deshalb kann ich mit Aussagen wie “Er ist der Eine und zugleich der Dreieine” so gar nichts anfangen. Entweder ‘eine Identität’ oder ‘wir sind Legion’, auch wenn der Vergleich ein wenig daneben ist. Einer oder mehrere - oder: wir verzichten eingedenk unseres unvollkommenen Denkapparates vollständig darauf, das Wesen Gottes verstehen und beschreiben zu wollen. Vielleicht wäre diese Form von Demut angebracht?

Christliche Organisationen - die römisch-katholische Kirche ebenso wie evangelikale Freikirchen - wollen aber, dass wir ihnen ein bestimmtes Gottesbild abkaufen (hier nicht im wörtlichen Sinne gemeint, obwohl...). Daher komme ich um diese Fragestellung trotz aller Einsicht unvollkommenen Denkens nicht vorbei.

Christen müssten sich mit der Aussage, dass ihr Gott ein dreieiniger Gott ist, auseinandersetzen, schreibt Jörg Sieger in seiner Einführung zum christlichen Glauben
…weil uns andere [...] den Vorwurf machen, dass wir den Glauben an den einen Gott verraten hätten und letztlich an drei Götter glauben würden: Gott den Vater, Gott den Sohn und Gott den Heiligen Geist.(Diese ‘anderen’ sind Angehörige der beiden übrigen abrahamitischen Religionen, d.h. Juden und Muslime.)

Ausgangspunkt

Der Begriff Monotheismus kennzeichnet Religionen, die einen allumfassenden Gott kennen und anerkennen – im Gegensatz zum Polytheismus, der viele Götter kennt und verehrt. Bei Religionen, die viele Götter kennen, aber einem von diesen den Vorrang (als allein zu verehrenden Gott) einräumen, spricht man von Monolatrie.
Im Alten Testament (A.T.) gibt es in Bezug auf dieses Bekenntnis überhaupt kein Vertun:
  • Ich bin der Erste, und ich bin der Letzte, und außer mir ist kein Gott.
    (Jesaja 44,6 pt)
  • …und ist sonst kein Gott außer mir, ein gerechter Gott und Heiland; und keiner ist außer mir. Wendet euch zu mir, so werdet ihr selig, aller Welt Enden; denn ich bin Gott, und keiner mehr.”  (Jesaja 45,21 pt)
Klar und präzise. Das so in der Bibel niedergelegte Konzept von Gott formuliert einen eindeutigen Anspruch, wie die ‘wirkliche Beschreibung’ von Gott auszusehen habe. Sie findet sich ebenso bei Moses als auch bei den Aussprüchen Jesu, soweit diese korrekt überliefert sind. 
Weil das A.T. von nahezu allen Christen bis heute als verbindlicher Teil ihrer heiligen Schrift erachtet wird, stellt sich die Frage: Wenn das Gottesbild der Trinität zutrifft, warum hat Gott das schon nicht im Alten Testament klar offenbart?
Mit anderen Worten: warum erschien dieser Glaube nicht bereits vor der Person Jesu, der als Messias sehr wohl erwartet worden war?


Eine unmissverständlich dargelegtes Gottesbild finde ich im ‘offiziellen’ Christentum bzw. im N.T. nicht. Vielmehr annulliert das Konzept der Trinität eine verständliche, eindeutige Beschreibung von Gott: Sie ersetzt das bisherige ‘Bild’ durch ein Konstrukt eines Gottes, welches nun von einem zweiten und einem dritten Element ausgeht. Zwei dieser drei Elemente sind zudem in hohem Maße anthropomorph (vermenschlicht): “Vater” und “Sohn“. Statt Gott in seiner seine einzigartigen Natur zu respektieren, wurde ein offensichtlich menschlich geschaffenes und menschen-ähnliches Bild von ihm entworfen.

Nun bin ich kein Experte, glaube aber, dies steht in krassem Widerspruch zu ursprünglichen Geboten (z.B. dem Dekalog).

Bekanntlich stellt das Christentum seinen Gott als dreifaltigen Gott dar. Diese Trinität bezeichnet in der christlichen Theologie die Wesens-Einheit von Geist, Vater und Sohn (Jesus). Sie sollen als drei aus Gott hervorgehende Personen, nicht aber als drei Götter aufgefasst werden.


Wird hier eine Widersprüchlichkeit erkennbar? Ein Gott würde im monotheistischen Sinne doch zugleich eine göttliche Identität bedeuten…? Im Gegenzug würde jede der drei Personen Gottes ihre eigene, individuelle Identität besetzen – das ist doch, was eine Person u.a. ausmacht, oder?
Freilich ist es durchaus plausibel, dass dieser eine, allmächtige Gott ohne weiteres in der Lage sein soll, auf unterschiedlichste Weise in Erscheinung zu treten. Sind die drei christlichen personae Gottes – Geist, Vater, Sohn – als solche Erscheinungsformen aufzufassen – etwa so, wie H2O uns als unsichtbarer Wasserdampf, flüssiges Wasser und festes Eis begegnen kann? Ganz so einfach kann es nicht sein, denn die drei Personen Gottes begegnen uns auf durchaus unterschiedliche Weise – und im Verhältnis zu den Menschen nehmen sie verschiedene Funktionen wahr:

  • Der christlichen Lehre zufolge steht Jesus in einer besonderen funktionalen Zuordnung für uns (“W.Gitt – In welcher Beziehung stehen Gott und Jesus zueinander?”) – denn nur durch ihn sei ein Zugang zu Gott (Vater) möglich. Laut eigener Aussage nimmt Jesus Anordnungen bzw. Aufträge vom Vater entgegen [vgl. Joh 14, 31]; zwischen beiden besteht offenbar eine Art Herrschaftsverhältnis.
  • Im Johannesevangelium [Joh 12,49-50] stellt Jesus klar, dass er nicht ‘in eigener Sache’ bzw. in seinem eigenen Namen predigt, sondern dass seine Botschaft von Gott sei:
    Denn ich habe nicht aus mir selbst geredet, sondern der Vater, der mich gesandt hat, er hat mir ein Gebot gegeben, was ich sagen und was ich reden soll; 
    und ich weiß, dass sein Gebot ewiges Leben ist. Was ich nun rede, rede ich so, wie mir der Vater gesagt hat.
  • Johannes zitiert Jesus mit den Worten: “…der Vater ist größer als ich” [Joh 14,28] und “…Ich kann nichts von mir selbst tun”. [Joh 5, 30]
  • Siehe auch Mk 10,18/Mt 19,17 und Mk 10,17-18.
  • In der von Lukas verfassten Apostelgeschichte legt Petrus dar: “Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, der Gott unserer Väter hat seinen Knecht Jesus verherrlicht,…” [vgl. APG 3,13]. Die Sichtweise der APG ist, dass Gott etliche Wunder durch Jesus tat, um diesen als seinen die Gesandten zu bestätigen [vgl. APG 2,22].
In der gesamten Bibel finde ich nicht eine einzige Stelle, wo Jesus explizit mit den Worten „Ich bin Gott“ oder „Betet mich an“ zitiert wird. Insoweit sehe ich nicht, wie/wodurch die Evangelisten die Göttlichkeit Jesu herausstellen. Zwar ist des öfteren von ihm als einem ‘Sohn Gottes’ die Rede; von den Historikern wissen wir aber, dass diese Bezeichnung seinerzeit häufig verwendet wurde – ohne eine Vergöttlichung zu implizieren. Der Sohn ist nicht mit dem Vater identisch, den er selbst anbetet.

Paulus ist Jesus nie persönlich begegnet und kann mit dessen Lehren auch nicht wirklich sehr viel anfangen. Statt dessen entwirft er ein eigenes Bild (s)eines präexistenten Christus, der zwar über der gesamten Schöpfung stehe, dessen Oberhaupt aber Gott sei [vgl. 1Kor 11,3].

Sicherlich lassen sich auch Aussagen des Alten und Neuen Testaments im Sinne der gegenteiligen Argumentation zusammenstellen, d.h. zugunsten der Göttlichkeit Jesu. 

Christen sehen sich bis heute mit der Frage konfrontiert, wer dieser Jesus nun ist, und in welchem Verhältnis er zu Gott steht, den er selbst Vater ("Abba") nennt:
Im Neuen Testament liest man schließlich ganz unterschiedliche Aussagen. Einmal heißt es da, dass der Sohn und der Vater eins sind (vgl. Joh 10,301). Im Johannesevangelium finden wir aber genauso die Formulierung, dass der Vater größer ist als der Sohn (vgl. Joh 14,282).” (J. Sieger)

Wie entstand das Trinitäts-Dogma?

Aus den Aussagen in den Evangelien entwickelte sich ein Spannungszustand unterschiedlicher Interpretationen innerhalb der christlichen Theologie:
Der Arianismus, benannt nach seinem ihrer frühen Vertreter Arius, weicht in seiner Haltung von der Dreifaltigkeitslehre ab:
  • Der Vater allein ist Gott.
  • Gott hat die Welt nicht direkt erschaffen, sondern durch einen Mittler, den Logos (= das Wort), der selbst geschaffen wurde, um die Welt zu schaffen.
  • Dieser Logos wird als Sohn Gottes bezeichnet und ist präexistent – ein Wesen zwischen Gott und der Welt, das perfekte Abbild des Vaters.
    In einem metaphorischen Sinn kann er als Gott bezeichnet werden. Dennoch ist er ein Geschöpf, geschaffen der ‘Erstling’ Gottes. Damit ist er nicht aus dem gleichen Wesen wie der Vater – sondern durch den Willen des Vaters. Er ist daher nicht ewig, denn “es gab eine Zeit, als es ihn nicht gab”. Ebenso sind seine Macht, seine Weisheit und sein Wissen letztlich begrenzt.
Diese Lehre des Arius rief eine heftige Auseinandersetzung in der noch jungen Kirche hervor, “der die Kirche nicht nur zu zerreißen drohte, sondern auch tatsächlich zerrissen hat” (Sieger). Die folgende Auseinandersetzung, ihr Verlauf und ihr pragmatisch-machtpolitisch motiviertes Ergebnis sind ein Thema für sich, auf das ich an anderer Stelle ausführlicher eingehen werde.

Auf dem Konzil v. Nizäa wurde 325 n.Chr. der theologische Dissens zwar nicht gelöst, aber es wurden ‘Fakten’ geschaffen: Arius wurde verurteilt und seine Anhänger – die Arianer – verließen dementsprechend die Kirche. Seitdem wird der Arianismus von den großen christlichen Kirchen als Häresie angesehen.
Nun wurde festgelegt, dass der Sohn eben nicht unter dem Vater stehe, sondern dass beide ‘von einem Wesen’ oder ‘wesenseins’ seien. Mit dieser dogmatischen Festlegung wurde sowohl auf die Einheit als auch auf die Einheitlichkeit des kirchlichen Glaubens in einer sehr bedeutsamen Frage hingewirkt. Die Notwendigkeit einer Einigung, selbst wenn sie erzwungen werden musste, zeige sich daran, dass nicht weniger als achtzehn verschiedene arianische Glaubensbekenntnisse verfasst wurden, die einander teilweise widersprechen. Die spätere Verfolgung und Ermordung der Arianer ist und bleibt freilich inakzeptabel.
Ikone: Erstes Konzil von Nicäa. Kaiser Konstantin entrollt den Text der ersten Hälfte des Nicänischen Glaubensbekenntnis (Quelle: Wikimedia)


Inhaltlich habe im Grunde aber niemand so recht gewusst, was mit diese Wesensgleichheit (Homousie, von altgriechisch homo ousios) im Bekenntnis von Nicäa denn nun genau bedeuten sollte, erklärt Dr. Sieger:

Nizäa ist ein Lehrstück dafür, wie viel- und nichtssagend theologische Formeln in gleicher Weise sein können. Mit dem Begriff allein war eigentlich gar nichts gewonnen. Was sollte man darunter verstehen?

Diese Unklarheit war ursächlich dafür, dass sich die Auseinandersetzungen über das Verhältnis von Vater und Sohn nach Nicäa fortsetzten. Etliche Theologen blieben dabei, dass der Sohn nicht auf der gleichen Ebene wie der Vaters stehe.
Das Bekenntnis von Nicäa, dass Vater und Sohn von gleichem Wesen seien und dass der Sohn demnach wirklich Gott sei, wurde nur von geringen Anzahl von Theologen ohne Einschränkung vertreten, die sich untereinander auch uneinig waren.
Es brauchte mehrere Jahrzehnte, bis eine theologisch Aufarbeitung gelang. Noch komplexer wurde die Diskussion durch die Frage nach dem Wesen der dritten Person – des Geistes, den Jesus nach biblischer Überlieferung den Menschen gesandt hatte: In welchem Verhältnis steht der Geist Gottes zum Vater und zum Sohn?
[Spätestens hier steigt mein Verstand aus: Worin soll der Unterschied bestehen zwischen "Gott" und dem "Geist Gottes" (sofern es sich bei diesem Geist nicht bloß um einen Abgesandten Gottes handelt ...was aber dem Prinzip der Wesenseinheit widerspräche)??? Und wozu soll es gut sein, Gott dem Verständnis nach zu 'zerlegen'?]

Gregor von Nazianz verdeutlicht diesen Zusammenhang durch ein sprachliches Bild: Er beschreibt eine Quelle, die aus der Erde hervorbricht und deren Wasser sich dann zu einem kleinen Bach sammelt. Dieser Bach wächst von Kilometer zu Kilometer, er wird größer und mächtiger und letztlich zu einem richtigen Fluss.
Vielleicht sei es ganz ähnlich, wenn Christen von dem Vater, dem Sohn und dem Geist sprechen:

“Wir sagen: “Das ist das Wirken des Geistes.” Oder: “Hier ist der Vater am Werk.” Aber wenn wir genau hinschauen, dann geht es uns wie bei diesen drei Gewässern. Obwohl wir eine Quelle, einen Bach oder einen Fluss sehen, ist das Wasser immer das gleiche. Obwohl es drei verschiedene Gewässer sind, ist es trotzdem ein und dasselbe Wasser, das sie alle durchfließt.
Vielleicht ist es bei unserem Gott ganz ähnlich: Wir glauben, in ihm drei Personen unterscheiden zu können. Alle drei aber durchweht ein und dasselbe göttliche Wesen. Er ist ein Gott in drei Personen.” (vgl. Sieger)

Solche Überlegungen führten zu der Formulierung, dass Gott in diesen drei Personen existiert, aber dass dies lediglich drei Personen des einen göttlichen Wesens sind.
Auf dem Konzil von Konstantinopel (381 n. Chr.) wurde diese Aussage für die ganze Kirche verbindlich festgelegt. Es entstand das nizäno-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis3) welches bis heute in der Form des Credos Verwendung in der Liturgie findet. Dieses Bekenntnis verbindet alle großen christlichen Konfessionen und wird oft als wichtigstes außerbiblisches Zeugnis der altkirchlichen Theologie eingeordnet.

Ein von Menschen entworfenes Gottesbild

Erstes Konzil von Konstantinopel, Homilien des Gregor von Nazianz,
(Quelle: Wikimedia)

Der Vergleich Gregors und die o.a. Formel veranschaulichen zwar denkbare Erscheinungsformen des einen Gottes, doch beide überzeugen mich letztlich nicht. Offensichtlich fügt sich Jesus dem Willen Gottes und er spricht auch davon, dass der Wille des Vaters nicht notwendigerweise identisch mit seinem eigenen Willen sei (auch wenn er diesen ausdrücklich zurückstellt):

“…Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir weg – doch nicht mein Wille, sondern der deine geschehe!” [Lk 22,42]

Keinesfalls maße ich mir an, des Wesen Gottes verstehen. Doch wenn diese Worte Jesu als authentisch erachtet werden, so implizieren sie eindeutig zwei Wesenheiten, die beide ‘ihren eigenen Willen haben’. Und eine der beiden Wesenheiten ordnet sich der anderen Wesenheit klar unter.

Von Menschen getroffene Festlegungen zum Wesen Gottes können nicht aus eigenem Wissen/Willen erfolgen – es muss  ein Bezug zu Überlieferungen und Quellen hergestellt werden können. Diese aber lassen m.E. die arianische Auffassung als zutreffender erscheinen – welche sich mittelbar auch in den Lehren und Auffassungen der Gnostiker wiederfindet: Jesus, Gottes erstes und höchstes Geschöpf, wurde von ihm zu den Menschen gesandt, um ihnen einen Weg der Erlösung zu offenbaren.

Es ist nicht ganz aufrichtig, wenn christliche Theologen heute den Eindruck zu erwecken suchen, die Göttlichkeit Jesu habe von Anfang an unwiderlegbar festgestanden.
Nein, es handelt sich hierbei (wie bei vielen kirchlichen Dogmen) um eine keineswegs einstimmige Mehrheitsentscheidung von ‘natürlichen Personen’, die Jahrhunderte später als die Apostel und Jünger Jesu lebten. Nicht übersehen werden darf auch, dass zumindest das Konzil von Nicäa (325) seine Beschlüsse unter erheblichem politischen Druck fasste. Bekanntlich wollte Kaiser Konstantin ‘Ruhe an der religiösen Front’, nicht zuletzt aus Erwägungen der Staatsräson.


Dr.Sieger spricht in diesem Kontext von dem Versuch, mit den unzulänglichen Methoden des menschlichen Verstandes das unsagbare Geheimnis Gottes ins Wort zu bringen. In schier endlosen Diskussionen stritten die Theologen über 50 Jahre um die Wahrheit – doch kommt deren Resultat dieser Kontroverse tatsächlich der so gerne beanspruchten ‘einzigen’ Wahrheit nahe?
  • Bei Johann Greber, einem Vertreter des christlichen Spiritualismus, wird die eines Dreifaltigkeitslehre treffend charakterisiert, meine ich:
“Ihr lehrt einen Gott in drei Personen. Ihr behauptet also, daß es drei Geister gibt, von denen jeder wahrer Gott sei und die zusammen doch nur einen Gott ausmachten. Das ist menschlicher Wahn und die größte Torheit. Es gibt keine Dreifaltigkeit und keine Dreieinigkeit in dem Sinne, wie ihr es lehrt.
Gott ist nur eine einzige Persönlichkeit. Nur der Vater ist Gott. Alle anderen heiligen Geister sind Geschöpfe Gottes. Keiner von ihnen ist dem Vater gleich.”

  • Prof. Dr. Karl-Heinz Ohlig setzt sich kritisch mit dem normativen Charakter der Trinitätslehre auseinander (→ “Ein Gott in drei Personen?“ auf roland-sinsel.de). Er stellt fest, dass “die Trinitätslehre, wie sie sowohl im Osten wie – erst recht – im Westen am Ende “Dogma” wurde, keinerlei biblische Grundlage besitzt”. Folglich sei die Legitimität eines solchen Konstrukts zu hinterfragen:

    Wenn es feststeht – und daran scheint kein Weg vorbeizuführen -, dass Jesus selbst nur vom Gott Israels, den er Vater nannte, und nichts von seiner eigenen späteren “Vergottung” wusste, mit welchem Recht kann dann eine Trinitätslehre normativ sein?
    Muss man sie nicht vielmehr als einen Inkulturationsvorgang, der nur innerhalb der damaligen Kontexte unausweichlich und wohl auch legitim war – weil anders das Christentum nicht lebbar war -, verstehen, also als eine kontingente, kontextuelle Komplizierung der jesuanischen Gottesvorstellung?
Natürlich steht es jedem Theologen frei, seine Glaubensauffassung und -tradition  für wahr zu halten, sie zu lehren und Gläubigen anzuempfehlen – selbst wenn ihr Zustandekommen unter dem Druck machtpolitischer Erwägungen stand. Problematisch wird es erst, wenn Vertreter gegenteiliger Auffassungen bis heute (!) verflucht und exkommuniziert werden:

“Diejenigen aber, die da sagen „es gab eine Zeit, da er [Jesus] nicht war“ und „er war nicht, bevor er gezeugt wurde“, und er sei aus dem Nichtseienden geworden, oder die sagen, der Sohn Gottes stamme aus einer anderen Hypostase oder Wesenheit, oder er sei geschaffen oder wandelbar oder veränderbar, … die belegt die katholische Kirche mit dem Anathema
["Zusatz im Bekenntnis von Nicäa ]

Was ist das Wesentliche?

Für Autoren eines klar umrissenen religiösen Bekenntnisses steht fast immer fest, dass sie allein den ‘wahren Glauben’ leben und predigen; das liegt wohl in der Natur des menschlichen ‘Entweder-Oder-Denkens’.
Persönlich meine ich, man sollte dies nicht zu weit treiben: Ob man die Dreifaltigkeit Gottes und damit die Göttlichkeit Jesu zu glauben vermag oder nicht, hindert nicht am Wesentlichen – dem Glauben an einen einzigen Gott und dem Festhalten an der Lehre Jesu.


Alles übrige hat für mich den Charakter von ‘Beiwerk‘ – die paulinischen Briefe, die Schriften von ‘Kirchenvätern’ und erst recht kirchliche Dogmen späterer Jahrhunderte enthalten von Menschen erdachte, d.h. zu prüfende Aussagen.
Bei all diesen umfangreichen Werken sollte man sich eine eine weitere Frage stellen: cui bono – wem nützt es?
Der katholische Klerus bangte seit der Konstantinischen Wende um seine Macht und Autorität – wie kann man sich leichter unentbehrlich machen als durch Schaffung einer hochkomplexen, dem 'gesunden Menschenverstand' zuwider laufenden Theologie – welcher sich der gläubige Laie nur mit Hilfe der klerikalen Experten nähern kann...?


Die Führung der römischen Kirche sollte beizeiten darüber nachdenken, wie lange sie noch eigentlich aufgeschlossene 'Suchende' und Gläubige mit Verfluchungen und autoritären Drohgebärden vor den Kopf stoßen will. Ich für meinen Teil tue mir dies jedenfalls schon lange nicht mehr an...

Siehe auch

Anmerkungen


  1. “Ich und der Vater sind eins” [Joh 10,30]
  2. “Ihr habt gehört, dass ich euch gesagt habe: Ich gehe hin, und ich komme zu euch. Wenn ihr mich liebtet, so würdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater gehe, denn der Vater ist größer als ich.” [Joh 14,28, ELB]

Montag, 5. November 2012

Projektion menschlicher Gedanken auf das Göttliche?

Oder: Was in aller Welt ist Trigono-Morphismus?

L. Feuerbach wandte sich gegen jede Vorstellung von einem Weiterleben des Individuums nach dem biologischen Tod und interpretierte Religion als Projektion des Menschen.
Insbesondere kritisierte er die “kindisch-phantastische” christliche Mythologie, die sich jedes Ammenmärchen der Historie als Tatsache aufbinden lasse. Die Abwesenheit jeder Vernunft mache diese Religion zu einem Spielball der spekulativen Willkür.
Dem Unglauben nur sind die Glaubensgegenstände vernunftwidrig; aber wer sie einmal glaubt, der ist von ihrer Wahrheit überzeugt, dem gelten sie selbst für die höchste Vernunft.

Freitag, 7. September 2012

Kohelet: Was ist der Mensch? Was bleibt von ihm?

Nicht wir Menschen werden die Wahrheit finden,
es wird die Wahrheit sein, die uns Menschen findet.

Die Verschiedenheit vom allgemein unterstellten Tenor der Bibel lässt den erstaunlichen Kohelet-Text als ein ‘alternativer’ Zugang zu den biblischen Schriften erscheinen. Denn sein Verfasser wirft eben jene Fragen auf, welche die Menschen zu stellen beginnen, sobald sie ihren Blick über sich selbst und das materielle Dasein hinaus richten.
  • Hat das Menschsein, das “unter der Sonne” geführte Leben einen Sinn?
  • Folgt unser Leben, wenn es ‘richtig geführt wird’, einem Ziel – welches über den heutzutage so oft im Vordergrund gesehenen Selbstzweck des Auskostens (Spaß und Erfolg haben, eventuell noch mit anderen teilen) hinausweist?
  • Wozu mühen wir uns ein ganzes Leben ab, wenn wir zuletzt doch sterben und keinen Nutzen aus unserem (materiellen) Besitz mehr ziehen können?
  • Warum ist Schönes ebenso vergänglich (“Windhauch”) wie Schlechtes?
  • Weshalb haben manche ‘gute Menschen’ unaufhörlich Pech, während zweifelhaften Charaktere unverdientes Glück zuteil wird?

Dienstag, 14. August 2012

Der ‘Beweis’ biblischer Wahrheiten–ein religiöser Zirkelschluss?


Wann immer ich Artikel mit Tags wie ‘Gottesbeweis’ oder ‘Warum die Bibel 100% wahr ist’ entdecke, lese ich diesen meist mit recht großem Interesse. Besonders dann, wenn archäologische Ausgrabungen (vgl. Archäologie Palästinas) oder die Analyse alter Schriften (vgl. Qmran, Nag Hammadi) biblische Aussagen stützen sollen.
Es kommt aber vereinzelt vor, dass ich nach dem ersten Drittel entnervt aufgebe – wenn die vorgefundene Argumentation einen typischen Zirkelschluss aufweist und sinngemäß nur erklärt: 'Die Bibel ist das Wort Gottes - sie ist wahr, weil in der Bibel steht, dass sie wahr ist.'
Bibeltreue Christen vertreten offensiv ihren Anspruch, dass die vollständige Bibel ausnahmslos von Gott inspiriert sei. Als Beweis hierfür zitieren sie gerne Bibelpassagen (z.B. Worte Jesu), die eben dies ausdrücken sollen. Unterstützend werden tausende Prophetien angeführt, die sich vorgeblich erfüllt haben.


Ein Zirkelschluss oder Zirkelbeweis ist ein “Beweisfehler, bei dem die beweisenden Behauptungen das erst noch zu Beweisende schon enthalten.”

Diese Art der Argumentation beruht darauf, dass man etwas als wahr annimmt (= eine noch beweisbedürftige Prämisse aufstellt) und diese noch unbewiesene Aussage selbst als Voraussetzung einsetzt, um damit weitere Aussagen als offensichtlich wahr darzustellen.
In eine geschickten Argumentationsketten kann dieser Selbstbezug auch über mehrere Stufen erfolgen, sodass der Zirkelschluss nicht (sofort) offensichtlich wird und mitunter schwer zu entdecken ist.


Wird der fehlerhafter Charakter einer solchen Beweisführung dann offen gelegt, schädigt er nicht zuletzt die Glaubwürdigkeit dessen, was bewiesen werden sollte – eigentlich ist dies ebenso unschlüssig wie der Zirkelschluss an sich. Mit anderen Worten: Eine unzulässige Beweisführung kann ebensowenig belegen, dass die Bibel unwahr sei.


Sonntag, 5. August 2012

Die Schätze des Königs Salomon

Lassen sich mit Hilfe der Archäologie und modernen Untersuchungsmethoden eindeutige Hinweise auf den Wahrheitsgehalt des Alten Testaments finden?

Die Ausgangslage ist schwierig, denn ausgerechnet der Tempelberg in Jerusalem als aussichtsreichster Grabungsort ist aus politischen Gründen tabu. Die nachfolgende Dokumentation stellt neue Forschungsergebnisse vor.
Offensichtlich droht eine Reihe ‘glaubensbestätigender Sensationsfunde’, welche später als Fälschung entlarvt wurden, die seriöse Archäologie pauschal zum Gespött der Fachwelt zu machen.


So zog Neil Asher Silberman auf der Konferenz "Fälschung in Kunst und Archäologie" 2005 in Jerusalem das Fazit 
"Fälschungen und Archäologie treten immer zusammen auf. Sie sind untrennbar".
Für mich neu: Auch der vor gut 25 Jahren von dem französischen Bibelwissenschaftler André Lamaire als einziges ‘Beweisstück’ aus Salomos Tempel veröffentlichte Granatapfel aus Elfenbein ist wohl nicht als echt zu bezeichnen. Als sicher gilt, dass die  althebräische Inschrift lautet: "Heilig dem Priester, Eigentum des Hauses des Herrn” nachträglich eingraviert wurde. Experten streiten derzeit über die richtige Datierung dieses sensationellen Fundes. 

Das seinerzeit für eine halbe Million Dollar erworbene Stück werde inzwischen nicht mehr öffentlich ausgestellt, heißt es im Film.



Siehe auch:

Samstag, 23. Juni 2012

Das Leben von Adam und Eva

Früher war es hier so schön ruhig“, schreibt der Mensch ins Tagebuch. Zu einer Zeit, als es noch keine Eva gab. Doch seitdem jenes neue Geschöpf um ihn herum ist, stimmt im Paradies nichts mehr.
"Montag. Dieses neue Geschöpf mit langen Haaren ist ganz schön lästig. Ständig treibt es sich hier herum und folgt mir überall hin nach. Das behagt mir gar nicht, Gesellschaft bin ich nicht gewohnt…
Überall ist sie ihm im Wege: „Immer wartet es auf mich oder läuft mir nach. Das habe ich nicht sehr gern. Ich wollte, es bliebe mehr bei den anderen Tieren.

… Es ist bewölkt heute, der Wind bläst von Ost. Wir werden Regen bekommen. Wir? Wo habe ich dieses Wort her? Jetzt fällt es mir ein – das neue Geschöpf hat es gebraucht."
Als er Eva aus dem Unterschlupf, den er gegen den Regen gebaut hat, hinausdrängen will, bekommt sie „ein feuchtes Gesicht“ - die ersten Tränen der Menschheit – und „machte ein Geräusch wie manche von den andern Tieren, wenn sie in Not sind“.
Das "neue Geschöpf" hieß einstmals Chawwa (‘Leben’), und derjenige, erstmals überhaupt seine Frustrationen1) einem Tagebuch anvertraut, ist Adam (‘Mensch’) - der erste Mensch. Mark Twain hat Adam die Worte in den Mund gelegt und sie als Kurzgeschichtensammlung "Tagebücher von Adam und Eva" (s. Auszug) veröffentlicht.
“Leben zwischen Wesen, die einander ähnlich sind, entwickelt sich aus Gegensätzen. Deren Entstehung sieht man besser, wenn man den ganzen Kram der Zivilisation mal beiseite räumt und sich nur auf schon vorhandene Tiere und auf die zwei Wesen jener obskuren Gattung beschränkt, die das Paradies erlebt haben. …Hier in diesem vergnüglichen Tagebuch ist es Eva, die alles Neue ankurbelt, schon allein durch ihre Anwesenheit.
Sie sagt zuerst das Wort „wir“, überhaupt redet sie unaufhörlich und ist „vor allem damit beschäftigt, die Dinge beim Namen zu nennen“. Durch sie findet die Welt ihre vielen Bezeichnungen, und damit rückt alles näher an Adam heran. Der hatte es mit ein bißchen Entfernung zu den meisten Dingen ganz gern. (Rezension v. H. Hirsch)
Nun ja, man gewöhnt sich aneinander, auch wenn dies Zeit braucht. Beide erkennen, was sie aneinander haben und das Liebe nicht auf positiven Persönlichkeitsmerkmalen oder Fähigkeiten gründet. Viele Jahre später stirbt Eva (lt. diesem Tagebuch) vor Adam, der auf ihrem Grabstein die Inschrift anbringt:
"WO IMMER SIE WAR, DA WAR EDEN"

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Samstag, 16. Juni 2012

Gott und die Götter - Biblische Mythen

Der Orientalist und Religionshistoriker Prof.Dr. Walter Beltz stellt biblische Mythen (“Bilder aus dem Orient”) in originärer, nicht theologisch redigiertern Gestalt vor und erläutert ihren historischen Hintergrund und mythologischen Sinn.

 

Die Vernichtung des Leviathan, 
Gravur von Gustave Doré (1865)[/caption]


Samstag, 26. Mai 2012

Was nicht in der Bibel steht

… ist für viele gläubige und ‘bibeltreue’ Christen in theologischer Hinsicht ohne Bedeutung.
Dabei ist eines nicht mehr von der Hand zu weisen: der Inhalt der ‘Urbibel’ wurde gezielt verändert. Dabei beziehe ich mich weniger auf die nur schwer zu ergründende Manipulation einzelner Textelemente oder deren fehlerhafte Übersetzung, sondern die selektive Definition des ‘Bibelkanons’.
Die vier bekannten Evangelien im N.T. enthalten offensichtlich nicht alle mündlich und urkundlich überlieferten Aussprüche Jesu:
Noch viele andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die nicht geschrieben sind in diesem Buch.
Joh 20,30, Lut84

Das Thomas-Evangelium verdient besondere Beachtung, dessen vollständige Wiederauffindung (Handschriftenfund 1947 in Nag Hammadi) von vielen als bedeutsames Ereignis in der Geschichte des Christentums gewertet wird:

Wahrscheinlich hat der Verfasser des Thomasevangeliums aus verschiedenen  schriftlichen Quellen Aussprüche Jesu (sog. Logien) zusammengestellt. Ein durchgängiges theologisches Thema erschließt sich daraus zwar nicht, doch könne das Thomas-Evangelium wohl als Weiterführung und Ergänzung der Bergpredigt angesehen werden, an deren Worte es wiederholt anknüpfe.

Manche Worte Jesu im EvThom stimmen mit den von Matthäus und Lukas angeführten Zitaten überein. Die eigentliche Besonderheit des Thomasevangeliums liegt darin, dass es zur Hälfte aus ansonsten unbekannten Worten Jesu besteht. 

Samstag, 21. April 2012

“Tempel stellt Bibel infrage”

Späte Rechtfertigung für die Samaritaner, die sich selbst als "die Bewahrer des Gesetzes" nennen und mit dem Anspruch auftreten, als einzige die authentische Version des Pentateuch (= der 5 Bücher Mose) zu bewahren?
Seit dem 5./4. Jahrhundert v. Chr. entwickelten sich die Samaritaner zu einer eigenständigen Religionsgemeinschaft, die alleinausschließlich den Berg Garizim als zentralen Kultort anerkannte und alle jüdischen Propheten außer Moses und Josua ablehnte.

Der „Spiegel“ nennt sie in Ausgabe 15/2012  „Gottes vergessene Kinder“ – die heutigen Nachfahren der biblischen Samaritaner. Sie leben nach den mosaischen Gesetzen und bringen ihrem Gott noch eifrig Tieropfer dar. Laut ihrer Fassung der Tora befand sich ihr zentraler Kultort samt Tempelanlage auf dem Berg Garizim (an dessen Nordfuß Nablus liegt - das biblische Sichem) - bei den Juden gilt dagegen Jerusalem als zentraler Kultort.

Bisher gehen Historiker anhand der biblischen Überlieferung davon aus, dass sich die Samaritaner im 4. Jahrhundert v.Chr. als radikale Sekte vom jüdischen Volk abspalteten. In der Bibel treten sie als Separatisten und Götzendiener auf, sie sind ‘unrein und böse’. Der Historiker Flavius Josephus - der selbst jüdischen Glaubens war und die Zerstörung des zweiten Jerusalemer Tempels um 70 n.Chr. miterlebte - berichtet, dass die
Abtrünnigen um 330 v.Chr. stümperhaft und „in aller Eile“ ein Heiligtum errichtet hätten, um den Tempel von Jerusalem nachzuahmen.

Doch inzwischen zeichnet sich diesbezüglich eine Neubewertung der historischen Ereignisse ab:

Bei Grabungen wurde seit 1964 die ursprüngliche Tempelanlage auf 881m freigelegt. Nun Der Archäologe Jizchak Magen veröffentlichte die Befunde seiner Ausgrabungen am Garizim, “eine Sensation”: Auf dem Berg wies er Spuren eines gewaltige, Heiligtums nach, das vor 2500 Jahren von einer 96 mal 98 Meter großen Mauer befriedet wurde.
Dagegen sei der Tempel von Jerusalem “zu jener Zeit allenfalls ein simpler Kubus” gewesen.

Knochenreste von Opfertieren, Inschriften und Artefakte verweisen eindeutig auf das Tetragramm JHWH und lassen es zu, die Ausgrabungen eindeutig zu identifizieren. Die Schlussfolgerung: “Nur 50 Kilometer von Jerusalem entfernt stand ein gigantisches Gegenheiligtum”.

Das Volk der Israeliten gespalten in einem religiösen Konflikt um ein Kult- und Opfermonopol, der mit aller Härte und Gewalt ausgetragen wurde?

Wie immer sind Sorgfalt und Vorsicht angebracht, gerade bei der Datierung von Funden und Gebäuderesten. Schließlich wurde die exponierte Stelle von vielen genutzt: Unter Kaiser Hadrian (der ab 117 n.Chr. regierte) wurde auf dem Berg ein Zeus-Tempel errichtet; und um 484 n. Chr. stand dort eine christliche Kirche.

Es trifft aber auch zu, dass der Garizim  im Johannesevangelium (Joh 4,20 Schl) als Ort der JHWH-Anbetung durch die Samaritaner genannt wird; diese Bedeutung hat er für die Samaritaner bis heute behalten.

Von einem Glaubenskrieg zu biblischen Zeiten ist die Rede. Falls sich dies erhärtet, trug die Jerusalemer Fraktion den Sieg davon, obgleich die ganze Region um den Garizim schon zu Abrahams Zeit eine wichtige Bedeutung hatte. Von ihm aus nahm ‘Gottes eigenes Volk’ ihr gelobtes Land in Besitz und errichtete auf dem Berg ein Heiligtum aus weiß getünchten Steinen [Je nach Bibelübersetzung berichtet 5 Mose 27 mal vom Berg Ebal, mal vom Garizim, der im Arabischen Dschabal Dscharizīm genannt wird]. Dies sei „der Ort, den der Herr erwählt hat“, heißt es in den Schriftrollen, die vor etwa 2000 Jahren in Qumran angefertigt wurden.

Dass zu es einem Konflikt kam, ist auch der hebräischen Bibel zu entnehmen – doch wird der Garizim dort keineswegs als „erwählter Ort“ gehandelt.

Aus heutiger Sicht erscheint es ‘normal’, dass getrennte Volksgruppen jeweils eigene Kultstätten und –zentren errichteten, wo sie ihre Gottheit anbeteten und Rituale zelebrierten. Offensichtlich existierten parallel mehrere Tempelanlagen.

Für manche geht es aber darum, “Unwahrheiten und Verfälschungen” in der Bibel aufzuspüren und zu verwerten – meiner Einschätzung nach schwingt bei solchen Bewertungen immer ein Stück religiöser Ideologie mit. Diese – womöglich etwas voreilige – Genugtuung findet sich beispielsweise auch hier:

Die Tempelaristokratie in Jerusalem habe das Alte Testament teilweise so redigiert wurde, wie es ihr am besten passte:

Die Heilige Schrift der Juden und das Alte Testament der Christen unterliegen also streckenweise Fälschungen und Geschichtsglättungen. … […] König David und der Tempel des Salomon sind fromme Erfindungen einer Jerusalemer Priesterkaste, die neidisch auf Tempelanlage und Einfluss jener Gruppe schauten, die den Berg Garizim als Ort ihres Heiligtums gewählt haben und nicht den Berg Zion.”

Streit ist vorprogrammiert und wird durch voreilige Pro-/Contra-Werturteile zur Faktenlage zwangsläufig noch angefacht. Auch der SPIEGEL-Artikel hat einen vorwiegend provokativen Unterton - genau das, was wir in einer Zeit brauchen, in der sich religiöse Gemüter leicht erhitzen.
Prompt findet sich auf theoblog.de
ein Beitrag, der die gegenteilige Position vertritt und argumentiert. Darin wird die These von Peter van der Veen (“
Biblische Archäologie am Scheideweg”) angeführt, der die Verfälschung des biblischen Textes als “reine Spekulation” abtut und hierfür Belege benennt.-

Dass Geschichtsschreibung, ob sie nun religiös motiviert ist oder nicht, stets subjektiv und selektiv ausfällt, ist nun wirklich nicht neu.
Auch ist es m.E. längst kein Geheimnis mehr, dass manche der frühen Bücher des A.T. während des babylonischen Exils inhaltlich verändert und idealisiert wurden. Davon gehen nicht allein ‘anti-christliche’ Kräfte aus, sondern z.B. auch die Verfasser der Stuttgarter Erklärungsbibel. Darin heißt es etwa:

  • “Die Mosebücher sind aus Überlieferungen der unterschiedlichsten Art zusammengewachsen, aber sie bilden in ihrer heutigen Endgestalt eine Einheit.
  • Gegen Mose als Verfasser der 5 nach ihm benannten Bücher spreche, dass das Pentateuch (‘Fünf-Buch’) “starke stilistische Unterschiede und inhaltliche Unausgeglichenheiten aufweist, wie sie beim Werk eines einzigen Autors nicht zu erwarten sind. Der Pentateuch macht eher den Eindruck einer Sammlung als den einer einheitlich konzipierten Niederschrift.”

Mindestens drei Theorien zur Entstehungsgeschichte des A.T. wurden entwickelt, die sich u.a. an den unterschiedlichen Gottesbezeichnungen (JHWH/Elohim) orientieren:

Die Urkundenhypothese1) nahm an, dass drei oder vier eigenständige Geschichtswerke planvoll vereint und ineinander verflochten wurden. Nach der Fragmentenhypothese wuchsen dagegen zahlreiche Einzelüberlieferungen allmählich zusammen, indem sie sich an das Deuteronomium (5. Mose) anlagerten. Die Ergänzungshypothese schließlich rechnet damit, dass eine planvoll aufgebaute elohistische Quelle durch Texte aus einer ‘jahwistischen Quelle’ ergänzt wurde.

Die Forschungen hierzu, welche bisweilen recht spekulativ anmuten, sind noch nicht an einem Endpunkt angelangt. Man nimmt heute – außerhalb der fundamental-wörtlichen Auffassung des AT - aber allgemein mehrere Quellen an, aus denen denen nachträglich ein Gesamtwerk geformt wurde.

Dabei wurde ein Teil der Textinhalte inhaltlich verändert. Im babylonischen Exil um 520 v.Chr. entstand eine neue, umfassende Geschichtsdarstellung aus der Perspektive priesterlicher Theologie.

Diese Priesterschaft “wollte dem Volk Israel durch eine aktualisierende Deutung seiner Geschichte eine Sinnperspektive zu vermitteln, die über die Katastrophe des Untergangs und des Exils hinaus Bestand hat.”

Das gebeutelte und mehr als einmal verschleppte Volk der Israeliten sollte zu einem Zusammenhalt finden, was durch einen einheitlichen Glauben und eine zentrale Kultstätte gefördert werden sollte. Die Priester formulierten eine Heilsgeschichte, um diesem Ziel einen Unterbau zu liefern und ihren eigenen Anspruch (als einziges von der Gottheit gewolltes, erbliches Priestertum) zu unterstreichen.

Die Erzählung gipfelt bei König Salomo, der in Jerusalem 180.000 Arbeiter zusammengezogen habe, um einen einzigartigen Tempel aus Zedernholz zu errichten, „vollständig mit Gold überzogen“.
Diese Angaben sind historisch allerdings umstritten, denn Informationen über den salomonischen Tempel finden sich nur in der Bibel. Unabhängige historische Zeugnisse sind bislang nicht bekannt – und auch archäologisch ist ein Tempel aus der Zeit Salomons nicht nachweisbar.
Sogar die Frage, ob
Salomo als historische Person gelten kann, ist wie bei seinem Vater David unklar. Es fehlt an Belegen außerhalb der biblischen Tradition. 

Dagegen ist die Existenz einer beeindruckenden Tempelanlage auf dem Garizim nicht zu bestreiten. SPIEGEL-Autor Matthias Schulz spricht von “Wallfahrten mit Massenandrang”, welche die Bibel ganz verschweige.
Im Jahr 128 v.Chr. wurde das gesamte Heiligtum von der Armee des jüdischen Fürsten Johannes Hyrkanos zerstört und seitdem nie wieder aufgebaut. Auch diesen Zerstörungsakt konnten die Archäologen belegen – die Ausgräber fanden eine „Feuersbrunstschicht dazu Pfeilspitzen, Schwerter, Dolche und Wurfbleie”.

Was mich wieder einmal stört, ist die Polarisierung – wie sie hier auch im SPIEGEL betrieben wird. Es gibt neue Erkenntnisse aus einer neuen Faktenlage – das ist zunächst einmal positiv (für alle Menschen, die unbelastet von Dogmatismus möglichst viel über die Geschichte zu erfahren wünschen).
Dabei sind einseitig-negative Bewertungen durch eindeutig besetzte Begriffe wie “Unsinn” oder “Verfälschung” so nutzlos wie ein Kropf – egal wer sie verwendet. Eben sowenig hilft es, eine veränderte Faktenlage nicht wahrnehmen zu wollen.

Wo mag die Motivation eines ‘unabhängigen überparteilichen Wochenmagazins’ liegen, wenn es erheblichen Aufwand treibt, eine ‘Legendensammlung’ zu widerlegen? Besteht eine Veranlassen, den biblischen Texten grundsätzlich Misstrauen entgegen zu bringen, ansonsten aber jede Textquelle als zutreffend einzustufen – obwohl Fachleute sich abwartend verhalten.
Die Qumran-Rollen stammen von Leuten, die kaum weniger subjektiv formulierten als die Autoren des A.T.
Geht es vielleicht um den Versuch, die Bibel insgesamt als unmaßgeblich in jeglicher Hinsicht erscheinen zu lassen?

Zu differenzieren ist zwischen einer universalen Weisheitslehre der Bibel einerseits (die sich für mich allerdings aus dem NT erschließt) und der religiös-kulturellen Überlieferung von Völkern auf der anderen Seite.-

Längst sind auf dem Garizim noch nicht alle Funde ausgewertet – und in Jerusalem (erst recht auf dem Tempelberg) sind archäologische Untersuchungen ohnehin nur sehr eingeschränkt erlaubt, wenn überhaupt. Damit stehen offensichtlich noch nicht alle Quellen (z.B. mögliche Nachweise zugunsten oder entgegen der Existenz von Salomons Tempel)  zur Verfügung, um ein endgültiges Bild der Geschichte Israels zeichnen zu können.
Was wir wissen, ist stets vorläufig gültig – kein guter Anlass, um sich als Inhaber der einzigen Wahrheit aufzuspielen.

Im Grunde ist es doch immer dasselbe: “Ich habe recht und du nicht. Mein Glaube ist einzig wahr und du wanderst in die Hölle.” Wobei Atheismus und agnostisches Denken gleichfalls als Glaube zu betrachten sind.
Jede Möglichkeit des Diskreditierens der ‘anderen’ ist da hochwillkommen.

Nicht nur die Bibel lehrt etwas anderes.

Freitag, 6. April 2012

Bibelstudium mit Plan und Software

Eine Frage der Motivation?

Bibelstudium ist absolut eine Sache der Motivation. Wenn wir etwas wirklich tun wollen, finden wir in unserem Leben auch die nötige Zeit dazu”, schreibt William MacDonald in seinem Einführungsbuch zur Bibel.

Tja, “keine Zeit” ist kaum ein sinnvolles Argument – in allem was wir tun, kommt es auf unsere Prioritäten an. Doch worin könnte die Motivation liegen, die Bibel vollständig zu lesen – für jemanden, der weder einer Religionsgemeinschaft angehört noch in eine spirituelle Schublade passt? 

Und wie sollte man es anstellen, bei diesem über eintausend Seiten starken, stellen weise "echt anstrengenden" Buch nicht auf halber Strecke entnervt aufzugeben?



Sonntag, 18. März 2012

Die Entdeckung des Himmels v. Harry Mulisch

"Müsste, um die Welt zusammenzuhalten,
nicht eigentlich immer jemand ununterbrochen
auf sie schauen?"


Buchverfilmungen bergen mitunter das Risiko, enttäuscht zu werden - sofern man das Buch schon vorher gelesen hat, bevor man sich den Film anschaut. Glücklicherweise bin ich erst über die Verfilmung ‘Die Entdeckung des Himmels’ erst auf den Geschmack gekommen, den gleichnamigen Roman von Harry Mulisch zu lesen. 
Zwei Engel steuern und kommentieren zugleich das Leben der beiden niederländischen Freunde Max Delius und Onno Quist. Das Handeln der Engel und die Leben der Protagonisten dienen einem höheren Ziel: 
Gott hat (mal wieder) die Nase voll von der destruktiven Menschheit, weil sich kaum noch wer an die Zehn Gebote hält. Er beabsichtigt die Auflösung des Bundes zwischen ihm und den Menschen, der durch die Übergabe zweier Tafeln mit den Zehn Geboten an Mose auf dem Berg Sinai geschlossen wurde. 




    Dienstag, 28. Februar 2012

    Das einzige Wort Gottes?

    Kommuniziert Gott heute nicht mehr mit uns?

    Nichts liegt mir ferner als gläubige Menschen – gleich, welchem Glauben bzw. welcher Religion sie sich verbunden fühlen - vor den Kopf zu stoßen. Doch stelle ich mir selbst die Frage, weshalb Gott in Rätseln sprechen sollte.
    Das Christentum, der Islam und auch die jüdische Religion entwerfen ein Bild von Gott als dem Einen - der allmächtig und allwissend sei. Bisweilen kommt auch das Attribut 'allgütig' zu sein hinzu, wobei ein Maßstab wie 'all-gütig' zu sein sich nach meinem Verständnis auf ausnahmslos alle Menschen erstrecken würde, und zwar im Sinne einer bedingungslosen (aber nicht beliebigen, jeder Kausalität widersprechenden) Güte. 

    Ist es nicht eher so, dass Gott kaum durch Kategorien des unvollkommenen menschlichen Denkens erfasst werden kann? Wir Menschen sind auf unserer gegenwärtigen Stufe seelisch-geistiger Reife darauf angewiesen, dass Gott mit uns kommuniziert, damit wir Teile seines Wesens erfahren – in dem Umfang, wie dies gewünscht ist und zugelassen wird. Wie Gott mit uns kommuniziert – durch Worte, Visionen oder durch Erfahrungen – ist eine andere Frage, die meines Erachtens nur subjektiv zu beantworten ist.



    Dogmatische Lehren besagen allerdings, dass die religiösen Urschriften der drei abrahamitischen Religionen das jeweils ‘einzige und einzig wahre Wort’ Gottes darstellen, durch das er der Menschheit auch seine göttlichen Weltordnung vorgegeben und eröffnet habe. Falls diese Exklusivität zuträfe - weshalb spricht Gott in Rätseln?


    Kaum sein Religionsgelehrter im Islam oder Christentum bestreitet, dass man Teile von Bibel und Koran unterschiedlich interpretieren kann. Zudem bestand stets Unklarheit, welche der überlieferten Elemente denn nun wirklich zu 'Gottes Wort' zählen. Von unterschiedlichen Übersetzungen ganz zu schweigen... Würde ein Überwesen wie Gott (entsprechend dem christlichen und islamischen Gottesbild) nicht sicher stellen, dass sein Wort und Gesetz in eindeutiger, unwiderlegbarer übermittelt wird?
    Daran besteht für mich kaum ein Zweifel:

    Wäre die Intention, dass die Menschen seinem Gesetz widerspruchlos und womöglich unreflektiert Folge leisten, dann hätte jene höchste Wesenheit seine Gebote ein für alle mal so fixiert, dass sich Interpretationen und Streitigkeiten darüber erübrigen... vorsätzliche Manipulationen wären dann ebenso undenkbar wie versehentliche Transkriptionsfehler kämen.
    Ausgehend von den Dogmen der drei Religionsgemeinschaften von den biblischen Schriften oder dem Koran als einzigem Wort Gottes - seit dessen Fertigstellung hülle er sich ganz und gar in Schweigen - sah und sieht die Realität bekanntermaßen anders aus! Jene Worte präsentieren sich uns nicht in eindeutiger, widerspruchsfreien Weise (wobei ich weniger auf deren Inhalt anspiele als auf die unterschiedliche Akzeptanz und Sichtweise der Menschen sowie die resultierenden, oft tödlichen Auseinandersetzungen darüber)!



    Aus welchem Grund sollte Gott seine einzigen, unvergänglichen Worte auf so kryptische Weise offenbart haben?? Die Vielfältigkeit und Interpretierbarkeit der als von Gott inspiriert bezeichneten Schriften betrachte ich als Indiz dafür, dass den Menschen zu jeder Zeit dem individuellen Verständnis angemessene Impulse, Denkanstöße und Erfahrungsmomente zuteil werden.

    Auch die religiösen Urschriften lassen sich unter anderem als alternative Wege auffassen, von denen sicherlich nicht einer zutreffend ist während alle übrigen falsch sind, soweit sie von diesem einen Weg abweichen. Gott ist so viel größer als unser menschliches 'Entweder...Oder'-Denken. In seiner Theologie der Religionen liefert uns Wolfgang Raupach-Rudnick mit einer hilfreichen Metapher einen passablen Ansatz zur 'Kohärenz' der Religionen:


    "Der Weg von diesen traditionellen Haltungen der Ablehnung bzw. der Unterordnung des Fremden hin zu einer anerkennenden Theologie der Religionen geht, so weit ich sehe, über drei Brücken:
    1. Auf der ersten Brücke steht: „Es gibt viele Religionen; sie sind historisch gewachsen und relativ.“ Das ist die Einsicht, dass die Lehren und Erscheinungsformen jeder Religion – bis hin zu den zentralen Offenbarungen –durch ihren Entstehungszusammenhang und ihre Entwicklungsgeschichte geprägt sind.
    2. Auf der zweiten Brücke steht: „Die Geheimnisse Gottes sind unergründlich.“ Das ist die Einsicht, dass keine konkrete Religion mit ihrer Wahrheitsgewissheit die ganze Fülle der Wahrheit Gottes ausschöpfen kann.
    3. Auf der dritten Brücke steht: „Ethos“. Das ist die Einsicht, dass alle Religionen über Verhaltensregeln und Normen verfügen, die ihr Zusammenleben regeln, und ist die Hoffnung, angesichts der drängenden Weltprobleme könne es ein Zusammenwirken über die Religionsgrenzen hinweg geben."
    Die aus den Schriften wie auch aus Alltagserlebnissen erwachsenden Impulse sollen uns in Verbindung mit unserem persönlichen Erfahrungsschatz dazu veranlassen, sowohl unseren kritischen Verstand zu nutzen (um aus Einsicht zwischen Richtig und Falsch zu wählen) als auch Erfahrungen und Lernelemente zu verinnerlichen. Insoweit wäre religiös motivierte Moral ohne ein Fundament der Vernunft sinnfrei – wenn nicht gefährlich.


    Nüchterne Vernunft dagegen zerstört Hoffnungen, wenn sie nicht durch spirituelle Elemente angereichert ist. Wie jeder Pädagoge weiß, dauert ein solcher Lernvorgang durch Konsequenzen, Erfahrungen und Einsichten länger (mehrere Lebensperioden?) und ist auch beschwerlicher als das Befolgen auswendig gelernter Befehle.
    Doch das auf diesem Wege Verinnerlichte bleibt uns erhalten, wir nehmen es in unser Verhaltensrepertoire auf und gewinnen die Fähigkeit zum Transfer des Erlernten auf unbekannte Herausforderungen.



    Ohne die Existenz Gottes zu bezweifeln, vermag ich mit Blick auf die vermeintliche Exklusivität der Religionen, ihrer Schriften und Gottesbilder nicht zu erkennen, weshalb ein überlegener Schöpfer sich in derart unklarer Weise artikuliert haben soll. Die Realität einer zerstrittenen und mit Defiziten behafteten Menschheit beweist, wie viele zentrale Lebensfragen aus unserer Wahrnehmung heraus nicht oder zumindest nicht eindeutig beantwortet sind. Wären Bibel oder Koran das einzige Wort Gottes, hätte dieses bis heute eine eher zweifelhafte Wirkung entfaltet, Kriege begünstigt und unzulänglichen, in Eigeninteressen verhafteten Institutionen zu Macht und Reichtum verholfen.


    Ein anderes Bild entsteht, wenn wir gerade dieses Versagen und Scheitern unserer Erkenntnisbemühungen als ‘einkalkulierte’ Intention auffassen - gleichsam als langen, gründlichen Weg des Lernens – nicht zuletzt in Bezug auf unsere Potenziale und deren Grenzen. Eine Art ‘göttliches Grundgesetz’, unwiderlegbar und über allem anderen stehend, würde eine derartiges Lebensziel (‘Erkenne dich selbst und lerne’) nicht unterstützen, sondern behindern und begrenzen.


    Freilich dürfte so etwas wie ein universales, göttliches Gesetz existieren - vielleicht im Sinne einer Reihe fundamentaler Prinzipien...wie etwa die Gesetzmäßigkeiten der Energieerhaltung und der Kausalität (Ursache und Wirkung). Sobald wir verstehen, dass jeder unserer Handlungen ebenso wie unsere Unterlassungen zu Konsequenzen führt, wird unser Dasein leichter verstehbar und erhält eine Sinngebung.


    Fazit

    Ausgehend von diesen Überlegungen bezweifle ich, dass Gott es uns so leicht macht und jedem von uns ein fertiges, eng definiertes Lebensrezept liefert. Warum sonst würden auch die gläubigsten und bibel-/ korantreuesten Menschen mit Lebenssituationen konfrontiert, wo das Befolgen des jeweils verehrten Buches nicht ausreicht, um sie zu meistern?


    Weil wir geistig und selig wachsen sollen, solange (und wann immer) wir leben. Ausübung unseres freien Willens eröffnet uns die dazu erforderlichen Wahlmöglichkeiten samt resultierender Konsequenzen.


    Auf diesem langen, schwierigen Weg des Lernens und Verstehens sind Teile der Bibel (beginnend mit den 10 Gebote im Kindesalter, erweitert durch die Bergpredigt für Erwachsene, könnte man beinahe sagen) und sicherlich auch des Korans eine wertvolle Hilfe...doch bleibt es kaum jemandem von uns erspart, auch die eigenen Fähigkeiten zu nutzen und zu erweitern, um unser Dasein zu meistern.-


    Siehe auch:

    Sonntag, 26. Februar 2012

    Grausamer, liebender Gott? Die Frage nach dem 'richtigen' Gottesbild

    "Das richtige Gottesbild" - Vortrag von Gerhard Padderatz

    Gott muss oft dann herhalten, wenn die Menschen einen Schuldigen brauchen. In einer 'schlechten' Zeit mit Naturkatastrophen und wirtschaftlichen Krisen nimmt die Religiosität allgemein zu, weil Gott als Urheber dieser Unglücksfälle angesehen wird bzw. weil man sich Hilfe von ihm erhofft. Der Vortrag von Gerhard Padderatz beschäftigt sich mit einer Reihen von Anekdoten des A.T., in denen der biblische Gott als Urheber von Kriegen und ethnischen ‘Säuberungen’ dargestellt wird. Mit dem ‘lieben Gott’ nach heutigem Verständnis sind sich solche Episoden kaum kompatibel.

    Ist es wirklich Gott, der für diese Grausamkeiten verantwortlich ist? Wenn er wirklich gütig und barmherzig ist, warum sollte Gott dann die Freundschaft und Liebe zu ihm mit der Drohung 'Liebt mich, oder ich foltere euch für alle Zeit' erzwingen (und damit seit so vielen Jahren gescheitert sein)?
    In den meisten christlichen Gemeinschaften herrscht die Vorstellung von einem distanzierten, strengen Gott vor, der je nach Laune (und wen er vor sich hat) auch mal barmherzig ist. Jedenfalls resultiert diese Vorstellung aus der Lektüre der Bibel, sofern man die 'unangenehmen' Kapitel nicht ausblendet.
    Dass Gott sich nicht ständig über die Kausalität hinweg setzt und in das Geschehen von Ursache & Wirkung der materiellen Welt einmischt, scheint mir persönlich einleuchtend. Daraus folgt auch, dass nicht jedes Gebet erhört wird - und dass es manchmal wohl auch ganz hilfreich sein mag, wenn ein Gebet nicht zum sichtbaren Erfolg führt. Doch mit dem Bestrafungskonzept, insbesondere die Idee einer ewigen Strafe für 'Sünder und Ungläubige', tue ich mich ausgesprochen schwer - wie auch mit der biblischen Behauptung, Gott habe sowohl die Ausrottung ganzer Völker befohlen als auch die grausame Steinigung einzelner.
    Wer die ganze Bibel liest, stellt fest, wie oft in ihr von Strafe, Vernichtung und auch Rache die Rede ist. Die Frage „Können wir Vertrauen haben zu einem Gott, der mit Feuer und Tod droht?" ist somit durchaus naheliegend. Lautet die Botschaft des biblischen Gottes tatsächlich "Wenn ihr mich nicht liebt, werde ich euch vernichten?“
    Hier wiegen die Furcht einflößenden Berichte der Bibel schwerer als die Geschichten über die Liebe Gottes zu den von ihm Auserwählten. Kann man so einem Gott blind vertrauen und sich wünschen, dass sein Wille geschehe? Intuitiv wissen wir: zwar lassen sich Gehorsam und Unterwerfung durch Androhung von Gewalt erzwingen, nicht aber wirkliche Freundschaft oder gar Liebe. Doch Gott agiert im A.T. so, und auch Jesus sagt seinen Jüngern deutliche Worte:
    „Dies ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt.“ Und dann fügt er noch hinzu:
    „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete.“
    Johannes 15,12;15,14
    Warum spricht Gott so? Sollte man annehmen, die Menschen damals hätten keine andere Sprache nicht verstanden? Konnten sie nicht glauben, dass sie Freunde Jesu und Freunde Gottes sein durften? Sollte Gott dieses Wesensmerkmal des Menschen nicht verstehen oder einfach ignorieren?

    Das richtige Gottesbild - Ist Gott grausam? Gibt es eine Hölle?




    (Auch dieses Buch mit dem Titel "Knechte oder Freunde?" thematisiert die zentralen Fragen, die viele Menschen sich in Bezug auf das Konzept 'Glaube durch Strafe' stellen: 
    „Wenn du möchtest, dass wir deine Freunde sind, warum ist dann ein großer Teil der Bibel so geschrieben, als wären wir Knechte, die einfach nur zu gehorchen haben, und das unter Androhung von Strafen?"
    Leider ist die gegebene Antwort nicht von der gleichen Güte wie diese Fragen: Letztlich läuft sie darauf hinaus, dass wir die Beweggründe Gottes nicht verstehen können und ihm deshalb vertrauen sollten. 
    "...Gott liebt die Menschen so sehr, dass er es riskiert, vorübergehend gefürchtet und sogar gehasst zu werden, wenn er dadurch vielleicht verhindern kann, seine Kinder ganz zu verlieren.")
    Der Bibeltext „Wen der Herr lieb hat, den züchtigt er“ werde leichter begreiflich, wenn in der Übersetzung anstelle 'züchtigen' die Verben 'erziehen, trainieren oder korrigieren' verwendet werden. Die in der Bibel genannten Grausamkeiten werden dadurch für mich nicht nachvollziehbar, sofern diese Gott überhaupt zugeschrieben werden sollten.
    So weit bin ich einverstanden: Unser gesamtes Leben unter anderem dient dazu, zu lernen oder besser gesagt, bestimmte
    Einsichten durch Erfahrungen und  zu verinnerlichen. Doch dazu bedarf es keiner übernatürlichen Strafe, das Prinzip der Kausalität ist mehr als ausreichend: Zu realisieren, dass eigene Entscheidungen und Handlungen immer zu adäquaten Konsequenzen führen, wird (früher oder später) so manche Verhaltenskorrektur bewirken.

    Auf diese Weise mag jeder von uns irgendwann an den Punkt gelangen, der im Film von wenn Neale Donald Walsch reichlich plakativ dargestellt ist (Ich meine die Szene, wo Walsch sich an einem weiteren Tiefpunkt seines Lebens befindet und sich plötzlich die Stimme Gottes (mit viel Hall) die Worte an ihn richtet: „Hast du endlich genug?“):
    Bestimmte Erfahrungsmomente werden uns immer wieder aufgetischt, bis wir 'es' kapieren...
    Bleiben wir noch etwas bei Walsch's Film 'Gespräche mit Gott'. Obwohl die Symbolik bisweilen platt (oder sogar ‘erbärmlich’?) ist, sind darin einige wesentliche Aussagen zum richtigen oder falschen Gottesbild enthalten. Einige Zitate, sinngemäß wiedergegeben:
    “Ihr habt die Elternrolle auf Gott projiziert ... und seid so zu einer Vorstellung von Gott gelangt, der richtet, belohnt oder bestraft. ... Die auf angst gegründete Realität beherrscht die Erfahrung von Liebe. Brauchst du die Angst, um dass zu tun was an sich gut und richtig ist? Muss dir gedroht werden, damit du gut bist?
    Du selbst legst die Richtlinien fest. Liebe ist Alles, aber in schwierigen Zeiten zieht ihr vor, das zu vergessen.”
    Rhetorische Fragen, welche die Idee wirksam entkräften, dass ein gütiger und allwissender Gott seine bewussten Geschöpfe individuell strafen sollte. Was könnte auch durch grausame Zwangsmaßnahmen erreicht werden - vor allem nach dem irdischen Leben, wenn sich jeder pädagogische Zweck erledigt hat? Und vorher: Kaum mehr als eine äußerliche Verhaltensanpassung, geboren aus Angst und Unterwürfigkeit, bestenfalls Erfurcht.
    Doch kein noch so mächtiger Schöpfer wird Empfindungen wie Liebe und ehrliche Dankbarkeit ihm gegenüber mit brutalem Zwang erzeugen.
    Eine tiefgreifende innere Veränderung benötigt zudem Zeit und vor allem Selbst-Erkenntnis. Sie kann von außen unterstützt, aber niemals herbeigeführt werden. Für mich ist nicht erkennbar, warum ein alles wissender Gott, der uns besser kennt als wir uns selbst, diesen Umstand übersehen sollte.

    Sollte ich dich bestrafen, weil du eine Wahl getroffen hast, vor die ich dich gestellt habe?”
    Eine Fragestellung reicht im Grunde als Richtschnur für alles Handeln im Leben aus: Was würde die Liebe jetzt tun?
    Erfahrung sei das primäre 'Kommunikationsvehikel' Gottes, heißt es an anderer Stelle bei Walsch. Als Folge des Ignorierens unserer Erfahrung durchlebten wir sie stets von neuem. Säen..ernten… säen..ernten ...
    Bibeltreue Christen sehen das verständlicherweise anders: Der Herr sei eifersüchtig, er  habe Verehrung und Respekt eingefordert, sogar erzwungen ... ein so kleinmütiger Gott ist für mich nicht vorstellbar, jedenfalls nicht als ein unendlich mächtiger, wissender und schöpfender Geist.
    Indessen sind die uns grausam erscheinenden Bibelstellen nicht weg zu diskutieren, manche von ihnen beziehen sich auf reale Ereignisse. Ich habe keinen Zweifel daran, dass von Menschen begangene Taten wie Folter, Morde und Vernichtung dem biblischen Gott JHWH in die Schuhe geschoben wurden.
    Wurde hier der Versuch unternommen, diesen Gott für politische Zwecke zu instrumentalisieren und menschliches Verhalten durch seine ‘Intervention’ zu rechtfertigen? Für mich bleibt es bei meiner Überzeugung, dass Gott nicht grausam ist.

    (Falls es aber so etwas gäbe wie ‘Halbgötter’ – Wesenheiten, die zwar nicht allmächtig, uns Menschen dennoch weit überlegen sind und zudem eigenständige Ziele verfolgen, dann entstünde ein anderes Bild.)
    In diesem Zusammenhang ist auch die Frage zu stellen, ob wir Menschen uns bisweilen nicht viel zu wichtig nehmen. Seit wenigen Jahren erst nimmt die Astrophysik zur Kenntnis, dass Sterne wie die Sonne mit einer Reihe von sie umgebenden Planeten der Normalfall im Weltall zu sein scheint. Solange man nur die Sterne, nicht aber die Planeten beobachten bzw. durch Messungen nachweisen konnte, glaubte man an die Einzigartigkeit unseres Sonnensystems.
    Wenn aber eine Vielzahl solcher Konstellationen existiert, haben sich womöglich auch Milliarden von Zivilisationen bewusster, intelligenter Lebensformen entwickelt. Dieser Gedanke ist tröstlich und verwirrend zugleich: wir Menschen wären, träfe er zu, zwar nicht einsam in einem riesigen, ansonsten unbelebten Universum – aber wir wären dann sicher nicht länger die Krone und das Zentrum der Schöpfung:
    “Das ist die große Illusion, der du anheimgefallen bist: Du glaubst, dass Gott sich auf die eine oder andere Weise darum bekümmert, was du tust. ...bekümmert es dich denn, was deine Kinder tun, wenn du sie zum Spielen hinaus schickst? Ist es für dich von irgendwelcher Bedeutung, ob sie Fangen oder Verstecken oder Ochs am Berg spielen? Nein - und zwar weil du weißt, dass sie sich in Sicherheit befinden. Du hast sie in eine Umgebung gebracht, die nach deinem Dafürhalten freundlich und ausgesprochen in Ordnung ist. Selbstverständlich wirst du immer hoffen, dass sie sich nicht verletzen.
    Und wenn es geschieht, bist du da und hilfst ihnen, heilst sie, lässt sie sich wieder sicher fühlen, wieder glücklich sein und wieder hinausgehen und einen weiteren Tag mit Spielen verbringen.
    Der wirkliche Trost dieser Aussage liegt für mich aber in einem anderen Umstand: Auch wenn wir dies gegenwärtig nicht erfassen können, kann uns (unserer unvergänglichen Seele) nichts wirklich Schlimmes geschehen – denn letztlich ist da ‘jemand’, der auf uns aufpasst – auch wenn ‘er’ nicht erkennbar reagiert, wenn wir von Zeit zu Zeit stolpern oder straucheln...