Sonntag, 12. Dezember 2010

Fragwürdige Sicht der Jahre 1933 - 1945

Im Web findet sich ein als Dokumentation getarnter, meines Erachtens überaus manipulativer Beitrag mit dem Titel "Hitlers Krieg? Was Guido Knopp verschweigt".

Hitler wird darin als abrüstungs- und friedenswilliger Staatsmann dargestellt, der sich durch das Verhalten der Siegermächte gezwungen sah, die Reichswehr zu vergrößern und zu modernisieren. Der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich sei eine 'logische Konsequenz' aus der Geschichte - zudem, so wird der Eindruck erweckt, habe man dort auch innenpolitisch nach dem Rechten sehen müssen...

Und der Überfall  auf Polen wird skizziert als Notwendigkeit, um die 'wirtschaftliche Strangulation Ostpreußens' zu unterbinden. Zuvor sei Hitler den Polen in 'vielen territorialen Fragen entgegen gekommen' (->Danzig). Übergriffe auf in Polen lebende "Volksdeutsche" und Flak-Beschusse auf zivile Flugzeugehötten Hitler zu einer Art 'Präventivschlag' motiviert.

Danach folgt eine geradezu widerwärtige Sequenz - unter den Klängen 'fröhlich-schwungvoller Kampflieder und Märsche werden Szenen des Vormarsches deutscher Soldaten aneinander gereiht. Natürlich lächeln die Soldaten auf einigen Bildern - noch!

Den späteren Alliierten wird anhand eines Churchill-Zitates (von dem ich ausgehe, dass es in einem falschen zeitlichen Zusammenhang platziert ist) unterstellt, sie hätten bereits1938/39 die Absicht besessen, die deutsche Wirtschaft "vollständig zu zerschlagen".
Trotz alledem können selbst die Verfasser dieser eigentümlichen Geschichtsschreibung nicht verhehlen, dass Hitler massiven Druck auf Polen ausgeübt hat, um Gebietsverluste Deutschlands nach dem 1. Weldkrieg zu kompensieren - ein Verstoß gegen internationale, völkerrechtlich bindende Vereinarungen.
Nebenbei wird geschickt dargelegt, Menschenrechtsverletzungen seien 'auf beiden Seiten' eingetreten - und die Strategie der 'verbrannten Erde' (Zerstörung von Infrastruktur und Ressourcen, um den Vormarsch des Gegners zu behindern) sei erstmals von polnischer Seite verfolgt worden...all dies klingt nach einem hohlen Rechtfertigungsversuch.

Doch es gibt ja noch viel mehr zu 'argumentieren'. Die Schwierigkeit dabei ist 'nur', dass die Initiative zur militärischen Aggression unwiderlegbar von deutscher Seite ausging. Also wird 'folgerichtig' Hitlers Deutschland als 'von Feindstaaten mit militärischen Absichten' umgebenes Land dargestellt, das von einer präventiven Maßnahme zur nächsten gezwungen wird.
Nach weiteren erfolglosen Friedensangeboten an die Westmächte ("sie bekämpften nicht den Nazisms, sondern das Deutsche Reich") habe man genug gehabt. "Man hatte die Nase voll von Friedensangeboten...Nun musste der Kampf bis zum bitteren Ende geführt werden.")

Stalin habe die Absicht verfolgt, die gegenseitige Schwächung der Kriegsparteien abzuwarten und Deutschland dann anzufallen. Dem habe man aus einer Position der Stärke heraus vorbeugen müssen. "Hitler befiehlt den Angriff, um nicht selbst überrollt zu werden." Und welcher zynischen Notwendigkeit folgte der Befehl, rücksichtslos gegen die russische Zivilbevölkerung vorzugehen? Was wird als zynischer Anlass vorgeschoben, dass hinter der Front eigens dazu zusammengestellte SS-Verbände Alte, Frauen und Kinder ermordeten? Nichts, denn der Focus wird auf die 'unvorstellbare Grausamkeiten russischer Partisanen' gelegt. "Partisanen gleich welchen Landes verstoßen gegen die Haager Landkriegsordnung..."Somit sei die 'Hinrichtung von Partisanen völkerrechtlich legitimiert' gewesen. Kriegsverbrechen auf deutscher Seite werden so relativiert, wenn sie sich schon nicht ganz verschweigen lassen.
Der Hass gegen die deutschen Besatzungstruppen sei geschürt worden, in dem russische Spezialkommandos in deutschen Uniformen die eigene Zivilbevölkerung ermordet und deren Lebensgrundlagen zerstört hätten. Dann der russische Winter - "allen Unbillen zum Trotz kämpften sich die deutschen Einheiten vor Moskau vorwärts", bis Stalingrad eine Wende brachte, mit der man eigentlich hätte rechnen können.

Der Afrika-Feldzug - 'sozusagen Staatsräson', um den Bündnispartner Italien vor einer drohenden Niederlage zu bewahren.
Die Jahre 1943 bis 1945 werden nur in wenigen Minuten zusammengefasst - der Holocaust bleibt gänzlich unerwähnt - um in einem abschließenden Fazit die 'hemmungslose Gier' der Siegermächte aufzugreifen. 

Sollten solche verzerrenden Darstellungen verboten werden? Nein, denn dies treibt deren Urheber nur in in die Heimlichkeit und Illegalität. Doch es ist überaus wichtig, ihnen argmentativ zu begegnen - und zwar auf eine weitaus fundiertere Weise, als ich dies hier tun kann. Indessen dient die Abfolge der Geschehnisse vor und in den Kriegsjahren als Beleg für Hitlers Kriegswunsch und -vorbereitungen:
  • Hoßbach-Niederschrift (Aufzeichnung v. Oberst Friedrich Hoßbach über eine Konferenz Hitlers am 5.11.1937 mit hochrangigen Militärs): Hitler thematisiert danach die "Raumnot des deutschen Volkes", die baldmöglichst durchexpansive Schritte überwunden werden müsse - u.a. durch Krieg. Seine Pläne zum Anschluss Österreichs und zur besetzung der Tschechoslowakei werden darin ebenfalls benannt. 
  • Das politische Testament Hitlers vermittelt einigen Aufschluss über dessen Denkweise und Motivation, selbst im Angesicht des bevorstehenden Todes. Zwar bestreitet er darin, 1939 einen Krieg beabsichtigt zu haben. Dieses Denkmuster aber, das alles Negative auf das 'Weltjudentum' zurückführtund kaum je die Schuld bei sich selbst sucht, darf beim Versuch einerAnalyse des Vorgehens Hiltlers nicht außer Acht gelassen werden.-

Dass Geschichte im wesentlichen vom Sieger geschrieben wird und die Schuld an einer militärischen Auseinandersetzung auch aus wirtschaftlichen Gründen dem Besiegten angelastet wird, lässt sich kaum bestreiten. Dennoch ist es unzulässig, wenn Entstehung, Verlauf und Folgen des zweiten Weltkrieges auf eine einseitige 'Beschreibung' politisch-militärischer Ereignisse reduziert und die eigentliche Motivation sowie die Verbrechen des NS-Regimes 'ausgelassen' werden. Dass auch Deutschlands Kriegsgegner, allen voran die stalinistische Sowjetunion, handfeste Machtinteressen und sicherlich auch offensive Ziele verfolgten, ändert nichts an den Fakten.-

Sozusagen als Vertiefung der Darstellung eines am Krieg kaum interessierten Hitlers fungiert ein Vortrag von Generalmajor a.D. Gerd Schulze-Rhondorf, der augenscheinlich darlegen möchte, die in deutschen Schulbüchern dargelegte Geschichte des NS-Staates und dessen Kriegsvorbereitungen sei zumindest teilweise verfälscht. Eine Zusammenfassung seiner Position zur Vorkriegsgeschichte findet sich hier.
  • Als konkretes Beipiel führt Schulze-Rhondorf ein recht bekanntes Hitler-Zitat v. 1939 an: " Nun ist Polen in der Lage, in der ich es haben wollte. ... wenn mir nicht noch im letzten Moment irgendein Schweinehund einen Vermittlungsplan vorlegt. ..." Dieses Zitat sei schlichtweg eine Fälschung, sagt er.
Er spricht von einer humanitären Tragödie aller Minderheiten im Polen der Vorkriegszeit, von 80.000 deutschstämmigen Flüchtlingen, die angesichts erschreckender Dransalierungen Polen in Richtung Deutsches Reich verließen. Und: Hitler habe nichts unversucht gelassen, in der Danzig-Frage und weiteren Streitigkeiten (z.B. exterritoriale Autobahnen durch Ostpreußen) eine Verhandlungslösung zu erzielen ('Pendeldiplomatie'). 
Dieser Verhandlungsmarathon werde durch die historische Aktenlage eindeutig belegt, bliebe in Schulbüchern aber unerwähnt.  

Am 30. August 1939 habe die deutsche Reichsregierung nach neun Verhandlungstagen der polnischen Regierung einen letzten 16-Punkte-Vorschlag zur Lösung der deutsch-polnischen Probleme geacht und zugleich verlangt, daß Polen noch bis Mitternacht die Verhandlungen wieder aufnehme. Auch habe Hitler dem damaligen 'Schurkenstaat Polen' Zugeständnisse in mehreren territorialen Fragen (Teschen) gemacht. 
Selbst wenn es sich hierbei um zutreffende Fakten handeln sollte - was wird dadurch bewiesen? Ändert sich dadurch die rückblickende Bewertung der Person Hitlers?
Vorherige Verhandlungsbemühungen lassen sich doch nicht anführen, um die im Krieg begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu rechtfertigen oder relativieren.

Lediglich in einem Punkt bin ich geneigt, Schulze-Rhondorf beizupflichten: Auch politische Kräfte weiterer Staaten Europas waren vielleicht nicht abgeneigt, die Frage der Vormachtstellung in Europa 'ein für allemal' zu eintscheiden - in einen weiteren Krieg, gerade mal 21 Jahre nach dem Ende des 1. Weltkriegs.
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