"Noch vor dem Frühstück, dem Traum kaum entronnen,
überfliege ich mit gesenkten Schwingen,
das Wesentliche im Morgenblatt.
Mindestens eine Flugzeugentführung,
diverse Versuch mit todsicheren Strahlen.
Aufruhr, Erpressung und Inflation.
Was steht uns wohl noch in den Sternen geschrieben?
Ganz zu schweigen von der so gescheiten Statistik.
Die apokalyptischen Reiter auf ihrem Klepper:
In 10 Jahren Welthungersnot.
Zu viele Leute und zu wenig Menschen.
Luft – und Seelenverschmutzung.
Die Pest in Asien, verfrachtet im Flugzeug mit munterer Musikbegleitung
Flott auf dem Weg zu dir. Dürre und Flut und Mangel an Süß – und Sauerstoff.
Die Fische krepieren am Wasser. Die Menschen am Fisch..
Wehe mir! Ich kann das Weltgeschehen nicht ändern.Dieses Gedicht von Mascha Kaleko wurde in den frühen 70er Jahren verfasst, ist aber zeitlos in seiner Bedeutung. Nur - das Abbestellen der Zeitung, das Weghören und Ignorieren von unaufhörlichen Schreckensmeldungen ändert rein gar nichts am tatsächlichen Geschehen. Fast noch unerträglicher als Tod, Krieg und Krankheit ist der Irrsinn, von dem menschliches Handeln so oft zeugt...
Ich werde de Zeitung abbestellen."
Das Resultat ist oft Mut- und Ziellosigkeit. Verdrängung ist ein natürliches Phänomen, sodass wir positive Nachrichten vorziehen, oder wenigstens dem überzeugend vorgetragenen Glaubensbekenntnis der Politik (Kapital, materieller Wohlstand, Rüstungsexporte als Teil der Staatsräson, europäische Gleichmacherei von der Währung bis zum Krümmungsgrad von Bananen) in Grenzen vertrauen.
Hauptsache wir können uns mit halb geschlossenen Augen und Ohren einreden lassen, die Politik hätte 'alles im Griff'.
‘Im Griff haben’ mag auf das meiste vom tagespolitischen Geschehen noch zutreffen, doch wo ist das langfristige Konzept, ein dauerhaft tragfähiges Leitbild für die Menschen?
Dass Politik und Staat getrennt sind, ist richtig und gut so. Doch was kann Politik noch bewirken, wenn sie jede ethische Grundlage einem kurzatmigen Opportunismus oder einer verdrehten Staatsräson opfert und sie wechselhaftes Taktieren einer konsequenten Strategie vorzieht? Andererseits, ständig auf die Politik zu schimpfen hat mit Projektion von Verantwortung zu tun - es ist leichter etwas von anderen zu erwarten als das eigene Tun und Lassen im Licht eines strengen Maßstabs zu betrachten.
Das globale Geschehen können die Wenigsten von uns entscheidend beeinflussen, doch es bleibt jedem genug Gelegenheit, ihr eigenes Leben und Umfeld zu gestalten. Wenn universelles Wissen über das was richtig und gut ist existiert, so sollte dieses Wissen sich 'überall' finden lassen, unabhängig von Tradition, Religion usw.
Insoweit ist der Ursprung eines persönlichen oder gesellschaftlichen Leitbildes meiner Auffassung nach zweitrangig.
Auch ein atheistischer Humanismus orientiert sich an der Würde jedes einzelnen Menschen und Werten wie Toleranz, Gewaltfreiheit und Gewissensfreiheit als wichtigen Prinzipien menschlichen Zusammenlebens.
Er sucht zudem zu beantworten, was das Wesen des Menschen ausmacht. Humanistische Grundüberzeugungen: Neben der Würde des Menschen müssen seine Persönlichkeit und sein Leben respektiert werden.
Er soll seine Fähigkeit, sich zu bilden und weiterzuentwickeln, ebenso entfalten können wie seine schöpferischen Kräfte. "Die menschliche Gesellschaft soll in einer fortschreitenden Höherentwicklung die Würde und Freiheit des einzelnen Menschen gewährleisten."Ich sage damit nicht, dass wir Religion bzw. Spiritualität nicht brauchen, sondern: Auch in einer Zeit, wo diese vergleichsweise wenig Beachtung finden, ist es sehr wohl möglich (und dringend notwendig), ethische Grundwerte beizubehalten.
Udo Piasetzky beklagte in seinem Beitrag Sind wir ein Volk ohne Moral und Ethik? die augenscheinliche ethische Krise unserer politischen Kaste. Ohne die Vorbildfunktion derer zu übersehen, die im Blick der Öffentlichkeit stehen, meine ich, dass sich die Mehrzahl der in Deutschland lebenden Menschen mit ehrlicher Selbstkritik die aufgeworfene Frage stellen sollten:
"Wann kehren Aufrichtigkeit, Legalität und Wahrheit zurück?...Das Gefühl dafür, was „noch“ gut und was „schon“ böse ist, schwindet erschreckend dahin und scheint für das Gemeinwohl kaum eine Rolle zu spielen. Die Wirtschaft oder „die Märkte“ dominieren unsere Politiker und diese besudeln sich hauptsächlich mit Eigennutz."Ein Verzicht auf jegliches ethische Normengerüst führt dagegen mittelfristig zum Orientierungs- und Solidaritätsverlust und gefährdet unsere relevanten Lebensgrundlagen. Ohne zu pessimistisch klingen zu wollen, habe ich den Eindruck, dass eben dieser Effekt sich in Teilen unserer Gesellschaft bereits zeigt.
Resultierend mutieren wir keinesfalls zu einem Volk von Verbrechern, sondern sind auf dem Weg, eine heterogenen Ansammlung von Individuen zu werden, die entweder auf die rücksichtslose Sicherung des hiesigen Wohlstands fokussiert sind - oder in den Tag hineinlebend die Erwartungen der Konsumindustrie erfüllen. Beide Existenzformen lassen sich im Extremfall als 'fremdgesteuert' bezeichnen.
Ich wünsche uns allen ein gutes Jahr 2013 und körperliche, seelische sowie mentale Gesundheit bzw. Intaktheit.
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