Montag, 3. November 2014

Gaucks Aussagen über eine mögliche Regierungsfähigkeit der Partei 'Die Linke'

Der Wortlaut des am 2.11.2014 mit Herr Gauck geführten Interviews findet sich u.a. hier auf tagesschau.de.

Das Aufgabenprofil eines Bundespräsidenten ist eigentlich klar definiert: im Grundgesetz steht nichts definitiv davon, dass das deutsche Staatsoberhaupt die Rolle eines informellen Schiedsrichters bei der Aufstellung von Regierungskoalitionen ausübt.

Dies hält den gegenwärtigen Amtsinhaber freilich nicht davon ab, skeptische bis abwertende Aussagen über eine mögliche thüringische Landesregierung unter Führung der Linkspartei abzusondern. Öffentlich, nicht etwa im kleinen Kreis.

Es ist ein merkwürdiger Spagat, den Gauck mit seiner 'Ja, aber'-Haltung vollzieht:

Einerseits:
"...wir sind in einer Demokratie. Wir respektieren die Wahlentscheidungen der Menschen"
Doch anderseits stellt er Suggestivfragen:
[und wir] "fragen uns gleichzeitig: Ist die Partei, die da den Ministerpräsidenten stellen wird, tatsächlich schon so weit weg von den Vorstellungen, die die SED einst hatte bei der Unterdrückung der Menschen hier, dass wir ihr voll vertrauen können?"
Die so angestoßene Debatte mag - gerade aus der Sicht früherer DDR-Einwohner, die den SED- und Stasi-Unrechtsstaat noch miterlebt haben - ihre Berechtigung haben. Sie könnte hinterfragen, inwieweit die personelle Erneuerung der einstigen SED-Nachfolge-organisation ausreicht, um deren verfassungskonforme und demokratische Ausrichtung zu ermöglichen.

An dieser Debatte könnte sich eine Privatperson Joachim Gauck angesichts eigener Erfahrungen in und mit der DDR fraglos beteiligen. Als Bundespräsident jedoch steht es ihm nicht zu, die getroffene Wahlentscheidung der Menschen in Thüringen in dieser Weise wertend zu hinterfragen:

"...es gibt Teile in dieser Partei, wo ich - wie viele andere auch - Probleme habe, dieses Vertrauen zu entwickeln."
Diplomatische Verklausulierungen ändern wenig an deren Inhalt. Im Grunde hat es nicht zu interessieren, ob ein Bundespräsident - der seinen Wohnsitz zur Zeit sicherlich in Berlin und nicht in Thüringen hat - dieses Vertrauen entwickelt zu einer Partei oder nicht.

Entscheidend ist vielmehr, dass das Wahlergebnis im Bundesland Thüringen auf demokratischem Weg erzielt wurde. An dieser Wahl waren auch Menschen beteiligt, die die DDR mit ihren "Wahlen" und Einheitslisten erlebt haben. Deren Wahlentscheidung ist uneingeschränkt zu respektieren.


Sollten sich in der kommenden Legislaturperiode in Thüringen berechtigte Zweifel an der Verfassungstreue einer Regierung unter Führung der Linken ergeben (was ich persönlich für ausgeschlossen halte), obliegt eine diesbezügliche Kontrolle bzw. Prüfung dem thüringischen Landesverfassungsgericht.-
"Menschen, die die DDR erlebt haben und in meinem Alter sind, die müssen sich schon ganz schön anstrengen, um dies zu akzeptieren."
Auch in Bezug auf die Person und den Werdegang Gaucks ist eine derartig negative Äußerung unverständlich: Weniger moralisierende Worte, dafür eine deutlichere Betonung des Versöhnungsgedankens stünden ihm gut zu Gesicht.




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