Donnerstag, 27. August 2015

Objektive Gottesbeweise sind ausgeschlossen - wozu dann streiten und morden?

Gedanken über die Unsinnigkeit von Glaubens-Konflikten

Gottesbeweise sind Versuche, mit Hilfe der Vernunft die Existenz (eines) Gottes zu beweisen".Vorweg: die fundierten Überlegungen zu Philosophen und Theologen über die (Un-) Möglichkeit eines objektiven Gottesbeweises sowie etwaige Paradoxa (z.B. "Kann ein allmächtiger Gott einen Stein erschaffen, der so schwer ist, dass er ihn selbst nicht anheben kann ...obwohl er doch allmächtig ist?" Ja nee, is' klar;) werde ich nicht lang und breit nachplappern. (Diesbezüglich bietet Wikipedia einen wirklich hilfreichen Überblick.)

Worum es mir geht: Gestern stieß ich wieder einmal auf eine Aussage, die mir einiges Unbehagen bereitet:

Letztlich ist Jesus der lebendig gewordene Beweis für die Existenz Gottes.“
Aha, welcher Jesus bitte? Mit dieser Frage zweifele ich keineswegs an, dass Jesus tatsächlich gelebt hat und aller Wahrscheinlichkeit durch Kreuzigung hingerichtet wurde. Beides betrachte ich als erwiesen.
Ist mit "lebendiger Beweis" der historische Jesus gemeint? Oder jener Jesus, dessen Leben, Worte und Taten von elitären Kreisen u.a. in Rom fast nach Belieben umgeschrieben und 'ergänzt' wurde?
Diesen mythologischen Jesus samt aller später hinzugekommenen magie-ähnlicher Rituale vermag ich persönlich nicht als Beweis für Gottes Existenz zu sehen ...eher schon als Beleg für Feuerbachs These, wonach manche Menschen sich ihren eigenen Gott erschaffen – vornehmlich zu Projektionszwecken: Was die Naturwissenschaft nach wie vor nicht präzise zu erklären weiß (z.B. wie genau das Leben vor ca. 3,4 Milliarden Jahren auf der Erde entstand), wird einer Projektionsfläche namens Gottheit XY zugeordnet.
Da viele von sich uns nicht an die Vorstellung gewöhnen können, mit dem Tod sei alles vorbei (auch ich kann und will mir dieses unendliche Nichts nicht ausmalen), wird der jeweiligen Gottheit auch die Zuständigkeit für das Weiterleben des Geistes nach dem Tod übertragen: (mal mit dem alten Körper, mal mit einem neuen 'feinstofflichen' Body und mal ganz ohne, als reine Energieform). Aber bitte nach dem vorteilhaften Prinzip „Die Guten (=Angehörige desselben Glaubens) ins Töpfchen, den Rest ins Kröpfchen (=ab in die Hölle zwecks endloser Quälerei)“. 
Ungeachtet dieser zynischen Selektionsvorgabe an die Gottheit schaffen die Kleriker es allen Ernstes, eben dieser Gottheit zugleich Attribute wie unendlich liebend, barmherzig, gerecht usw. zuzuordnen.
Auch sich selbst sehen etliche dieser Kleriker im Lichte dieser positiv besetzten Eigenschaften, schließlich bezeichnet sich deren amtierender Chef als Stellvertreter Gottes auf Erden. Was für eine Anmaßung! Und zudem für eine international agierende, auf monetäre Gewinne und Machtausübung abzielende Wirtschaftsorganisation durch nichts in der Bibel herleitbar. Ebenso können große Gesten und noch größere Worte nicht überzeugen, solange die Handlungen der Person bzw. der von ihr repräsentierten Organisation grundsätzlich unvereinbar sind.
Folglich taugen Aussagen sowie das Verhalten von Klerikern jedweder Couleur ebenso wenig als Beweis hinsichtlich der Existenz Gottes, wie sich das Reden und Gebaren von Atheisten und Agnostikern als intersubjektives Indiz für die Nichtexistenz Gottes eignen muss.

Aber zurück zur Frage nach der Möglichkeit von Gottesbeweise. Wir Menschen werden nach meiner Überzeugung auf lange Sicht nicht imstande sein, einen unwiderlegbaren Beweis Gottes (wobei „Gott“ hier für das monotheistische Gottesbild steht, nicht für irgendwelche Halb- oder Astronautengötter) zu erbringen. 

Warum? Weil wir uns bei keinem beobachteten Phänomen – selbst wenn es der uns bekannten bzw. von der Naturwissenschaft beschriebenen und berechneten Realität diametral zu widersprechen scheint – sicher sein können, ob es auf dem Wirken Gottes beruht oder ob es uns nur an nötigem Wissen mangelt, um das betreffende Phänomen zu verstehen.

Anders sähe die Sache aus, falls Gott sich entschlösse, uns seinerseits einen Beweis seiner Existenz zu geben. Ein solcher Beweis wäre unwiderlegbar, im Gegensatz zu den missverständlichen, teilweise widersprüchlichen Aussagen offensichtlich menschlicher Autoren in Bibel und Koran. Er hätte zudem einen unausweichlichen Charakter, d.h. er würde sämtliche Streitigkeiten zwischen Atheisten und Religionen zum Verstummen bringen. Über die Beschaffenheit einer solchen Beweisführung zu spekulieren, ist unsinnig: falls ein allmächtiger, mit der materiellen Realität interagierender Gott existiert, wird er zweifelsfrei dazu in der Lage sein.

Doch ist er dazu willens? Es scheint, als habe Gott – zumindest bisher – eben nicht die Absicht besessen, uns seine Existenz in dieser Weise vor Augen zu führen.
Über seine Motive, uns im Unklaren zu lassen, wurde zu allen Zeiten spekuliert und gestritten. Vielleicht soll unser Verstand, unser Wunsch zu forschen und zu begreifen, wach gehalten werden...eventuell sollen wir (als Spezies) einen Reifegrad entwickeln, bei dessen Erreichen wir 'von selbst drauf kommen', was das Wesen einer uns derzeit noch übernatürlich erscheinenden Intelligenz ist?
Keine Ahnung, denn ich habe die erforderliche geistige und seelische Reife sicher noch nicht gewonnen.

(Dass ich persönlich an die Existenz einer höheren, für uns derzeit nicht zu verstehenden und deshalb als 'übernatürlich' eingestufte Intelligenz glaube, der ich überwiegend rational-neutrale bis positive Eigenschaften zuordne...nun, das ist in diesem Zusammenhang irrelevant. Mir ist nur allzu bewusst: auch ich könnte in die von Feuerbach beschriebene Projektionsfalle getappt sein.)


Warum ist mir die Frage nach Gottes' Beweisbarkeit so überaus wichtig?


Nun ja, falls die Menschheit endlich begreifen und einsehen wollte, dass sich ein solcher Beweis eben nicht herbeizwingen lässt, würde dies dies weitreichende positive Konsequenzen nach sich ziehen: Jeder könnte sich irren, ob Atheist oder Islamist, ob moderater Christ, Muslim oder Raelianer!

Diese Einsicht muss nichts an der persönlichen (Un-) Glaubensauffassung des Einzelnen ändern; doch sie zeigt die Unsinnigkeit jeglicher Bemühung auf, anderen die eigene Ansicht aufzuzwingen.

  • Mit welcher sachlichen/moralischen Berechtigung könnte ich Andersdenkende von meinem Glauben (oder Unglauben) überzeugen, für dessen Richtigkeit ich keinerlei objektivierbare Fakten anzuführen vermag?
  • Umgekehrt wird auch ein Schuh draus: Wozu sollte ich, sollten wir uns von irgendwelchen Radikalen bedrängen lassen, die ihrerseits gleichfalls keine unwiderlegbaren Fakten vorzuweisen haben?
Fazit: Zu kapieren, dass unsere subjektive Ansicht zu Gott, Glauben und Religionen de facto nicht objektiv bewiesen werden kann, erlegt uns allen eine gewisse Demut auf: einerseits läuft die schwer erträgliche Arroganz atheistischer, allwissender Naturalisten ins Leere; andererseits machen Glaubensstreitigkeiten und erst recht Religionskriege machen absolut keinen Sinn mehr! 

Jeglicher Bestrebung, wonach alle demselben Glauben/Pseudo-Realismus/Unglauben anhängen, wird durch das Faktum des Nichtwissenkönnens jeder Nährboden entzogen.


Natürlich sehe ich die Realität der Gegenwart: Tiefgläubigen Personen und deren Organisationen reicht ihre jeweilige 'Heilige Schrift' als „Beweis“ - sowohl der Existenz Gottes als auch für die Richtigkeit ausschließlich ihrer Glaubensvorstellung – völlig aus. Der Kopf bleibt im Sand und "die Ungläubigen" werden weiterhin diffamiert, ausgegrenzt oder gar gefoltert und ermordet.



Kann man etwas tun?

Das ist keineswegs einfach ...wie jeder einsehen dürfte, der schon mal mit einem Fanatiker diskutiert hat: oft gut ausgebildet, versuchen sie zunächst mit 'Sachargumenten' zu überzeugen - gelingt dies nicht, endet der Dialog mitunter in wüstem Geschrei und Androhungen von Strafe und Verdammnis.

Religöse Menschen mit großem 'Sendungsbewusstsein' argumentieren gerne vergleichend: Die Liebe zwischen zwei Menschen könne man ebenso wenig sehen, berechnen, empirisch beweisen ...wie Gott, dennoch sei sie unbestreitbar in ihrer Existenz. Das ist zwar richtig, doch gerade die Liebe ist überaus vielfältig - in ihrer Ausprägung wie auch in ihrem 'Zielobjekt'. 


Schließlich ist nicht jeder von uns in Jean Watts verliebt oder? 
Nicht wenige Männer (und Frauen) werden mir zustimmen, die junge Frau auf dem Foto ist optisch überaus anziehend. Doch sie werden diese Frau nicht lieben, vielleicht nicht einmal das geringste Interesse an ihrer Person haben.
Folglich wäre es unsinnig (und zudem kontraproduktiv), wollte der Lebensgefährte von Mrs Watts nun alle Welt überzeugen, seine Liebe zu ihr zu teilen.

Wohlgemerkt, ich vergleiche nicht Gott bzw. den Glauben an Gott mit der Liebe zu einer Frau. Sondern ich versuche, den trivialen Charakter einer solchen vergleichenden, vermeintlich zwingenden Argumentation aufzuzeigen.


Dass Liebe existiert, ist ein Indiz für einen einzigen Umstand: die (zumindest zeitweilige) Existenz der Liebe. Davon auf die Existenz einer 'übernatürlichen' Wesenheit (oder deren Nichtexistenz ...weil man eventuell noch nie richtig verliebt war?) schließen zu wollen, ist ...nun ja, nicht besonders intelligent.


Wir haben zunächst also die Möglichkeit, uns deutlich abzugrenzen: 'Du hast deine Weltanschauung, ich habe meine. Belassen wir es dabei.'

Bei Bedarf lässt sich noch anfügen: 'Du magst für deine Errettung (vor der Hölle?) verantwortlich sein, aber definitiv nicht für meine. Oder hast du vor, mich gewissermaßen zu entmündigen?

Im Kontext weiter reichender Auseinandersetzungen zwischen Gruppen und Organisationen, ist der Einfluss von Einzelpersonen naturgemäß geringer. Doch ein von mehreren Seiten heraufbeschworener Religionskrieg oder Kulturkampf würde jeden einzelnen von uns in Mitleidenschaft ziehen.

Die weltweite Zunahme von Terroranschlägen, aber auch von militärischen Übergriffen durch Staaten bzw. Regierungen, betrachte ich als mögliches Vorzeichen einer Art "Endkampf", der in so manchem kranken Hirn radikaler Islamisten und christlicher Zionisten längst herumspukt. Leider wächst deren Einfluss auf beiden/allen Seiten...der IS ist da nur ein Beispiel. 

Folglich sind wir gut beraten, in unserem eigenen Umfeld und auch in sozialen Netzwerken eine eindeutige Position zu vertreten:

Wir tolerieren Euch und Eure Ansichten - in dem Maße, wie ihr uns und unsere Anschauung toleriert. Aber wir wenden uns entschieden gegen jede Ausübung von Zwang und mehr oder minder subtilem Druck zugunsten Eurer Auffassung.
Denn: jeder von 'uns' und 'euch' könnte einem gewaltigen Irrtum unterliegen.
Gehen wir noch einen Schritt weiter: Wenn Konflikte über weltanschauliche Fragen unsinnig und nutzlos sind, so trifft dies unzweifelhaft auch auf unterschiedliche Lebenskonzepte zu, welche (zumindest teilweise) aus der jeweiligen Glaubens-/Weltanschauung erwachsen.
Kein Islamist und kein Katholik hat einem Schwulen das Schwulsein zu verbieten! Und kein ach so aufgeklärter Agnostiker hat eine Muslima zu diffamieren, weil sie ein Kopftuch trägt (außer sie ist Beamtin in Deutschland und trägt das Teil während ihrer Dienstzeit, zB als Lehrerin).

Selbst unter dieser Voraussetzung bleiben noch offene Fragen, welche einer Klärung bedürfen. Eine davon ist beispielsweise: Darf es weiterhin gestattet werden, Säuglinge und Kinder vor Eintritt ihrer Religionsmündigkeit zu beschneiden?

Doch für so schwierig zu lösende Fragestellungen lässt sich ein Konsens allenfalls dann finden, wenn die Kontrahenten nicht länge die gesamte Identität der Gegenseite infrage stellen oder dies für sich selbst befürchten müssen.

Es ist, glaube ich, klar geworden worauf ich hinaus möchte: 



  • Wir (die Spezies Mensch als Gesamtheit) müssen dringend an unserer Friedensfähigkeit arbeiten, falls wir das 22. Jahrhundert noch erleben wollen.
  • Hierzu ist es notwendig, unlösbare Konflikte über Religion/Glauben/Lebenskonzepte einzufrieren. 
  • Diese Konflikte beizulegen wird nicht ohne weiteres gelingen, da die gegensätzlichen Auffassung fortbestehen. Deshalb ist eine 'zeitweilige' Übereinkunft lebensnotwendig: Die Menschheit hat sich vorrangigen, vitalen Herausforderungen zu stellen - darin Erfolg zu haben erfordert den Verzicht auf die ohnehin unter dem o.a. Irrtumsvorbehalt stehenden Glaubensstreitigkeiten.

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