Nur nicht aus Liebe weinen
Die häufige Ausgangssituatition ("Es reicht"):
Es ist ja ganz gleich, wen wir lieben,
und wer uns das Herz einmal bricht.
Wir werden vom Schicksal getrieben
und das Ende ist immer Verzicht.
Wir glauben und hoffen und denken,
daß einmal ein Wunder geschieht,
doch wenn wir uns dann verschenken,
ist es das alte Lied...
...und die vermeintliche 'Lösung':
Nur nicht aus Liebe weinen,
es gibt auf Erden nicht nur den einen.
es gibt so viele auf dieser Welt
ich liebe jeden, der mir gefällt
Und darum will ich heut' Dir gehören,
Du sollst mit Treue und Liebe schwören,
wenn ich auch fühle, es muß ja Lüge sein,
ich lüg auch und bin Dein.
Wenn das alles wäre, was 'Liebe' an Resultaten implizierte - und ich stehe dieser erfahrungsbedingten Sichtweise durchaus offen gegenüber - tja, dann könnte man wirklich zu dem Schluss kommen: Es handelt sich nur um einen biochemischen Vorgang, der manchmal seltsame Blüten treibt...aber früher oder später traurig bzw. tragisch endet...
Dass die Wissenschaft alles zerlegen ('analysieren') und sezieren muss, ist die mehrheitliche Auffassung. Der kleinere Teil der Wissenschaftsgemeinde folgt eher dem Prinzip der Ganzheitlichkeit ('Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile'). Vielleicht kommt es auf das jeweilige Studienobjekt an, welcher dieser beiden Ansätze mehr Erfolg verspricht.
Geht es um das Phänomen Liebe, kommt man mit dem Sezieren nicht sehr weit.
Schon allein, weil man sich zunächst einmal darauf verständigen müsste, 'welche Liebe' denn überhaupt untersucht werden soll.
Ganz zu schweigen von einer Definition: Wikipedia etwa umschreibt Liebe allgemein als die stärkste Form der Hinwendung zu anderen Lebewesen, Dingen, Tätigkeiten oder Ideen - Liebe wird also zugleich als Metapher für den Ausdruck tiefer Wertschätzung aufgefasst.
Die Bezeichnung Liebe wäre demnach ein Sammelbegriff für alle möglichen Formen von Leidenschaften und Zuneigung - vom Goldfisch über den Fußballverein bis hin zu einer PC-Software als Liebes'objekt'.
Der Pelikan reißt sich die Brust auf, um seine Jungen mit seinem Blut zu füttern - ein altes christliches Sinnbild aufopfernder Liebe. |
Selbst dann müsse man noch die Bedeutungsebenen der sinnlichen Empfindung, dem Gefühl und der ethischen Grundhaltung „Liebe“ differenzieren. Also gut, betrachten wir das Gefühl...wobei ich noch nicht sehe, wo die Trennlinie zur sinnlichen Empfindung verlaufen sollte. Man kann Dinge auch unnötig verkomplizieren:
"Unter Liebesempfindungen versteht man die primär sinnlichen Liebesgefühle, insbesondere die Verliebtheit und die sexuelle Anziehung. Sie stehen in der Regel in Verbindung mit den beiden anderen Formen der Liebe, können aber auch durch die Wahrnehmung eines fremden Körpers, das heißt durch visuelle, olfaktorische oder taktile Reize ausgelöst werden oder ganz einfach durch den empfundenen Mangel an einem geliebten Gegenüber.
Die Liebesempfindung steht in enger Verbindung mit der Sexualität, das heißt sexuellen Wünschen, Bedürfnissen und Handlungen.Aha...ich bleibe dennoch dabei: Nicht nur für emotionale Liebe im engeren Sinne, sondern auch für Sympathie, Freundschaft und sogar Sorge um eine Person spielen Liebesgefühle eine Rolle.
Unter Liebesgefühlen allgemein versteht man ein komplexes, vielfältiges Spektrum unterschiedlicher Empfindungen und Haltungen gegenüber ... möglichen Liebesobjekten, in denen die sinnlich-erotische Komponente nur sekundär von Bedeutung ist. Sie führen zu einer Hinwendung und Zuwendung zum Anderen, dem Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Zärtlichkeit geschenkt werden." [vgl. Wikipedia]
Keine Herzensangelegenheit...?
Liebe lässt sich jedenfalls nicht auf neurochemische Vorgänge im Gehirn reduzieren - in vielem steht die Neurowissenschaft bei ihrer Erforschung erst am Anfang. Bisher jedenfalls lässt sich die Komplexität der Liebe nicht im Labor abbilden. Sie umfasst nun einmal unterschiedliche Aspekte:
- Evolutions-Biologie: Im Gehirn laufen komplexe Vorgänge ab - 'ein Trick der Evolution', um das menschliche Überleben zu sichern. Im Gehirn wird in Bezug auf den geliebten Menschen u.a. das Belohnungssystem aktiviert; dagegen reduzieren Areale für rationales Denken ihre Aktivität.
In der frühen Phase der Liebe spielt vor allem der Botenstoff Dopamin eine große Rolle und sorgt für den Rausch der Gefühle. In späteren Phasen von Beziehungen bestärkt möglicherweise das Hormon Oxytocin die Bindung zwischen den Partnern.
vgl. "Biologie der Liebe - und was noch" auf dasgehirn.info - der sozio-kulturelle Aspekt: selbst bei nüchterner Betrachtung geht der Einfluss von Liebe weit über die reine Fortpflanzung hinaus. Im Lauf der Generationen wurden Aussagen geprägt wie "Arbeit ist sichtbar gemachte Liebe". Mit dem Instrumentarium der Evolutionswissenschaft kommt kaum hinter die Bedeutung dieser und vergleichbarer Feststellungen.
- das persönliche, individuelle Erleben: Für eine(n) Liebende(n) ist die Biochemie völlig irrelevant; im Vordergrund stehen die Empfindungen füreinander - welche sich freilich nicht im wissenschaftlichen Sinne objektivieren lassen. Unlängst wurde ich in einem etwas anderen Kontext darauf hingewiesen: "Es kommt nur auf dein subjektives Erleben an."
Dies mag auch für die Liebe zwischen zwei Menschen gelten, wo zwei verschiedene Erlebniswelten einander berühren und bestenfalls in Bezug auf die Empfindungen füreinander eine Schnittmenge aufweisen. Wie sollte diese individuelle Wahrnehmungsvielfalt sich biochemisch dokumentieren und experimentell reproduzieren lassen.
Bei so nüchternen Darlegungen denke ich gerne an William von Baskerville (Sean Connery) in Der Name der Rose:
Wie friedlich wäre doch das Leben ohne die Liebe,
wie sicher, wie ruhig wäre es -
und wie öde.
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