Sonntag, 19. Januar 2014

Existenzielle Risiken: Stirbt die Menschheit aus?

Am 21.12.2012 'lief der Maya-Kalender ab' (oder beruhte dieser Kalender auf einem zyklischen Zeitverständnis, wie wir es heute kennen?:) Die Jahre zuvor einsetzende Hysterie zeigte freilich, wird viel Energie darauf verschwendet wird, phantasievolle Endzeitszenarien zu erfinden. Nahe liegender ist es, sich mit konkreten Zukunftsfragen und -fakten zu befassen:
Namhafte Wissenschaftler – darunter der Astrophysiker Stephen Hawking und der Mikrobiologe Frank Fenner – gehen davon aus, dass Homo sapiens wahrscheinlich aussterben wird. Lt. einem Bericht der Mailänder Tageszeitung "Corriere della sera" (2010) machte Fenner dafür "Bevölkerungsexplosion und unkontrollierten Konsum" verantwortlich. Es sei zu "bezweifeln, dass unsere Spezies das 21. Jahrhundert überleben wird".
Die doomsday clock, ("Uhr des Jüngsten Gerichts", zu deutsch Atomkriegsuhr) ist eine symbolische Uhr der Zeitschrift Bulletin of the Atomic Scientists . Sie sollte der Öffentlichkeit ursprünglich die Wahrscheinlichkeit eines Atomkrieges verdeutlichen; doch inzwischen fließen auch Umweltdaten und andere Faktoren ein, die zum Aussterben der Menschheit führen könnten. Die Entscheidungen trifft der BAS-Aufsichtsrat gemeinsam mit einem Gremium, in dem zurzeit 18 Nobelpreisträger vertreten sind. Die Uhr spielt darauf an, es sei fünf Minuten vor zwölf, wenn ein für die Menschheit äußerst nachteiliges Ereignis unmittelbar droht. 1947 wurde sie mit der Zeigerstellung sieben Minuten vor zwölf gestartet und seither in Abhängigkeit von der Weltlage vor- oder zurückgestellt. Hatte es 2010 noch den Anschein, führende Politiker der Welt würden auf globale Bedrohungen zu reagieren beginnen, setzte sich dieser Trend in vielen Fällen nicht fort. Aus diesem Grund steht die ‘Doomsday-Uhr’ seit dem 10. Januar 2012 auf fünf vor zwölf [und seit 2015 auf 3 vor 12].

Aussterben ist ein natürlicher Prozess

Die durchschnittliche Lebenserwartung einer Spezies liegt zwischen einer und zehn Millionen Jahren; lebende Fossilien wie der Quastenflosser sind die Ausnahme. Von 1000 Arten, die einmal den Planeten bevölkerten, lebt heute nur noch eine einzige. Warum sollte das für den Menschen anders sein, solange seine Existenz auf den Planeten Erde begrenzt ist und er von den dort bestehenden biochemischen und geologischen Prozessen abhängig ist?

Vor etwa sieben Millionen Jahren trennte sich die Linie der aufrecht gehenden Menschenartigen von den Schimpansen. Seither haben etwa 25 bekannte Hominidenarten gelebt. All diese Menschen bzw. Menschenähnlichen sind inzwischen ausgestorben – bis auf den modernen Menschen Homo Sapiens. "Das ergibt eine Aussterberate von 95 Prozent…deutlich höher als beim letzten Massenaussterben vor 250 Millionen Jahren.", stellt der australische Paläanthropologe Darren Curnoe von der Universität New South Wales fest.

Das Aussterben von Gattungen und Arten ist ein fester Bestandteil der Evolution; ,alle zehn Millionen Jahre verschwindet etwa ein Drittel aller Lebensformen. Säugetiere, das habe die Forschung gezeigt, existierten in der Regel nur ein bis zwei Millionen Jahre, bis sie aussterben. Zählt der Mensch in dieser Betrachtung auch zu den Säugetieren? 

Immerhin haben wir uns der natürlichen Selektion entzogen und unser Überleben ‘künstlich verlängert’. Dies verdanken wir laut Curnoe der Verbreitung von Ackerbau und Viehzucht vor 10.000 Jahren. Davor hätten weltweit weniger als 100.000 Menschen gelebt - eine sehr kleine Population, die ohne die "Neolithische Revolution" vielleicht schon verschwunden wäre. Auch erspart uns die moderne Medizin weitgehend eine natürliche Auslese, der ansonsten die ‘Kranken und Schwachen’ zum Opfer fallen würden.

Doch wie weit reicht unsere Unabhängigkeit von den Prozessen und Gesetzmäßigeiten der Natur? Auf der geologischen Zeitskala sind gewaltige Vulkanausbrüche an der ‘Tagesordnung’, auch wenn es uns nicht so vorkommt.

In seinem Buch ‘Evolution’ schildert Stephen Baxter den Ausbruch eines Supervulkans, wie er durchaus in naher Zukunft eintreten könnte: Der nachfolgende globale Winter würde die Menschheit – die nach wie vor von tierischer und pflanzlicher Nahrung und damit von intakten Nahrungsketten abhängig ist – möglicherweise an den Abgrund drängen. Weitere Auslöschungsszenarien sind ebenfalls denkbar: Während die globalen Gefahren von “Bevölkerungsexplosion und unkontrollierten Konsum” (Fenner) derzeit noch unkalulierbar sind, erwachsen weitere Risiken aus Asteroideneinschlägen, Klimawandel, Epidemien und Nuklearwaffen.

Die Menschheit stand im Laufe ihrer Geschichte schon mehrmals vor dem Aussterben – etwa vor 74.000 Jahren nach dem Ausbruch des Vulkans Toba auf Sumatra. Gegenwärtig steht sie wieder vor einem sensiblen Kreuzungspunkt; vor uns liegen etliche 
existentielle Risiken. Naturkatastrophen können das Fortbestehen intelligenten Lebens auf der Erde ebenso bedrohen wie Ereignisse menschlichen Ursprungs: Atomkrieg, Bioterrorismus, Künstliche Intelligenz, katastrophaler Klimawandel etc. 

Insoweit unterliegen wir auch weiterhin einem Selektionsdruck: Entweder wir passen uns an und werden resilient, d.h. widerstandsfähig gegen die von uns verursachte Umweltzerstörung einerseits und Naturkatastrophen andererseits. Oder unsere hochtechnisierte, extrem vernetzte Zivilisation könnte - insbesondere als Folge des Zusammentreffens mehrerer ‘unglücklicher’ Umstände - auf ein vorindustrielles Niveau zurückgeworfen oder für immer von diesem Planeten getilgt werden. 



Falschfarben-Satellitenaufnahme des Tobasees,
einer 100 km langen und 30 km breiten Caldera eines Supervulkans


Die Tobaeruption gilt heute als gut erforschtes Supervulkan-Ereignis; 3000 Kubikkilometer Magma aus und mehr als 5000 Kubikkilometer Asche wurden ausgestoßen. Das Verhältnis von Magmaausstoß zu Ascheauswurf beträgt fast immer ungefähr 1 zu 2-3. Eine 15 Zentimeter dicke Ascheschicht bedeckte ganz Indien und eine ähnlich dicke Schicht wohl große Teile von Südostasien und China. Heute wären von einer Eruption in dieser Größenordnung je nach betroffener Region etwa 1 Milliarde Menschen betroffen. Hinzu kommt eine weltweite Abkühlung für ein bis sechs Jahre um mehr als ein Grad Celsius.
Legt sich eine nur 1 cm dicke Ascheschicht während der Wachstumszeit über landwirtschaftliche Nutzflächen, wird eine gesamte Ernte vollständig zerstört.
Das Jahr des Tamboraausbruchs 1815 wurde als "Jahr ohne Sommer" bekannt; die heutigen Auswirkungen eines Supervulkanereignisses würden deutlich schwerer wiegen. Bei einem Ausbruch in der Größenordnung von Toba könnten die Temperaturen auf der Nordhalbkugel um bis zu 10°C sinken. (Die Wahrscheinlichkeit für Ausbruch eines (kleineren) Supervulkans im 21. Jahrhundertliege insgesamt etwa bei 1-6%. Ein Toba-ähnliches Ereignis tritt allerdings nur etwa alle 500.000 Jahre auf.)
Nach Fenners Ansicht droht nicht nur der Menschheit, sondern auch zahlreichen Tierarten die Auslöschung. Diese Entwicklung sei bereits unumkehrbar, es könnte bereits zu spät sein, um Abhilfe zu schaffen. Selbst wenn die Menschen bereits etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen versuchen, werde zu vieles weiterhin auf die lange Bank geschoben. 
Der Eintritt der Menschheit ins "Anthropozän" - in der die menschliche Aktivität das Klima beeinflusst – ist vergleichbar mit globalen Katastrophen wie Eiszeiten oder Kometeneinschlägen.”
Fenner vergleicht das drohende Schicksal der Menschheit mit den Bewohnern der Osterinseln. Die Eingeborenen verwandelten durch rücksichtslose Abholzung des gesamten Baumbestandes ihre einst blühende Insel in eine Ödnis, auf der sie nicht länger überleben konnten . Die globalen Klimaveränderungen stünden noch am Anfang, es gebe aber jetzt schon beträchtliche Veränderungen in der Atmosphäre.

Fenners Freund, der Immunologe Stephen Boyden, äußert Widerspruch:

"Frank könnte durchaus Recht haben. Aber viele von uns haben immer noch die Hoffnung, dass die Menschheit sich der Situation bewusst wird und die notwendigen revolutionären Veränderungen einleitet, um die ökologische Nachhaltigkeit herzustellen."
Wir existieren nicht außerhalb der Natur

Den meisten Menschen, ob wissenschaftlich gebildet oder nicht, erscheint jedes Szenario unvorstellbar, das die Menschheit komplett auslöschen könnte. Stets bleibe aufgrund der flexiblen Instrumente, über die wir dank unserer Intelligenz verfügen, zumindest eine Restpopulation zurück, die zum Ausgangspunkt einer neuen Entwicklung würde – meint z.B. der Biologe Peter Wand (USA).


Diese Sichtweise erscheint mir grundfalsch. Die menschliche Intelligenz hat sich als überaus zweischneidig erwiesen - und eine positiv wirksame Schwarmintelligenz scheinen wir nicht zu besitzen ...jedenfalls sehe ich keinerlei Anzeichen dafür.
Dominanten Spezies oder nicht - unsere Lebensgrundlagen bleiben aufs Engste verknüpft mit (dem Zustand) der Biosphäre. Unser Stoffwechsel, unser Überleben hängen weiterhin ab von einer (relativ) intakten Ökologie, in der pflanzliche und tierische Organismen existieren können. Mit etwas Glück werden wir uns in den kommenden 2 - 3 Jahrzehnten noch nicht selbsttätig an den Rand der Auslöschung bringen – doch eine globale Naturkatastrophe hätte massiven Folgen für Tier- und Pflanzenwelt – und damit auch für die Grundlagen unserer Existenz. 


Insoweit kann ich Stephen Hawking nur zustimmen, der die möglichst zeitnahe Kolonialisierung des Weltraums als einzigen Ausweg für die Menschheit sieht, sich einem globalen Auslöschungsereignis zu entziehen: "Die Menschheit könnte innerhalb der nächsten eintausend Jahre aussterben, wenn man es nicht schafft dem Planeten zu entkommen und Technologien entwickelt, um dauerhaft im All zu leben."


50, 100 oder tausend Jahre ...? Die wirren Bemühungen, möglichst präzise den Zeitpunkt festzuschreiben, wann es mit uns vorbei sein könnte, sind weder aussichts- noch hilfreich. Dies trifft erst recht auf publikumswirksame "Dokumentationen" wie 'Zukunft ohne Menschen' u.ä. zu. 
Aber:

“Selbstverständlich sind diese Gefahren real, und man muss sich wundern, dass sich unsere Gesellschaften noch immer mit vergleichsweisen Nebensächlichkeiten abgeben, statt sich um diese großen Fragen zu kümmern.” (Uwe Neuhold)
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Erst sterben die Bienen, dann die Menschen?

Nachfolgende Dokumentation ("Die Bienen sterben aus!", Phönix) befasst sich mit einem rätselhaften Ausbleiben der Bienen, der unzureichenden Bestäubung von Nutzpflanzen und den möglichen Folgen für die Menschen.
Allein in Deutschland hat sich nach Angaben des Dt. Imkerbundes die Zahl der Bienenvölker seit 1952 von 2,5 Millionen auf heute 1,4 Million halbiert. 
Durch Varroamilben und Viren sind Bienen auf der ganzen Welt bedroht. Ihr Aussterben hätte für die gesamte Menschheit dramatische Folgen: Bienen sind ein zentrales Glied der Kette, die unser Überleben sicherstellt - von den 100 wichtigsten Nutzpflanzen der Welt werden mehr als 70 Prozent durch Bienenarten bestäubt. Mit anderen Worten: Ohne sie käme es zu dramatischen Nahrungsmittel-engpässen.

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