Sonntag, 7. Oktober 2012

Schattenleben in der Mikrobensphäre: wie oft entstand Leben?

Ausgehend von der Frage, wie wahrscheinlich extraterrestrisches Leben im Sonnensystem wohl sein mag, bin ich auch bei der Überlegung gelandet, dass unsere Erde schließlich auch zu diesem Sonnensystem gehört (ach…).
Der Nachweis eines biologischen Determinismus (s.o.) lässt sich womöglich hier auf der Erde führen werden: Wenn Leben unter terrestrischen Bedingungen wirklich ‘automatisch’ entsteht, geschah das hier vielleicht mehrfach – völlig unabhängig voneinander.


Bisher hat der Stammbaum aller Arten eine gemeinsame Wurzeln – wir kennen eine ‘Grundform’ des Lebens, sie basiert auf dem in der DNS fixierten genetischen Code und verwendet ein einheitliches System zum universellen Energietransfer.
Doch falls Leben mehrmals entstand, gäbe es mehrere Stammbäume.

Spektrum der Wissenschaft befasste sich im April 2008 (vollständiger Artikel als PDF) mit den Thesen von Paul Davies. 
Kein Planet ist schließlich erdähnlicher als die Erde selbst.
Unter ‘Aliens’ versteht Davies also alle fremdartige Lebensformen unabhängig von ihrer Herkunft – d.h. Organismen, die sich von allem Bekannten grundlegend unterscheiden. Kann man dann aber noch von Leben sprechen?
Eine allgemein anerkannte Definition von Leben ist nicht unproblematisch (was ist z.B. mit Viren? Mein Bio-Lehrer vertrat damals die Auffassung, dass Viren ‘gelebt werden’). Einigkeit besteht darin, dass zwei Kriterien unabdingbar sind: Stoffwechsel und Fortpflanzung. Hinzu kommt eine selbstständige Lebensfähigkeit.

‘"Braucht das Leben wirklich Proteine?", lautete eine von Benners1) provokanten Fragen. Es gebe Hinweise, dass Urzeit-Mikroben nur mit Hilfe von Ribonukleinsäure (RNA) und ohne Proteine ausgekommen seien. Auch die Suche nach Leben auf dem Mars könnte laut Benner bisher an solchen Definitionsfragen gescheitert sein.’ (aus ‘Forscher suchen Überlebende kosmischer Crashs, SPIIEGEL online, Feb. 2009)
Als 1976 die Mars-Sonde "Viking"-Sonde nach Leben suchte, hatte man sich lediglich auf Leben auf Basis von Kohlenstoffbasis konzentriert – durch derartige Begrenzungen nimmt die Forschung eventuell einen zu selektiven Standpunkt ein.
Es bestehe die Gefahr eines "Kohlenstoff-Chauvinismus".
In jedem Fall müssten auch die Exoten – vermutlich wären sie mikroskopisch klein – sich ernähren (mit Energie versorgen) und Nachkommen erzeugen. Mögliche Indikatoren für solche ‘Aliens’:
  • Gesteinsmodifikationen oder mineralische Ablagerungen, die sich nicht auf bekannte Organismen zurückführen lassen.
  • Uralte Mikrofossilien könnten zudem ungewöhnliche organische Moleküle enthalten, wie sie vertraute Lebensformen nie herstellen.
  • Chiralität: Alle bekannten Organismen haben linksdrehende Aminosäuren und eine rechtsdrehende DNA-Doppelhelix. Das könnte bei alternativen Formen, eine eigenständigen Evolution durchlaufen haben, umgekehrt sein.
  • Extrem anders wäre fremdes Leben, wenn Silizium statt Kohlenstoff als Grundbaustein verwenden würde. Auch Silizium-Atome können sich zu Ringen und langen Ketten zusammenzuschließen, die als Grundgerüste für Biomoleküle taugen (vgl. Isomerie). Ein gemeinsamer Ursprung silizium- und kohlenstoff basierter Organismen erscheint aus heutiger Sicht ausgeschlossen.
  • Auch die aufblühende Forschung über künstliches Leben kann Hinweise auf mögliche Eigenschaften fremder  Lebensformen liefern.Aliens Anregungen bieten

Existiert bis heute eine eine ‘Schattenbiosphäre’?
Der Begriff der Schattenbiosphäre bezieht sich auf die These, dass alternative Lebensformen bis heute im Verborgenen überlebt haben. So abwegig, wie es auf den ersten Blick scheinen mag, ist dies nicht: Dass die Exoten  bis heute unentdeckt geblieben sein könnten, hängt mit dem Umstand zusammen, dass die meisten Organismen auf der Erde Mikroben sind – also für das menschliche Auge nicht sichtbar.
Selbst mikroskopische Untersuchungen verraten nur wenige spezielle Eigenheiten der Winzlinge.

Um zweifelsfrei zu ermitteln, ob ein Organismus zu ‘unserem’ Stammbaum, muss dessen Erbgut untersucht und wenigstens zum Teil sequenziert werden.
Bei der DNA-Sequenzierung wird die Nukleotid-Abfolge in einem DNS-Molekül bestimmt. Von 1995 bis 2010 wurde das Genom von gut 1000 verschiedenen Organismen analysiert werden…damit wird die Dimension der Aufgabenstellung etwas klarer…
Bislang war noch kein Organismus fremden Ursprungs dabei (bezogen auf die o.a. biochemischen Hauptmerkmale aller bekannten Lebensformen). Allerdings sind die bis heute entwickelten Methoden und Instrumente zur Analyse neu entdeckter Organismen
darauf ausgelegt, ‘herkömmliches’ Leben zu erkennen und zu untersuchen. Für eine fremdartige Biochemie sind sie potenziell ungeeignet.

Sind Mikroben vorstellbar, deren Erbinformation nicht durch die ATCG-basierten Nukleinsäuren DNS/RNS codiert sind?
Das Red Rain –Phänomen, der “Rote Regen von Kerala” (2001 und im Juli 2012, siehe hier in deutscher Sprache gefunden, von grenzwissenschaftlichen Themenseiten abgesehen) soll zwar im Zusammenhang mit unerkannten Molekularkompositionen, die keine DNS enthalten, stehen. Auch CNN berichtete kurz darüber: Mysterious red cells might be aliens
"If it's true that life was introduced by comets four billion years ago," the astronomer says, "one would expect that microorganisms are still injected into our environment from time to time. This could be one of those events."Doch aus dem wenigen, was als seriös bezeichnete Quellen darüber geschrieben haben, tippe ich einstweilen auf ein biologisches Abfallprodukt.
 Untersucht werden Ökosysteme, die vom Rest der Biosphäre weit gehend isoliert erscheinen – dort lassen sich Mikroben aufspüren, die ohne Licht, Sauerstoff und organische Produkte anderer Organismen überleben. Nun verändert man die Lebensbedingungen so, dass irdische Organismen sie nicht mehr aushalten. Sollte anschließend noch biologische Aktivität nachzuweisen sein, könnte dies ein Hinweis auf fremdes Leben sein.
Dass Einzeller extreme Lebensbedingungen bevorzugen, ist alleine noch kein solcher Hinweis. Denn auch diese Extremophilen haben dieselbe Biochemie.

"Allein eine fremde Biochemie würde uns die andere Lebensform verraten."
Nicht wenige Wissenschaftler vertreten die Ansicht, das Leben habe mehrmals begonnen und wurde durch Meteoriteneinschläge immer wieder ausgelöscht. Doch ist ebenso denkbar, das einige dieser Meteoriten erst das Leben mitbrachten – in Gestalt eingefrorener Einzeller, die sich auf der Erde vermehrten und im Laufe der Zeit weiter entwickelten.
Die Entdeckung solcher Mikroben (aus jeder der beiden Entstehungsvarianten) würde “auf einen Schlag die Frage beantworten, ob wir allein im All sind", sagt Paul Davies, "Wir hätten damit praktisch bewiesen, dass es im All von Leben wimmeln muss."

Zwei grundverschiedene Ansätze…
…konkurrieren darum, wie der Beginn von Leben erfolgt.
  • Der einen Theorie zufolge vermag Leben mit einer plötzlichen Transformation einzusetzen – “vergleichbar mit einer einem physikalischen Phasenübergang”. Der Auslöser bestehe darin, dass in einem System die chemische Komplexität eine bestimmte Schwelle übersteigt.
    Das System muss keineswegs um eine einzelne Zelle handeln: ein primitives Leben mag einst aus einer Zellgemeinschaft erwachsen sein, die Stoffe und Informationen austauschte. Autonomie
    gewannen entstand erst später.
  • Nach der zweiten Theorie verläuft der Übergang von reiner Chemie zur Biologie allmählich und so kontinuierlich, dass keine scharfe Grenze zwischen Leben und unbelebter Chemie gezogen werden kann. Damit hätte es auch keinen speziellen Moment als Anfang des Lebens gegeben.
Und damit landen wir erneut bei der Definitionsproblematik: Ist es zweckmäßig, wenn dem Phänomen Leben mindestens eine exklusive Eigenschaft zugesprochen wird? Im Interesse einer klaren Abgrenzung von rein chemischen Vorgängen jedweder Komplexität ließe sich z.B. festlegen, dass Leben bestimmte Arten von Information speichert und verarbeitet.
“Definiert man Leben aber eher vage über so etwas wie organisierte Komplexität, dann verlieren sich die Wurzeln leicht in der Sphäre reiner komplexer Chemie.” Paul Davies
Letztlich dreht sich alles um die Ausgangsfrage: War die Entstehung von Leben auf der Erde ein einzigartiger, kaum wiederholbarer Zufall2) ? Oder entsteht Leben zwangsläufig, sobald eine lebensfreundliche Umgebung zur Verfügung steht?
Die schnellste Antwort auf diese Frage könnten Versuche liefern, synthetisches Leben im Labor zu erschaffen.
"Dann", meint Davies3) , "wissen wir, ob man nur die richtigen Zutaten zusammenrühren muss, damit Leben entsteht".
Siehe auch:
  • Chemische Evolution – kurzer Überblick und Literaturangaben v. Christian Neukirchen
  • ‘Mikrobiologie’ aus der Reihe ‘Taschenlehrbuch Biologie’ , Katharina Munk (sehr detailliert und ohne Vorkenntnisse nicht durchgängig auf Anhieb zu verstehen)
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Anmerkungen
1)Steven Benner von der Foundation for Applied and Molecular Evolution
2)Als Argument gegen jede Zufallsthese reicht m.E. schon eine Grafik aus, die sozusagen als Rückgriff auf die Vielzahl der Einzelschritte einer chemischen Evolution auf Kohlenstoffbasis visualisiert:


Entstehung und Funktion von Biomolekülen (Quelle: Wikipedia)

3) Zentrale Überlegungen wurden, soweit keine abweichende Quellenangabe existiert, dem Artikel “Aliens auf der Erde?” von Paul Davies entnommen, erschienen in der SdW-Ausgabe 04/2008.
Der Artikel kann kostenfrei als PDF abgerufen werden.

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