Donnerstag, 22. März 2012

Handbuch (nicht nur) für Außerirdische

"Allmählich regte beim Schöpfer sich eine gewisse Selbstgefälligkeit. Und warum auch nicht? Schließlich gab es nun einen blauen Himmel und klare, grüne Ozeane. Schneebedeckte, purpurfarbene Berge und atemberaubende Sonnenuntergänge.

Üppige Dschungellandschaften und Täler, träge Wüsten und Waldbäche... Phantasmagorische Ansammlungen von Mineralien, Tieren und Pflanzen. Wer so etwas geschaffen hatte, konnte sich schon voller Stolz selbst auf die Schulter klopfen.
Aber es begab sich, dass der Schöpfer der Erde den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören nicht erkannte. Denn gerade als die Zukunft besonders rosig zu werden versprach...fiel ihm dann noch der Mensch ein
."
(Handbuch für Außerirdische, Gay Serena)

Diese einleitenden Worte, die Gay Serena auf einen imaginären Schöpfer bzw. dessen Denkweise projiziert, verlagern die primäre Verantwortung für das Unschöne dieser Wellt nur unwesentlich:
Der Schöpfer habe einen fatalen Fehler begangen - als er die in ihrer ökologischen Harmonie durch das Sonnensystem dümpelnde Erde mit einem Wesen 'beglückte', dessen Fähigkeiten einzigartig sind.

Schlimmer noch: Er richtete es so ein, dass alles Lebendige auf der Erde diesem sich unaufhaltsam vermehrenden Wesen – das sich selbst in unverständlicher Überheblichkeit mit dem Attribut 'besonders weise' (sapiens sapiens) versah - in jeder erdenklichen Weise unterworfen sein sollte.

Würde man die ach so weisen Menschen als 'Außenstehender' beobachten, käme leicht der Eindruck zustande, diese Spezies stamme von einem anderen Planeten. Denn bevor der Mensch sich breit machte, herrschten auf diesem Planeten eine gewisse Symmetrie und ein gewisses Gleichgewicht.

Sogar als er schon da war, schien noch eine Weile alles in Ordnung zu sein: Adam, Lilith (Adams erste Frau), Eva & Co. brauchten etliche Generationen, um die Feinheiten der Ernährung, der Körperpflege, der Fortpflanzung und des Selbstschutzes zu erlernen:

"Iß nichts, was sich wehren kann; scheiß nicht in dein Trinkwasser und fletsch' die Zähne, wenn dir ein Säbelzahntiger über den Weg läuft...oder klettere auf einen Baum."

Alsdann ließ es sich ganz gut leben -  sogar nachdem sie den Schöpfer das erste Mal richtig sauer gefahren hatten und aus dem Schlaraffenland vertrieben wurden.

Doch das änderte sich jetzt schlagartig...vielleicht, als jene ‘Herren der Schöpfung’ in einem Anflug von Größenwahn versuchten, selbst etwas erschaffen, was so komfortabel war wie das verlorene Schlaraffenland oder diesem Zustand wenigstens so nahe wie möglich kam.

Erst mal ging es aber, zugegeben, ums Überleben. Zusehen, dass mehr neue Menschen geboren worden und das fortpflanzungsfähige Alter erreichten, bevor die Alten (alle über 25) gefressen wurden oder einer Krankheit erlagen.
Doch der Mensch - sich schon damals als überlegenes, weil eigenständig denkendes Wesen betrachtend – hatte das Überleben schon sehr bald im den Griff:
Er hakte die grundlegenden Fragen – Unterkunft, Wärme, Landwirtschaft – zügig ab, während alle anderen Geschöpfe an Baumrinden herumnagten oder sich beizeiten mal nach einem guten Versteck vor diesen aggressiven Zweibeinern umsahen.

Wer so ein Versteck fand – “Tiefseegarnelen zum Beispiel oder auch die Yetis” -, verbesserte seine Überlebenschancen drastisch. Denn die Krone der Schöpfung hatte nach dem gelösten Problem des Überlebens ein neues Daseinsmotto: Machtanspruch.

Macht erwies sich als Vorstufe zu ungezügelter Gier und brachte ein Instrumentarium der Gewalt, Skrupellosigkeit, Heuchelei und Selbstbetrug mit sich.

Soweit die Geschichte vom 'Fortschritt' der Menschheit - sozusagen die Summenformel, bei der positive Elemente des Fortschritts durch das aufgehoben ist, was überwog: Schrecken. Bald zeichnete sich Beherrschung des ganzen Globus durch diese eine Spezies – die sich zudem als ausgesprochen widerstandsfähig erwies und der Sintflut trotzte.

Vorbei waren das relativ friedliche Nebeneinander (“etwas anderes nur dann zu fressen, wenn man wirklich Bärenhunger hatte - aber nicht just for Fun oder um Mutti mit einem neuen Pelz zu beglücken”). Auch eine natürliche Auslese fand eher selten statt…(Natürliche Auslese als Evolutionsprinzip ist das genaue Gegenteil einer Zuchtselektion, die nackte Hunde, geklonte Schafe und Mäuse mit Menschenohren hervorbringt).

Das ökologische Gleichgewicht hatte den unüberlegt und gewaltsam durchgesetzten Luxusinteressen dieser Spezies augenscheinlich wenig entgegen zu setzen. Inzwischen scheint das Schicksal der Erde nur noch davon abzuhängen, was der Mensch gerade will (solange wie er es will) und wie schnell er diesen Willen durchsetzt.

Dabei sind die wenigsten Exemplare dieser selbstverliebten Säugetierart untereinander einig - und doch haben 15-20 Prozent von ihnen etwas 'einzigartiges' zustande gebracht:

Eine komplexen, heterogene und verwirrende soziale Struktur, die sie als "Leben im 21. Jahrhundert" bezeichnen. Diese Struktur bringt es mit sich, dass mindestens weitere 15 Prozent in den nächsten fünfzig Jahren entweder draufgehen - oder als 'Klimaflüchtlinge' unverschuldet umher irren werden.”

Zu verantworten hat dieses "Leben im 21. Jahrhundert" allein der Mensch. Kommt er denn damit klar? Ganz bestimmt, denn ihm wurde eine Fähigkeit verliehen, die es ihm ermöglicht, unliebsame Fakten sowie Emotionen beiseite zu schieben - über diese 'Kunst der Verdrängung' wurde weit mehr als ein Buch geschrieben…

Der restliche Planet wäre sicherlich dankbar und zufrieden, den Zustand des Jahres 750.000 v.Chr. beibehalten zu dürfen.

Die gegenwärtige menschliche Existenz ist so schwer zu verstehen, dass es kaum überraschen würde, wenn Außerirdische mit dem erforderlichen Knowhow gegenwärtig von einem Besuch absähen.
Vielleicht warten sie noch ein paar Jahrzehnte ab, bis sich diese egozentrische Spezies Mensch auf die ein oder andere Weise selbst ausradiert hat...danach könnte E.T. still-vergnügt zusehen, wie die Erde sich allmählich von ihrer 'Krankheit' erholt.

Auf jeden Fallen kennen E.T. und seine Alienkumpel die Erde: Der Planet ist im ganzen Kosmos als Wiege der Bürokratie bekannt. Außerdem ist dort seit kurzem der Fernseher Mittelpunkt jeglichen Geschehens.

Denkbar ist jedoch auch, dass ein solcher Werdegang das logische Schicksal jeder intelligenten Zivilisation ist - und E.T. deswegen auch längst nicht mehr existiert? Falls soch, würde E.T. heute eine Welt von verseuchten Ozeanen mit einer gelb-bräunlich verdreckten Atmosphäre vorfinden, deren dominierende Bewohner munter untereinander Krieg führen und einem selbst erschaffenen Phantom namens Al Quaida hinterherjagen.

Eine Nation - von der E.T. weiß, dass sie zwei Weltkriege zu verantworten hat – betreibt lustige Wortspiele und spricht statt Krieg nun lieber von einem "bewaffneten Engagement, bei dem Kollateralschäden (tote Kinder, tote Frauen und tote sonstige Wehrlose) nicht immer zu vermeiden sind"…

Welcher Aspekt würde E.T. vielleicht besonders interessieren?

  • Vielleicht die Frage, wie weit diese Menschen mit ihrer Technik sind. Denn allein davon hängt ab, wie bald Militarisierungsbestrebungen der Erdlinge im Weltraum erkennbar werden. Nur eine Frage der Zeit.
  • Oder die Frage nach dem Verschwinden von Kabeljau, Tigern, Dinosauriern...
    “Vielleicht sahen diese ja das weitere Agieren der Menschheit vorher', mag der Kleine mit dem Leuchtfinger denken - 'und machten sich mehr oder weniger rechtzeitig aus dem Staub”.
  • Von Interesse wäre vielleicht auch die ambivalente Sentimentalität der Menschen gegenüber alten Monumenten und Ruinen: Immerhin wollten sie dieses Weltkulturerbe schützen – und erfanden eine Bombe, die Leben zerstört, aber Bauwerke nicht beschädigt.

Eines würde E.T. vermutlich nicht machen: Er/Sie/Es würde nicht danach fragen, ob und wie viele menschliche Individuen nicht einverstanden sind mit dem, was auf der Erde seit Jahrtausenden angerichtet wird.
Denn diesen 'Andersdenkenden' fehlt seit jeher offensichtlich der Wille oder die Kraft zu einem radikalen Kurswechsel - der nicht in eine andere ideologische Sackgasse führt.

Und doch gibt es sie - Menschen, die nicht länger an seelenlosem Funktionieren und der Hinwendung zu sinnfreien Zielen interessiert sind.
...wann immer ich einen von ihnen treffe, bemühe ich mich, von ihm zu lernen. 

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