Sonntag, 5. Februar 2012

2012 - "die Apokalypse als Chance..."

Nein, die Welt geht 2012 nicht unter.
 
Doch die Inszenierungen und das Geschrei werden immer toller: WELT online beendete 2011 mit dem Artikel "Der Kampf der Optimisten gegen die Pessimisten" und startete ins Neue Jahr mit einer Optimismus-Offensive unter dem dem Titel

"Wir müssen uns die Apokalypse als Chance vorstellen".

Wäre dies eine allgemeine Überlegung, unabhängig von den vor uns liegenden 12 Monaten, dann wäre der Ansatz mir durchaus sympathisch. Aber so entsteht wiederum der Eindruck, als sei die Ende 2012 angeblich bevorstehende Apokalypse schon ausgemacht - und nun müsse man halt das beste daraus machen. Und gerade dieser Eindruck einer unausweichlich vor uns liegenden, globalen Katastrophe zu einem im voraus bekannten Zeitpunkt ist meiner Überzeugung nach grundfalsch!
 
(Daran ändert auch der Umstand nichts, dass in diesem Jahr die Zahl der Medienberichten über den nicht angeblichen Weltuntergang 2012 nochmals kräftig zulegen wird - 'apocalypse sells'. Der österreichische Sender ORF hat im Web schon mal vorgelegt:

Es sind nutzlose Wortsammlungen wie der ORF-Artikel „Chaos und Unruhen“, die dafür sorgen werden, dass dem 21. Dezember 2012 nicht nur Mystiker entgegen fiebern ("An diesem Tag soll etwas Außerordentliches passieren"), sondern auch viele andere Menschen zunehmend in Unruhe versetzt werden.
Auch der Blogger und Astronom Florian Freistetter zeigt sich "etwas deprimiert darüber, dass ein öffentlich-rechtlicher Fernsehsender das Jahr mit esoterisch motivierten Katastrophenvorhersagen beginnt..." - Mittlerweile habe sich der Mythos vom endenden Maya-Kalender in den Medien dermaßen festgesetzt, sodass die Erklärung sich erübrige, weshalb ein Kalender nicht enden kann, auch nicht der der Maya.)

2011 habe "die Welt der Deuter, Interpreten und Kritiker sich in einem Dauerzustand der aufgeregten Naherwartung befunden ... und gewartet und gewartet, von von einer (realen) Katastrophe bis zur nächsten - und im Wettkampf der Schlagzeilen wurde eine Flaute an der Börse zum drohenden Zusammenbruch eines Finanzmarktes." Naja, gegenwärtig haben die Medien Besseres zu zu tun - wie seit Monaten auf Bundespräsidenten einzudreschen. Sogar Moderatoren und Redakteure der konservativen Medien fühlen sich so langsam zum Wahrsager berufen, während man bei Welt online geradezu inflationär phönixhafte Chancen zu entdecken glaubt (Nicht nur die 'Apokalypse', sondern auch "die große Euro-Krise ist eine Chance...", was im zweiten Fall eventuell sogar zutrifft). Der Weltuntergang übe nicht nur eine morbide Faszination aus, sondern habe als 'aufreizende Denkfigur' offensichtlich einen beeindruckenden Lookwechsel vollzogen: 

Die Empfindung existenzieller Bedrohlichkeit zeige sich inzwischen in ihrer Düsternis schillernd und kokett: Einen nach dem anderen habe die Lust am Untergang gepackt. Sorry, aber das ist in meinen Augen Humbug - außer denen, die beruflich oder auf eine andere Weise vom Erfinden neuer, immer groteskeren Endzeitszenarien profitieren, empfindet die Mehrheit der Untergangsgläubigen vor allem eines - irrationale, aber verständliche Angst

Wer Angst hat, trifft nicht nur ungute Entscheidungen, sondern tendiert dazu, allgemein zu über-reagieren. Daraus entstehen ungünstige Rahmenbedingungen für den durchaus nicht unwahrscheinlichen Fall, dass es in diesem Jahr zu sozialen, politischen und wirtschaftlichen Veränderungen kommt, die sich im Gegensatz zu diversen Weltuntergängen als sehr real erweisen könnten. Nicht Märkte reagieren panisch, sondern Menschen - insbesondere dann, wenn sie seit Jahren düsteren Ankündigungen ausgesetzt - jetzt auch noch in der Werbung (... findet jemand so etwas originell?):

 

Der Ansatz, in negativen Ereignissen auch nach positiven Aspekten und Anknüpfungspunkten zu suchen, ist verglichen mit solchen Auswüchsen sicher sinnvoll - auch aus psychologischen Erwägungen. Insoweit ist eine Vorschau auf Erfreuliches in diesem Jahr zu begrüßen. Mein Einwand bezieht sich vielmehr darauf, dass wir uns dieses eine Jahr nicht mehr schönreden müssen als die Folgejahre auch. Man braucht nicht nach Chancen in einer Apokalypse zu suchen, wenn keine Endzeit unmittelbar ansteht. Was binnen einiger Jahrzehnte aus der Menschheit wird, ob sie sich ihre eigene Zukunft gekonnt verbaut, ist eine andere Frage. Mit diesem Bezug nach Chancen und konkreten Lösungsansätzen zu suchen, so lange noch Zeit ist, hätte immerhin mit der Realität zu tun. Der Autor des o.a. WELT-Artikels scheint dies auch im Sinn zu haben, ungeachtet der unglücklichen Titelwahl:
Lässt man für einen Moment von den Verführungen des Untergangs ab, dann ergibt sich ein Schwung zu anderen Denkfiguren – die eben nicht einfach nur schillern, sondern auch beweglich sind.

Das Geld anderer Leute

...scheint mir ein sehr wesentlicher Aspekt zu sein für jene, die unermüdlich daran arbeiten, die das Thema 'terminierter Weltuntergang' im TV und Internet wach zu halten. Auch Freistetter hat sich die Mühe gemacht, einige Endzeit-Profiteure zusammen zu stellen: 2012: → Wer verdient am Weltuntergang?" Den vielen Lesern und Rezipienten scheinen Ungereimtheiten nicht sonderlich zu stören - wie etwa der Umstand, dass die Verfasser und Urheber solcher Bücher und TV-Shows (die Bezeichnung 'Dokumentation' wäre unangemessen, denn sie suggeriert Sachlichkeit) zwar zu wissen glauben, dass die Welt untergeht oder wenigstens schwerste Umwälzungen bevorstehen. 

Doch es besteht nach wie vor große Uneinigkeit über die erwartete Ursache - für mich ein wesentliches Anzeichen, dass die Vorhersagen primär auf unbegründeten Spekulationen beruhen. Inzwischen verschieben einige den 'letzten aller Tage' schon auf 2014 oder einen noch späteren Termin. Das ist verständlich, denn so kann das Geschäft mit der Angst noch eine Weile fortgesetzt werden...
 

Differenzieren tut not

Ich bestreite keineswegs den Eindruck, dass wir uns in einer schwierigen Phase befinden, in der Anzahl und Intensität der Krisen und Hiobsbotschaften als zunehmend erlebt wird: Wirtschafts- und Eurokrise, Gefahren eines globalen Konflikts, Unregelmäßigkeiten im Wetter (begleitet von Versicherungen, das sei 'noch nicht' der Klimawandel) und Erdbeben / Tsunamis - etwas aus dieser langen Liste begegnet uns täglich. Derweil sind wir schon 'untergangs-geschädigt': kaum jemand kann sich der Überflutung mit negativen Vorhersagen einer Endzeit ganz entziehen; das bleibt nicht ohne Wirkung! Suchen wir also ruhig nach Chancen & Lösungen - aus von uns selbst verursachten Krisen, nicht in Bezug auf unangebrachte Weltuntergänge:
Es geht nicht um das Ende der Welt, sondern um ihr Werden.
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PS: Manche Leute setzen sich auf ihre eigene Weise kritisch mit dem Thema auseinander, das wohl die kaum jemanden ganz unberührt lässt:

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