Montag, 6. Februar 2012

Bruce Allmächtig - Leistet Gott schlechte Arbeit?

Bruce Almighty (2003)

Leistet Gott schlechte Arbeit? Der unzufriedene Fernsehreporter Bruce Nolan macht den obersten Manager jedenfalls für jegliche Tiefschläge in seinem Leben verantwortlich - und allgemein auch dafür, dass nichts so läuft, wie er es sich vorstellt.

Gott ist für ihn ein "fieses Kind mit einem Brennglas" (um 'Ameisen' zu verkohlen?).Tatsächlich tritt Gott (dargestellt von Morgen Freeman) in Kontakt zu Bruce - und bietet diesem seinen Job an, den von Gott persönlich.
Als Gott ihm seine Nummer auf den Pager sendet, ignoriert Bruce dies mit den lapidaren Worten "Dich kenn' ich nicht".
Mit göttlichen Belehrungen kann Bruce zu diesem Zeitpunkt noch nicht viel anfangen, er erhofft sich schnelle Lösungen seiner Probleme anstelle von Worten wie "Der Wert guter körperlicher Arbeit wird heute unterschätzt - da liegt Freiheit drin ... einige der glücklichsten Menschen stinken wie ein Frettchen, wenn sie nach der Arbeit nach Hause kommen..."

Gott selbst macht eine Weile Urlaub, nachdem Bruce alle göttlichen Fähigkeiten übertragen wurden:
"Wenn du denkst, du kannst es besser - Jetzt hast du die Gelegenheit!" "...du kannst alles in 5 Minuten in Ordnung bringen, wenn du willst."

Ansonsten gibt es nur zwei Regeln: Er darf niemandem sagen, dass er Gott ist, und er kann den freien Willen der Menschen nicht beeinflussen. Bruce nutzt seine neu gewonnenen Kräfte für sich, indem er z.B. für einen romantischen Abend mit seiner Freundin den Mond mit einem Lasso näher zur Erde zieht. Dabei übertreibt er es ganz schön: Seiner Freundin verpasst er ungefragt eine Brustvergrößerung, er demütigt er seinen Rivalen Evan vor laufender Kamera, lässt die Leiche von Jimmy Hoffa finden und einen Meteoriten während einer laufenden Reportage einschlagen. Bald nennt man ihn Mr. Exclusive - denn bei seinen Sensations-Berichten ist er dank seiner Allwissenheit stets mit Kamera vor Ort. 

Doch Bruce ist mit seinem neuen Job und seiner eigenen Göttlichkeit schnell überfordert: Alle ihn erreichenden Gebete (zur Abarbeitung von Gebeten nutzt Bruce den E-Mail-Dienst „Yahweh": ... You've got prayers") beantwortet er positiv; so gewinnen  Tausende von Menschen gleichzeitig im Lotto - sind aber wütend und unzufrieden wegen der niedrigen Gewinnquoten. Der Meteoriteneinschlag führt zu Stromausfällen und der veränderte Mond zu Überflutungen. Schließlich verlässt ihn auch noch seine Freundin. Derweil tobt in der Stadt das Chaos.

Gott lässt sich von Zeit zu Zeit sehen, um Bruce wenigstens manchmal zum Nachdenken zu bringen. Auf die Frage "Wie bringt man Menschen dazu, einen zu lieben, ohne in seinen freien Willen einzugreifen?" antwortet er: "Das ist das Problem - willkommen in meiner Welt..."

Schließlich beginnt Bruce zu verstehen: Macht bringt Verantwortung mit sich. Er hat sein Potenzial so gut wie nie genutzt, um anderen etwas Gutes zu tun. Eine Katharsis (Läuterung) setzt ein, die damit endet, dass er zu Gott zurück findet und ihm 'beim Aufwischen hilft'.


Gerade in dieser Szene zeigt sich der entscheidende Unterschied zwischen Film- und realer Welt, als Gott erklärt: "Ganz egal wie dreckig etwas wird, man kann es immer wieder saubermachen."
Gut gemeint, aber kaum allgemein zutreffend: der Verlust eines geliebten Menschen mag eine Wunde verursachen, die zwar mit der Zeit heilt - doch lässt sie sich kaum ungeschehen machen, jedenfalls nicht während dieser einen irdischen Lebensspanne. Auch psychische Schädigungen in frühen Lebensjahren lassen sich weder ausradieren noch in allen Fällen hinreichend therapieren oder kompensieren.
"Die Menschen wollen immer, dass ich alles für sie tue. Und dabei vergessen sie, dass sie es selbst in der Hand haben.
Gebete sind jedoch nicht etwa dumm oder schlecht, besonders wenn sie uneigennützig sind...Bruce realisiert seine Fehler: er hat den Menschen 'gegeben, was sie wollten' und dabei einen wichtigen Umstand ignoriert: Viele wissen nicht was sie wollen, noch viel weniger aber, was gut für sie ist. Wünsche und Begierden fortwährend zu befriedigen und dem eigenen Ego zu schmeicheln ist daher kein geeignetes Rezept für ein erfülltes, glückliches Leben. 

Wieder ein normaler Mensch, doch mit einzigartigen Erfahrungen erhält Bruce schließlich wieder einen alten Job, seine Freundin kehrt zu ihm zurück und er versöhnt sich mit sich selbst und seinem Leben... 
Dass er einiges begriffen hat, zeigt vor allem diese kurze Szene:




Empathie, Demut und Bescheidenheit sind zwar noch etwas ungewohnt für den ungestümen Bruce, aber er bekommt das mit der Zeit ganz gut hin. Ihm ist eine Gnade zuteil geworden:

Die Begegnung mit Gott, die in seinem Fall über jeden Zweifel erhaben ist, erweist sich als Schlüsselerlebnis und Anfangspunkt, ein völlig anderes Leben zu führen. Tja, mit einer solchen Gewissheit ist bzw. wäre es entschieden leichter, 'das eigene Leben in Gottes Hände zu legen'. In der Realität vieler Menschen läuft es anders ab: sie stehen vor der Entscheidung, sich auf den bloßen Verdacht hin auszuliefern, dass 'da oben' jemand für sie sorgt. 

Ohne bewusst erlebte Gotteserfahrung fürchten sie, sich zum Affen zu machen, indem sie womöglich ihre Hoffnungen und ihr Vertrauen auf eine unsichtbare Wesenheit zu setzen, die im ungünstigsten Fall nur in der Vorstellung existiert. Auch im Fall von Bruce leistet Gott zunächst einige Überzeugungsarbeit, damit Bruce ihn bzw. seinen Avatar ernst nimmt. So gesehen bildet 'Bruce' wohl eine Ausnahme, denn dem 'normalen' Menschen wird eine ultimative, unwiderlegbare Gotteserfahrung vermutlich nur selten zuteil. Die Entscheidung, welcher Weg diesbezüglich einzuschlagen ist, kann und sollte ein jeder von uns nur für sich alleine treffen.-  


Der Ernsthaftigkeit des Themas nicht angemessen?

Dass Bruce sich nicht um die Abschaffung von Leid und Armut, Krieg und Hunger kümmert, sondern zuerst und vor allem um sich selbst, sei der Intention von Regisseur Tom Shadyac geschuldet - denn:
"Shadyacs Film ... bleibt in ironischer Distanz zum Geschehen und zeigt die aufs engste Umfeld beschränkte Weltverbesserungsoffensive eventuell als Gipfel der Egozentrik, als Ausdruck stupider Gleichgültigkeit der privilegierten Wohlstandsbürger der Industrienationen gegenüber den realen Problemen der Welt." (Stuttgarter Zeitung - 'Gott hat's nicht leicht')
Damit klammere der Film zentrale Aspekte des göttlichen Managements aus, indem er sich der Einfachheit halber hinter der Wahrnehmungsbeschränkung von Bruce verstecke. Spätestens hier verliere die Komödie ihre Unschuld:
"... das reale Gebetsaufkommen dieser Welt handelt nicht nur von Beförderungen und Gehaltserhöhungen, neuen Autos und Bestrafungen des bösen Nachbarn. In ihm schreit das schrecklichste Elend nach Linderung und Hilfe. Dieses Flehen will Shadyacs Film lieber nicht zur Kenntnis nehmen." 
Die Essenz der Kritik: jeder Film über Gott, auch eine ironische 'Himmelskomödie', impliziere eine evangelikale Komponente. Diese führe Allgegenwart und Allmacht Gottes vor, der uns als realen Faktor der erfahrbaren Welt vorgestellt werde. Damit müsse er sich entweder den großen theologischen Fragen von der Theodizee bis zum freien Willen stellen; oder er gebe sich der Einfachheit halber zufrieden mit fadem Trost, dem stummen Wegschauen und feiger Frömmigkeit.
Harte Worte, die ich nicht ganz teile. Kein Filmregisseur ist imstande, alle großen Fragen der Theologie in einem Film zu thematisieren - schon gar nicht in einer Komödie. 'Bruce Almighty' greift vor allem die menschliche Unzufriedenheit auf, deren Ursachen so gerne auf Gott projiziert werden. Vermutlich ist auch die Zielgruppe dieses Films zu berücksichtigen: eine Komödie (wie z.B. auch 'Sister Act') behält die Chance, auch zu jenen vorzudringen, die bei ernsten Werken wie etwa 'Quo Vadis' oder 'Gespräche mit Gott' entnervt wegzappen.
Meines Erachtens spricht der Film uns nicht von aller sozialen Verantwortung frei, sondern warnt davor, Gott allein für alles 'Schlechte' in der die Verantwortung zuschieben zu wollen.


(Die geforderte Ernsthaftigkeit findet man in dem zweiten Teil ('Evan allmächtig', 2007) erst recht nicht - eine modernisierte Verzerrung biblischer Erzählung persifliert den Bau einer Arche in einer merkwürdigen Kombination von Ulk und ernsthaften Aspekten. Natürlich könnte man darüber nachdenken, wie die westliche Gesellschaft heute mit Noah verfahren würde - doch der Stoff ist kaum für eine Komödie geeignet.
In einer modernen Arche würde die Polit- und und Wirtschaftselite sitzen...nun ja, wenn dieses Schiff die Bande dann zu einer einsamen Insel schaffen würde, von der sie sich nicht mehr entfernen könnten...:)

Vorbild der Unvollkommenheit

Wenn ein Bild schon mehr als tausend Worte sagen kann, dann hat dieser Film es voll drauf (obgleich die komödiantischen Einlagen selten über das Niveau von Taschenspielertricks hinaus gehen). Es fällt nicht besonders schwer, Facetten der Persönlichkeit von Bruce bei sich selbst wieder zu finden: nicht wenige von uns empfinden Zweifel und äußern Kritik an der Schöpfung und ihren inneren Prinzipien, welche kaum als Ganzes mit seinen innewohnenden Wechselwirkungen erfahrbar sind.

Die Versuchung ist ziemlich groß, sich einzubilden, man selbst würde bessere Prinzipien installieren als die gegenwärtig wirkenden (oder als die egoistischen Einfälle von Bruce): Wenn beispielsweise ein Raucher körperlich erkrankt, denken wir in Unkenntnis der Hintergründe leicht 'selbst schuld', auch wenn wir ehrliches Mitleid empfinden. Solche kausalen Zusammenhänge sind noch 'irgendwie einsehbar' und hinnehmbar. 

Kausalität erklärt aber nicht alles, was als Unglück empfunden wird: Unverdientes Leid - das ist es doch, was wir gerne allen Menschen ersparen würden - nicht zuletzt uns selbst. Gestehen wir uns ein, dass wir keine im Gesamtkontext bessere Lösung (='optimierte' Schöpfungsprinzipien/Naturgesetze) kennen, bleibt es bei einem hilflosen, manchmal verbitterten "Aber bitte nicht so!" Vielleicht hat Leibniz ja Recht mit seiner Aussage 'Wir leben im besten aller möglichen Universen.'? Die Konsequenz aus dieser Einsicht: Verändern können wir nur uns selbst.



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