Eine Legende über die Relativität von Raum und Zeit
Bereits um die Gründung von Kloster Heisterbach rankt sich eine Sage: Zisterzienser-Mönche, welche seit dem 12. Jhdt. auf dem Petersberg (der früher auch Stromberg genannt wurde) siedelten, erhielten vom Kölner Erzbischof, um die Erlaubnis, sich ein anderes Zuhause zu suchen. Nach einigen Diskussionen machte sich Ratlosigkeit breit: wohin sollten sie gehen? Letztlich entschieden die Mönche, sich auf den Instinkt von 'Bruder Matthes' zu verlassen, das war ihr Esel ...weiterlesen.-Tatsächlich waren am 22. März 1189 auf Ersuchen des Kölner Erzbischofs Philipp von Heinsberg waren zwölf Mönche des Zisterzienserklosters Himmerod unter ihrem Abt Hermann auf den Petersberg gezogen. Vier Jahre später zogen sie ins Heisterbacher Tal, wo in den Jahren von 1203 bis 1237 die Abteikirche errichtet wurde. Informiert man sich auf der liebenswürdigen und interessanten Webseite "Rheindrache" eingehender, so erfährt man: die Abtei zählte zu den bedeutende Bauten der Spätromanik in Deutschland.
Eine weitaus bekanntere Legende (die Abtei von Heisterbach gab es immerhin wirklich) spiegelt möglicherweise eine Vorahnung der von Einstein beschriebenen die Relativität von Zeit (und Raum) wieder: Sie berichtet von einem in jenem Kloster Heisterbach lebenden Mönch, der sowohl seine Heilige Schrift sehr gut kannte als auch andere Wissenschaften betrieb, um Gottes Schöpfung zu erforschen. Hierbei sei er "in Zweifel und dadurch wiederum in große Unruhe" geraten. Seinem Abt blieb diese Veränderung nicht verborgen; eines Tages redete er dem Mönch ins Gewissen: Wissen mache noch längst nicht weise - und:
"Was nützte es dir denn, wenn du die ganze Welt begriffest und dabei Schaden littest an deiner Seele?"Der verstörte Mönch betete um seinen Glauben, doch dieses "unwissende Vertrauen auf Gott, wollte sich nicht mehr einstellen. Etliche Bibelworte ließen ihn grübeln, insbesondere die Worte in einem Psalm:
„Tausend Jahre sind vor Gott wie ein Tag.”Angestrengt sann er über das "Wesen der Zeit nach und wie sich dieses zu Gottes eigenem Wesen verhält". Gott aber habe den Mönch zugleich "in die Zeit- wie in die Ratlosigkeit geführt", als jener eines Tages einen Waldspaziergang unternahm und wie so oft über Zeit und Ewigkeit nachgrübelte...
Einem seltsamen Vogel folgend verirrt er sich in dem Wald, setzt sich auf einen Baumstein und "schloss ruhig atmend die Augen, indes der Vogel jetzt über ihm in den Wipfeln verharrte und alle Freude der Welt auf ihn hernieder sang."
Dann schläft er ein.
Als er erwacht, begibt sich der Mönch leicht verwirrt, aber ausgeschlafen zurück in sein Kloster; doch dort hat sich einiges verändert: Er glaubt beinahe, in einer fremden Umgebung zu sein. Sogar einige bauliche Veränderungen fallen ihm auf. Niemand erkennt ihn, er ist um Jahrzehnte gealtert und hat schneeweißes Haar ...nun spürt er auch "eine sonderbare Müdigkeit in den Gliedern". In der Kirche erkennt er keinen seiner früheren Mitbrüder - und niemand kennt ihn. Voller Entsetzen platzt er mitten in ein gemeinschaftliches Gebet und fragt aufgeregt, wo denn die anderen seien...:
"Dann erkundigte man sich, wie er heiße und woher er komme. Und man begriff ihn nicht, als er antwortete, dass er Ivo heiße und im gleichen Jahr hier zu Heisterbach ins Kloster eingetreten sei, als Engelbert von Berg Erzbischof von Köln wurde . „Das sind dreihundert Jahre her”, sagte ungläubig der Abt und machte dazu ein Gesicht, als meinte er, einem Verrückten gegenüberzustehen. Da aber trat ein weiterer Mönch hinzu und sprach: „Nanntest Du dich soeben nicht Ivo? In den Annalen unseres Klosters steht vermerkt, dass ein Mönch dieses Namens zu Engelberts Zeiten hier im Kloster lebte Er soll sehr gelehrt, doch ein Zweifler gewesen sein. Eines Tages verschwand er im Walde und kehrte nie mehr zurück.”
Wie vom Blitz getroffen, stand da Ivo. Plötzlich begriff er alles. „Denn tausend Jahre sind dir wie ein Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache” erklang es in ihm Mit schimmernden Augen, aus denen Tränen rannen, blickte er die Brüder alle an. Dann begann er mit zitternder Stimme zu erzählen, wie er bei all seinem gelehrten Forschen zum Zweifler geworden war und wie Gott ihn in die Zeitlosigkeit geführt hatte, um ihn erst jetzt wieder daraus zurückkehren zu lassen. Pater Ivo brach vor dem Altar auf die Knie nieder und stammelte: „Ein Wunder hast Du, o Herr, an mir getan. Sei gepriesen in Ewigkeit!” Eine unsagbare Seligkeit erfüllte sein Herz. Und indem die anwesenden Mönche noch erstaunt auf ihn blickten und nicht wussten, was sie von alledem denken sollten, sank er plötzlich nach vorn auf sein Gesicht, streckte wie zum demütigen Gebet langsam die Arme aus - und verschied.-"
Chorruine Kloster Heisterbach (Quelle: Wikimedia) |
Der Mönch von Heisterbach
von Wolfgang Müller von Königswinter
Ein junger Mönch des Klosters Heisterbach
Lustwandelt an des Gartens fernstem Ort.
Der Ewigkeit sinnt still und tief er nach
Und forscht dabei in Gottes heil'gem Wort.
Er liest, was Petrus der Apostel sprach:
Dem Herren ist ein Tag wie tausend Jahr
Und tausend Jahre sind ihm wie ein Tag.
Doch wie er sinnt, es wird ihm nimmer klar.
Und er verliert sich zweifelnd in den Wald.
Was um ihn vorgeht, hört und sieht er nicht.
Erst wie die fromme Vesperglocke schallt,
Gemahnt es ihn der ernsten Klosterpflicht.
Im Lauf erreichet er den Garten schnell;
Ein Unbekannter öffnet ihm das Tor.
Er stutzt - doch sieh, schon ist die Kirche hell
Und draus ertönt der Brüder lauter Chor.
Nach seinem Stuhle eilend tritt er ein.
Doch wunderbar, ein andrer sitzet dort,
Er überblickt der Mönche lange Reih'n:
Nur Unbekannte findet er am Ort.
Der Staunende wird angestaunt ringsum,
Man fragt nach Namen, fragt nach dem Begehr,
Er sagt's, da murmelt man durchs Heiligtum:
Dreihundert Jahre hieß so niemand mehr.
Der letzte dieses Namens, tönt es laut,
Er war ein Zweifler und verschwand im Wald;
Man hat den Namen keinem mehr vertraut,
Er hört das Wort, es überläuft ihn kalt.
Er nennt den Abt und nennt das Jahr.
Man nimmt das alte Klosterbuch zur Hand,
Da wird ein großes Gotteswunder klar:
Er ist's, der drei Jahrhunderte verschwand.
Der Schrecken lähmt ihn,
plötzlich graut sein Haar.
Er sinket hin, ihn tötet dieses Leid.
Und sterbend mahnt er seiner Brüder Schar:
Gott ist erhaben über Ort und Zeit.
Was er verhüllt, macht nur ein Wunder klar.
Drum grübelt nicht, denkt meinem Schicksal nach.
Ich weiß, ihm ist ein Tag wie tausend Jahr,
Und tausend Jahre sind ihm wie ein Tag.
Hallo! Solche Geschichten kenne ich auch. Es sind immer Einsiedler, oder Mönche die verschwinden und nach vielen Jahren plötzlich wieder auftauchen, als wäre die Zeit für sie stehen geblieben. Leider fällt mir im Moment nicht ein wo ich das gelesen habe, aber ich glaube die Geschichten handelten in Wien/Umgebung.
AntwortenLöschenStimmt, dieses Motiv ist nicht gerade selten und kommt in Geschichten aus vielen Regionen vor.
LöschenDie ausgewählte Legende bezieht sich auf einen Ort, wo ich einen Teil meiner Kindheit verbracht habe.
Grüße
George