Sonntag, 26. Februar 2012

Grausamer, liebender Gott? Die Frage nach dem 'richtigen' Gottesbild

"Das richtige Gottesbild" - Vortrag von Gerhard Padderatz

Gott muss oft dann herhalten, wenn die Menschen einen Schuldigen brauchen. In einer 'schlechten' Zeit mit Naturkatastrophen und wirtschaftlichen Krisen nimmt die Religiosität allgemein zu, weil Gott als Urheber dieser Unglücksfälle angesehen wird bzw. weil man sich Hilfe von ihm erhofft. Der Vortrag von Gerhard Padderatz beschäftigt sich mit einer Reihen von Anekdoten des A.T., in denen der biblische Gott als Urheber von Kriegen und ethnischen ‘Säuberungen’ dargestellt wird. Mit dem ‘lieben Gott’ nach heutigem Verständnis sind sich solche Episoden kaum kompatibel.

Ist es wirklich Gott, der für diese Grausamkeiten verantwortlich ist? Wenn er wirklich gütig und barmherzig ist, warum sollte Gott dann die Freundschaft und Liebe zu ihm mit der Drohung 'Liebt mich, oder ich foltere euch für alle Zeit' erzwingen (und damit seit so vielen Jahren gescheitert sein)?
In den meisten christlichen Gemeinschaften herrscht die Vorstellung von einem distanzierten, strengen Gott vor, der je nach Laune (und wen er vor sich hat) auch mal barmherzig ist. Jedenfalls resultiert diese Vorstellung aus der Lektüre der Bibel, sofern man die 'unangenehmen' Kapitel nicht ausblendet.
Dass Gott sich nicht ständig über die Kausalität hinweg setzt und in das Geschehen von Ursache & Wirkung der materiellen Welt einmischt, scheint mir persönlich einleuchtend. Daraus folgt auch, dass nicht jedes Gebet erhört wird - und dass es manchmal wohl auch ganz hilfreich sein mag, wenn ein Gebet nicht zum sichtbaren Erfolg führt. Doch mit dem Bestrafungskonzept, insbesondere die Idee einer ewigen Strafe für 'Sünder und Ungläubige', tue ich mich ausgesprochen schwer - wie auch mit der biblischen Behauptung, Gott habe sowohl die Ausrottung ganzer Völker befohlen als auch die grausame Steinigung einzelner.
Wer die ganze Bibel liest, stellt fest, wie oft in ihr von Strafe, Vernichtung und auch Rache die Rede ist. Die Frage „Können wir Vertrauen haben zu einem Gott, der mit Feuer und Tod droht?" ist somit durchaus naheliegend. Lautet die Botschaft des biblischen Gottes tatsächlich "Wenn ihr mich nicht liebt, werde ich euch vernichten?“
Hier wiegen die Furcht einflößenden Berichte der Bibel schwerer als die Geschichten über die Liebe Gottes zu den von ihm Auserwählten. Kann man so einem Gott blind vertrauen und sich wünschen, dass sein Wille geschehe? Intuitiv wissen wir: zwar lassen sich Gehorsam und Unterwerfung durch Androhung von Gewalt erzwingen, nicht aber wirkliche Freundschaft oder gar Liebe. Doch Gott agiert im A.T. so, und auch Jesus sagt seinen Jüngern deutliche Worte:
„Dies ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt.“ Und dann fügt er noch hinzu:
„Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete.“
Johannes 15,12;15,14
Warum spricht Gott so? Sollte man annehmen, die Menschen damals hätten keine andere Sprache nicht verstanden? Konnten sie nicht glauben, dass sie Freunde Jesu und Freunde Gottes sein durften? Sollte Gott dieses Wesensmerkmal des Menschen nicht verstehen oder einfach ignorieren?

Das richtige Gottesbild - Ist Gott grausam? Gibt es eine Hölle?




(Auch dieses Buch mit dem Titel "Knechte oder Freunde?" thematisiert die zentralen Fragen, die viele Menschen sich in Bezug auf das Konzept 'Glaube durch Strafe' stellen: 
„Wenn du möchtest, dass wir deine Freunde sind, warum ist dann ein großer Teil der Bibel so geschrieben, als wären wir Knechte, die einfach nur zu gehorchen haben, und das unter Androhung von Strafen?"
Leider ist die gegebene Antwort nicht von der gleichen Güte wie diese Fragen: Letztlich läuft sie darauf hinaus, dass wir die Beweggründe Gottes nicht verstehen können und ihm deshalb vertrauen sollten. 
"...Gott liebt die Menschen so sehr, dass er es riskiert, vorübergehend gefürchtet und sogar gehasst zu werden, wenn er dadurch vielleicht verhindern kann, seine Kinder ganz zu verlieren.")
Der Bibeltext „Wen der Herr lieb hat, den züchtigt er“ werde leichter begreiflich, wenn in der Übersetzung anstelle 'züchtigen' die Verben 'erziehen, trainieren oder korrigieren' verwendet werden. Die in der Bibel genannten Grausamkeiten werden dadurch für mich nicht nachvollziehbar, sofern diese Gott überhaupt zugeschrieben werden sollten.
So weit bin ich einverstanden: Unser gesamtes Leben unter anderem dient dazu, zu lernen oder besser gesagt, bestimmte
Einsichten durch Erfahrungen und  zu verinnerlichen. Doch dazu bedarf es keiner übernatürlichen Strafe, das Prinzip der Kausalität ist mehr als ausreichend: Zu realisieren, dass eigene Entscheidungen und Handlungen immer zu adäquaten Konsequenzen führen, wird (früher oder später) so manche Verhaltenskorrektur bewirken.

Auf diese Weise mag jeder von uns irgendwann an den Punkt gelangen, der im Film von wenn Neale Donald Walsch reichlich plakativ dargestellt ist (Ich meine die Szene, wo Walsch sich an einem weiteren Tiefpunkt seines Lebens befindet und sich plötzlich die Stimme Gottes (mit viel Hall) die Worte an ihn richtet: „Hast du endlich genug?“):
Bestimmte Erfahrungsmomente werden uns immer wieder aufgetischt, bis wir 'es' kapieren...
Bleiben wir noch etwas bei Walsch's Film 'Gespräche mit Gott'. Obwohl die Symbolik bisweilen platt (oder sogar ‘erbärmlich’?) ist, sind darin einige wesentliche Aussagen zum richtigen oder falschen Gottesbild enthalten. Einige Zitate, sinngemäß wiedergegeben:
“Ihr habt die Elternrolle auf Gott projiziert ... und seid so zu einer Vorstellung von Gott gelangt, der richtet, belohnt oder bestraft. ... Die auf angst gegründete Realität beherrscht die Erfahrung von Liebe. Brauchst du die Angst, um dass zu tun was an sich gut und richtig ist? Muss dir gedroht werden, damit du gut bist?
Du selbst legst die Richtlinien fest. Liebe ist Alles, aber in schwierigen Zeiten zieht ihr vor, das zu vergessen.”
Rhetorische Fragen, welche die Idee wirksam entkräften, dass ein gütiger und allwissender Gott seine bewussten Geschöpfe individuell strafen sollte. Was könnte auch durch grausame Zwangsmaßnahmen erreicht werden - vor allem nach dem irdischen Leben, wenn sich jeder pädagogische Zweck erledigt hat? Und vorher: Kaum mehr als eine äußerliche Verhaltensanpassung, geboren aus Angst und Unterwürfigkeit, bestenfalls Erfurcht.
Doch kein noch so mächtiger Schöpfer wird Empfindungen wie Liebe und ehrliche Dankbarkeit ihm gegenüber mit brutalem Zwang erzeugen.
Eine tiefgreifende innere Veränderung benötigt zudem Zeit und vor allem Selbst-Erkenntnis. Sie kann von außen unterstützt, aber niemals herbeigeführt werden. Für mich ist nicht erkennbar, warum ein alles wissender Gott, der uns besser kennt als wir uns selbst, diesen Umstand übersehen sollte.

Sollte ich dich bestrafen, weil du eine Wahl getroffen hast, vor die ich dich gestellt habe?”
Eine Fragestellung reicht im Grunde als Richtschnur für alles Handeln im Leben aus: Was würde die Liebe jetzt tun?
Erfahrung sei das primäre 'Kommunikationsvehikel' Gottes, heißt es an anderer Stelle bei Walsch. Als Folge des Ignorierens unserer Erfahrung durchlebten wir sie stets von neuem. Säen..ernten… säen..ernten ...
Bibeltreue Christen sehen das verständlicherweise anders: Der Herr sei eifersüchtig, er  habe Verehrung und Respekt eingefordert, sogar erzwungen ... ein so kleinmütiger Gott ist für mich nicht vorstellbar, jedenfalls nicht als ein unendlich mächtiger, wissender und schöpfender Geist.
Indessen sind die uns grausam erscheinenden Bibelstellen nicht weg zu diskutieren, manche von ihnen beziehen sich auf reale Ereignisse. Ich habe keinen Zweifel daran, dass von Menschen begangene Taten wie Folter, Morde und Vernichtung dem biblischen Gott JHWH in die Schuhe geschoben wurden.
Wurde hier der Versuch unternommen, diesen Gott für politische Zwecke zu instrumentalisieren und menschliches Verhalten durch seine ‘Intervention’ zu rechtfertigen? Für mich bleibt es bei meiner Überzeugung, dass Gott nicht grausam ist.

(Falls es aber so etwas gäbe wie ‘Halbgötter’ – Wesenheiten, die zwar nicht allmächtig, uns Menschen dennoch weit überlegen sind und zudem eigenständige Ziele verfolgen, dann entstünde ein anderes Bild.)
In diesem Zusammenhang ist auch die Frage zu stellen, ob wir Menschen uns bisweilen nicht viel zu wichtig nehmen. Seit wenigen Jahren erst nimmt die Astrophysik zur Kenntnis, dass Sterne wie die Sonne mit einer Reihe von sie umgebenden Planeten der Normalfall im Weltall zu sein scheint. Solange man nur die Sterne, nicht aber die Planeten beobachten bzw. durch Messungen nachweisen konnte, glaubte man an die Einzigartigkeit unseres Sonnensystems.
Wenn aber eine Vielzahl solcher Konstellationen existiert, haben sich womöglich auch Milliarden von Zivilisationen bewusster, intelligenter Lebensformen entwickelt. Dieser Gedanke ist tröstlich und verwirrend zugleich: wir Menschen wären, träfe er zu, zwar nicht einsam in einem riesigen, ansonsten unbelebten Universum – aber wir wären dann sicher nicht länger die Krone und das Zentrum der Schöpfung:
“Das ist die große Illusion, der du anheimgefallen bist: Du glaubst, dass Gott sich auf die eine oder andere Weise darum bekümmert, was du tust. ...bekümmert es dich denn, was deine Kinder tun, wenn du sie zum Spielen hinaus schickst? Ist es für dich von irgendwelcher Bedeutung, ob sie Fangen oder Verstecken oder Ochs am Berg spielen? Nein - und zwar weil du weißt, dass sie sich in Sicherheit befinden. Du hast sie in eine Umgebung gebracht, die nach deinem Dafürhalten freundlich und ausgesprochen in Ordnung ist. Selbstverständlich wirst du immer hoffen, dass sie sich nicht verletzen.
Und wenn es geschieht, bist du da und hilfst ihnen, heilst sie, lässt sie sich wieder sicher fühlen, wieder glücklich sein und wieder hinausgehen und einen weiteren Tag mit Spielen verbringen.
Der wirkliche Trost dieser Aussage liegt für mich aber in einem anderen Umstand: Auch wenn wir dies gegenwärtig nicht erfassen können, kann uns (unserer unvergänglichen Seele) nichts wirklich Schlimmes geschehen – denn letztlich ist da ‘jemand’, der auf uns aufpasst – auch wenn ‘er’ nicht erkennbar reagiert, wenn wir von Zeit zu Zeit stolpern oder straucheln...

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