Sonntag, 26. Februar 2012

Der Urknall - ein Irrtum?

In der Physik wird gerne der Eindruck vermittelt, als habe sich Urknalltheorie seit den 1970er Jahren als einzige, alternativlose Theorie von der Entstehung der Welt erwiesen denkbare. Dass alternative Ansätze durchaus ihre Berechtigung haben, erläutert der Bonner Astronom Hans-Jörg Fahr (“Der Urknall kommt zu Fall”) erläuterte 2009 in einem Interview mit P.M.
Professor Dr. Fahr wurde 1939 in Hannover geboren. 1959 begann er das Studium der Physik, Mathematik und Philosophie an der Rheinischen Friedrich Wilhelms Universität Bonn. Aus mehreren Gründen zieht er das Modell vom Urknall in Zweifel…

Über den Anfang des Universums, den den Zeitpunkt Null, haben wir keine Informationen und folglich auch kein Wissen; wir stellen lediglich fest, dass unsere bisherige Mathematik bei dem Versuch scheitert, diesen Anfangszustand zu berechnen.

Wir haben keine Ahnung, wie sich Materie in einem solchen gedachten Urzustand verhält. Trotzdem soll dieser Zustand in der extremsten Vergangenheit genau derjenige sein, aus dem unsere Welt hervorgegangen ist. Das überzeugt mich nicht.”

Denn der gegenwärtige Kosmos liefere keinerlei Indizien für seinen Anfangszustand:

“Wenn Sie einen Mückenschwarm in der Zeit anhalten und dann rückwärts agieren lassen, dann kollabiert dieser Schwarm auch nicht zu einer Singularität.”

In seinem Gesamtzustand bleibe das Bild des Universums jedoch gleich, auch wenn ständig Galaxien entstehen und vergehen, der Lebenszyklus kosmischer Strukturen und Objekte verlaufe nach einem einheitlichen Muster.
Die kosmische Hintergrundstrahlung ist lt. Fahr untauglich als Beweis bzw. Hinweis zugunsten eines Urknalls: Es ist eine sehr gleichförmige Strahlung im All und diese extreme Gleichförmigkeit werde von den meisten Kosmologen als ein Indiz dafür gewertet, dass die Welt im Ursprung völlig gleichförmig gewesen sei. Das Universum hat zu Beginn überhaupt keine Unterschiede erkennen lassen. Doch sei vor diesem Hintergrund niemand in der Lage, den gegenwärtigen Zustand des Universums zu erklären – weshalb aus dieser Gleichförmigkeit eine ausgesprochen ungleichförmige Welt entstanden sein soll.

Um dieses Defizit zu kompensieren, erfinde man zusätzliche Faktoren und Phänomene wie etwa die Dunkle Materie. “Es wird so getan, als hätten wir die Welt dadurch restlos erklärt, dass wir ein bestimmtes Verhältnis von Dunkelmaterie zu normaler Materie als gegeben annehmen.”

Fahr selbst stellt sich die den Anfang des Universums und die Entstehung der Welt anders vor: Eine Explosion als initiales Ereignis hält er für undenkbar, denn Explosion bedeute zugleich auch Chaos. Vielmehr müsse schon zu Beginn die Weltinformation vorhanden gewesen sein, damit sich die Welt entfalten konnte. Die Materie müsse von Anfang an bereits teleonomische (auf ein Ziel gerichtete) Qualitäten gehabt haben, die ihr den Weg in die Zukunft wiesen.

Fahr spricht in diesem Kontext von einem “dynamischen Faktor, der die zunächst ungeordnete Materie ins Neue, in thermodynamische Ungleichgewichte und damit in Strukturbildungen hineingetrieben hat – und es bis heute tut.”

Womöglich verlässt Fahr den Fokus der Naturwissenschaften, indem er annimmt, die Materie sei selbst schöpferisch tätig. Materie ist nicht nur passiver Stoff, sondern ihr wohne auch ein Wille zu stofflicher Form inne:

Die Natur hasst im Grunde das Amorphe, das Formlose. Sie ist in einer gewissen Verborgenheit von Anfang an auch Subjektivität. Insgesamt entwickelt sich das Universum von einem gleichförmigen Zustand, in dem ich keine Ecke des Kosmos von der anderen unterscheiden kann, zu immer differenzierteren Zuständen, die zu immer mehr Information im Kosmos führen. Denn Information entsteht durch Unterschiede.”

Überraschend für mich ist, dass der Astronom Fahr nun Bezug auf die hochkomplexen morphogenetischen Felder (‘also formbildende Gravitationsfelder der Massenkonstellationen’) des britischen Biologen Rupert Sheldrake nimmt, um diesen dynamischen Faktor zu erläutern:
Nimmt man allein unsere Galaxie mit ihren 100 Milliarden Sternen und ordnet diese Sterne in bestimmte Formationen an, so entsteht ein Gravitationsfeld und Wirkgeflecht von einer gewaltigen Komplexitätsdimension – die Fahr mit den vielen Nervenverbindungen in der menschlichen Gehirnstruktur vergleicht. In dieser Größenordnung seien auch die Felder vorstellbar, die bestimmen, auf welchem Wege sich Materiestrukturen wie Galaxien und Galaxienhaufen in Zukunft weiterentwickeln.

“Wir müssen diesem Weltstoff sozusagen ein Innenleben zutrauen.”

Materie sei ungleich mehr als eine Anordnung anonymer Bausteine – und die Elementarteilchen, welche diese Materie konstituieren, seien mehr als einfache Träger von Masse und Ladung. Vielmehr sei es möglich sie zu Molekülen zusammen zu fügen, die wiederum komplexe elektrische Felder produzieren und Kettenbildungen vollziehen können.

Materie und Geist
seien nicht strikt voneinander getrennt:

“Ich denke, es ist ein Übergang möglich zwischen Geist und Materie. Zum Teil ist der Geist in der Materie wiederzufinden – als Information.”

Ein aktiver, zyklischer und vor allem schöpferischer Kosmos sei für viele Menschen weitaus tröstlicher als ein scheinbar entwurzeltes Dasein in einem vom Zufall bestimmten Urknall-Universum, das einmal kollabieren werde.
Das Modell von einem Weltall, das “in sich lebendig arbeitet”, stelle den Menschen in ein neues Gefüge und beziehe ihn ein in das kosmische Geschehen. Deshalb müssen wir gar nicht verstehen, wie ein Urknallkosmos funktioniert. Wir müssen stattdessen begreifen, was es mit einem uns tatsächlich gegebenen, hoch strukturierten, lebendigen Kosmos auf sich hat.

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Viele Thesen und Auffassungen, welche Alternativen zu einem singulären Anfangsereignis formulieren oder dieses infrage stellen, werden gerne als üble Angriffe auf die Relativitätstheorie Einsteins (ART) gewertet, die sich in einer Vielzahl von Beobachtungen und Experimenten bewahrheitet habe. Diese Kritik halte ich für unangebracht, wenn man einräumt, dass nicht nur die Quantenphysik, sondern auch die ART einen bestimmten Gültigkeitsbereich hat.
D.h. es gibt eine Skala für verschiedene physikalische Größen (Hitze, Druck, aber auch die Größe betrachteter Objekte, seien es Sterne, Planeten oder subatomare Teilchen), mit der ein Geltungsbereich des physikalischen Modells festgelegt wird.

Die mutmaßlich extremen Anfangsbedingungen des materiellen Universums liegen offenbar außerhalb dieser Skala – weshalb die Formeln der ART zu unendlichen Ergebnissen führen, wenn diese Bedingungen zugrunde gelegt werden.

Doch frage ich mich, ob H.J. Fahr den Bausteinen der Materie nicht ‘zu viel Ehre’ erweist, wenn er ihnen den Status eines ‘Samenkorns’ zuweist, in welchem die komplexesten Strukturen bereits angelegt seien. Ist es nicht so, dass wir darüber ebenso wenig wissen wie über den Zeitpunkt Null?

Wie kaum anders zu erwarten, wird Fahrs Anschauung von seinen Fachkollegen überwiegend abgelehnt. Dafür erhält er Zuspruch aus der Ecke der Kreationisten und Intelligent-Design-Befürwortern wie Prof. Werner Gitt – was eigentlich erstaunlich ist, denn die Existenz eines personellen Gottes (wie ihn die Bibel vorsieht) lässt sich aus den Thesen von Prof. Fahr gerade nicht ableiten. Eher scheint eine nicht-persönliche schöpferische Kraft, die Allem innewohnt zu begründen, die wir aus pantheistischen Glaubenslehren kennen.

Mir sagt bei Fahr besonders zu, dass er die Grenzen des wissenschaftlich erfahr- und erkennbaren Wissens aufzeigt. In seinem Buch ‘Die Illusion von der Weltformel - Was weiß die Wissenschaft wirklich?’ zieht Hans Jörg Fahr ein Resümee des naturwissenschaftlichen Wissens zu Beginn des neuen Jahrtausends. Dabei kommt er nicht wie Stephen Hawking und andere zu dem Ergebnis, dass wir der Natur beinahe schon alle ihre Geheimnisse entrissen haben – im Gegenteil!
Fahr konfrontiert Laien wie mich nicht mit dogmatischen Lehrsätzen, sondern hinterfragt die Sinnhaftigkeit der Suche nach einer Theory of Everything und
der angeblich alles erklärenden Weltformel.

 



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