Sonntag, 5. Februar 2012

Zukunft - globales Bewusstsen

Film "Die erwachende Erde"

Nein, weder ein Sprung in die 'fünfte Dimension' noch eine diffuse Entrückung von ein paar Auserwählten sind Gegenstand dieser Dokumentation... Der vorliegende Film basiert auf Peter Russell's Buch "Die erwachende Erde"; das in den USA unter dem Titel "The Global Brain" (in England "The Awakening Earth"). 

Russell zeichnet darin ein inspirierendes und optimistisches Bild von der Zukunft der Menschheit - genau das, woran es der Gegenwart mangelt... "Dieses Bild basiert auf der Vorstellung einer dynamischen Entwicklung, die die Menschen aufs Neue mit ihrer Intuition und den tieferen Bereichen ihres Bewusstseins zusammenbringt."  

Unsere Erde als ein Ganzes, ein einziger lebender Organismus? Ein einfaches Gleichnis wird bemüht, von Flöhen auf einem Elefanten. Als 'recht wissenschaftliche' Flöhe haben sie den Elefanten untersucht und kartografiert - konnten aber nur Teile bzw. Teilaspekte von ihm wahrnehmen. Später gelingt einem Floh der erste Sprung von mehreren Metern Höhe. Von dort oben sieht er den Elefanten als Ganzes und beginnt sich zu fragen: 'Könnte es sich bei dem Ding, auf dem wir leben, wohl um einen riesigen Organismus handeln?'

Wissenschaftlich formuliert wurde diese Überlegung mit der sog. Gaia-Hypothese in den 1960er Jahren von Lynn Margulis James Lovelock ('Gaia' war die der Erdgöttin oder auch Urmutter in der griechischen Mythologie): Die Erde und ihre gesamte Biosphäre könne wie ein Lebewesen betrachtet werden kann; in dem Sinn, dass die Biosphäre (die Gesamtheit aller Organismen) sich selbst organisiert und Bedingungen schafft und erhält, die sowohl Leben an sich als auch die Evolution komplexerer Organismen ermöglichen.  
Die Erdoberfläche bildet demnach ein dynamisches System, das die gesamte Biosphäre durch Rückkopplungs-Mechanismen (Abweichungsanalyse → Korrektur → Analyse → Korrektur usw.) stabilisiert. Diese Hypothese setze eine bestimmte Definition von Leben voraus, wonach sich Lebewesen insbesondere durch die Fähigkeit zur Selbstorganisation beziehungsweise Autopoiesis (Selbsterschaffung und -erhaltung eines Systems) auszeichnen.
 
Hmm... warum sollte nicht auch ein Schöpfer ein sich selbst erhaltendes und durch Evolutionsprozesse entwickelndes System erschaffen haben? Selbst wenn die im Film knapp dargestellte Abiogenese 'aus dem Nichts' so stattgefunden haben sollte, spricht dies meiner Auffassung nach nicht gegen, sondern für eine schöpferische Kraft, welche diese vermeintlichen Zufallsprozesse koordinierte und ihnen eine Zielrichtung gab.

Wissenschaftliche Grundlagen?

Für diese Hypothese existiert eine Reihe empirischer Grundlagen - Fakten, die in einer besonderen Zusammenstellung und Interpretation die das Bild vom sich selbst organisierenden, „lebenden“ Planeten stützen sollen:  
  • Sauerstoff Molekularer Sauerstoff ist eine hochreaktive Substanz, die in kurzer Zeit Verbindungen mit anderen Elementen eingeht und so verschwindet. Eisen rostet, Holz verbrennt. Und doch bleibt der globale Sauerstoffgehalt der Atmosphäre stets konstant: Sogar "fossile Luft" aus Eisbohrkernen oder Bernstein weise die gleiche oder zumindest eine sehr ähnliche, oft die gleiche Zusammensetzung aufweist wie die heutige Luft. Seit dem sich Leben auf dem Land etabliert hat (oder wurde?), blieb der Sauerstoffgehalt der Luft nahezu unverändert. Somit könne auf selbst-regulierende Prozesse geschlossen werden, durch die das dynamische System "Leben" den Anteil dieses wichtigen Gases stabil hält. Als weitere Konsequenz dieser Überlegung müsse ein anderer Planet mit einer Atmosphäre, die Sauerstoff und mit Sauerstoff reagierende Gase enthält, Leben beherbergen.  

  • Klimaschwankungen Bis vor 600 Millionen Jahren war das Klima offenbar extremen Schwankungen ausgesetzt, die seitdem nicht mehr auftraten. Zeitweise war die Erde demnach von Eis überzogen, während sie zu anderen Zeiten komplett eisfrei war. Eine Erklärung für diese frühen Klimaschwankungen ist, dass es in jener frühen Zeit (Präkambrium) noch keine komplexen Organismen mit Skeletten oder Kalkschalen gab. Erst das kalkhaltige Meeresplankton, das einen entscheidenden Anteil an einem konstanten CO2-Haushalt der Meere hat, habe die chemische Stabilisierung des CO2-Gehalts im Meer ermöglicht – und indirekt auch der der Atmosphäre. Die Entstehung dieser Organismen hätte demzufolge insgesamt dazu beigetragen, die Lebensbedingungen auf der Erde zu stabilisieren und somit zu verbessern.

  •   Salzgehalt der Meere Auch der Salzgehalt der Meere bleibt seit Jahrmillionen relativ konstant bei 3,5 %, obwohl vom Land aus beträchtliche Mengen an Mineralien gelöst und ins Meer verbracht werden. Berechnet man diese 'Versalzung', so müsste inzwischen der Salzgehalt der Meere derart hoch sein, dass höhere Lebensformen nicht mehr existieren könnten. Auch hier scheine eine Selbstregulation zu greifen, die für eine Erhaltung der Lebensbedingungen sorgt: tatsächlich entfernen bestimmte Prozesse das Salz wieder aus dem Ozean:

  • die Bildung von Lagunen und abgeschlossenen Meeresbecken, in denen sich Meerwasser sammelt, verdunstet und sich auf diese Weise mächtige Salzablagerungen bilden. An der Bildung solcher Lagunen sind riffbildende Organismen beteiligt. Auch dies ist somit nach Lovelock ein Prozess, bei dem die Gemeinschaft der Lebewesen selbst. 

  • Meeresalgen produzieren werden Methylchlorid und Methyliodid, das und anschließend in die Atmosphäre freigesetzt wird. Auch dieser biologischen Prozess unterstützt die Entfernung von Salzbestandteilen wie Chlor aus dem Meerwasser.
Einige dieser Argumente sorgen für Widerspruch: So habe sich die Theorie, der Urozean sei mit der Zeit immer salziger geworden, bislang nicht bestätigt. Offenbar war der Salzgehalt vor über einer Milliarde Jahre bereits höher als heute - was mit ein Grund dafür gewesen sein könnte, dass es so lange gedauert hat, bis sich höhere Lebensformen in den Ozeanen entwickelte.
 
Wissenschaftlichen Erklärungsmodelle, auch die Gaia-Hypothese, geben sich alle Mühe, ohne eine schöpferische Kraft ('Gott') auszukommen. Intelligent Design ist eventuell auch nicht erforderlich, wenn man annimmt, alle komplexen Prozesse und die sie bestimmenden Naturgesetze seien lediglich durch einen Schöpfer in Gang gesetzt worden. Wie dem auch sei, in meinen Augen ist eine theistische Evolution um vieles einsehbarer als eine mathematisch 'unglaubliche' (unwahrscheinliche) Kette von Zufallsprozessen. Wie die Vorgänge von Ursprung und Entstehung im einzelnen verliefen, wissen wir nicht. Die wissenschaftliche Sicht der Evolution weist, gerade am Anfang, erhebliche Lücken auf. Und auch die theistische Evolution ist nicht eine klar umrissene These, sondern eine Fülle verschiedener Sichtweisen über den Ursprung und die Entwicklung des Lebens. Sie haben jedoch einen gemeinsamen Kern - den Glauben, dass ein Gott (in welcher Form auch immer) die Entwicklung des Lebens plant oder steuert.
 

Die Global-Brain-Theorie: Evolution des Bewusstseins?

Der Film geht auch ausführlich auf die Evolution des Bewusstseins ein und stützt die Auffassung, die Menschheit stehe gegenwärtig an einem Punkt, wo sie die Evolution verinnerliche. ? Aufbauend auf der Gaia-Hypothese entwickelte Peter Russell eine eigene Theorie vom 'Global Brain': Das Leben immer komplexeren Formen an, mit differenzierteren Strukturen und Einzelteilen, die immer mehr miteinander verbunden und gemeinschaftlich organisiert sind. Den Mensch und seine Zivilisation betrachtet Russell als vorläufigen Höhepunkt dieser sich zunehmend beschleunigenden Entwicklung.  

Deren Geschwindigkeit ist nicht kontinuierlich, sondern es treten 'Evolutionssprünge' auf, wie z.B die neolithische Revolution oder das gegenwärtige Informationszeitalter. Die fortschreitende Vernetzung der Menschheit, insbesondere das Internet, werde dazu führen, dass der Planet Erde mit einem globalen 'Gehirn' ausgestattet sei. Hier werden die Überlegungen und Visionen von Teilhard de Chardins (oder Dan Simmons - beide versuchen, Religion und Wissenschaft zu vereinen und miteinander zu versöhnen) aufgegriffen, wonach die Menschheit sich als gesamte Spezies zu einer einzigen Gruppe mit interaktivem Denken vereinigen wird. Russell konkretisiert diese These in seiner Erwartung, dass alle Menschen sich zu einem globalen sozialen Organismus verbinden und ein integriertes, globales Bewusstsein entwickeln werden. Dazu müssen wir erst noch ein paar Milliarden Menschen mehr auf der Erde sein - analog zur Anzahl von Neuronen in einem Gehirn werde dieser Zustand dann eintreten, wenn die Erdbevölkerung bei etwa 10 Milliarden Menschen stabilisiert. 
 
Auch der Selfmade-Wissenschaftler und Publizist Dieter Broers vertritt die Ansicht, die Menschheit stehe vor vor einem Evolutionssprung (Vortrag).
Aktuell ist von einem positiven Entwicklungssprung nicht viel zu bemerken, weshalb nicht wenige Zukunftsforscher von einer gefährlichen Übergangsphase sprechen und ausgerechnet für 2012 eine Reihe von Krisen erwartet, welche diese sprunghafte Evolution noch beschleunigen sollen. Zu diesen Thesen und Visionen habe ich eine unentschiedene Haltung, ich bin geradezu hin- und hergerissen:
  • Auf der einen Seite kann und will ich die Notwendigkeit weitreichender Veränderungen nicht bestreiten. Auch deutet vieles darauf hin, dass diese Veränderung entweder unmittelbar vor uns liegen (wenn auch nicht nur in diesem einen Jahr) oder schon begonnen haben. Veränderung ist zwar angst-besetzt, aber oftmals zum Überleben notwendig und kennzeichnend für ein positives Resultat. 

  • Andererseits bekomme ich Bauchschmerzen, wann immer die Begriffe Evolution und Menschheit in Zukunftsvisionen gemeinsam genannt werden. Denn Evolution ist nun mal ein Mechanismus, der untrennbar mit Selektion (durch die Natur oder auch durch vom Menschen selbst geschaffene Faktoren) verbunden ist. Bedeutet aber Selektion auf uns Menschen nicht, dass die 'Schwachen' auf der Strecke bleiben und nur die 'Starken' überlegen (wobei diese Stärke sehr unterschiedlich definiert sein kann)?
    Die Alten, Kranken, Behinderten ... und wohl auch die gesamte Dritte Welt als nutzloser Ballast, den man besser abstreifen solle, um schneller vorwärts zu kommen? Auf diese Art von Fortschritt verzichte gerne. Meiner Überzeugung nach verlieren wir als Spezies sehr viel (ganz sicher aber den Rest unserer 'Unschuld'), wenn wir diesen Selektionsprozess zu Lasten der unverschuldet Geschwächten so unüberlegt vorantreiben wie bisher.
Stärke würde nach meinem Verständnis ein Wandel unserer Einstellung zu mehr sozialer Verantwortung bedeuten - den ernsthaften und ehrlichen Versuch, alle Nationen, Gemeinschaften und Individuen so weit wie möglich in einer gegenseitigen Solidarität einzubinden Menschen ändert. Wir sind gefährdet, eine Horde von Einzelkämpfern zu werden, in der jeder nur noch für sich und gegen die anderen um knappe Ressourcen und Güter wetteifert. Was für eine Energieverschwendung! In der bisherigen Evolution der Menschheit war genau das Gegenteil ein Überlebens-Vorteil...  

Ganz ohne Selektion wird es dennoch nicht funktionieren, dies zu erhoffen wäre naiv. Wer sich partout und kraft eigenen Willens gegen jede notwendige Veränderung stellt und krampfartig an veralteten Rezepturen festhält, könnte sich eines Tages in einer ähnlichen Situation wiederfinden wie damals die Saurier - 'zu viel Panzer und zu wenig Hirn' ;) . Peter Russell scheint dies ganz ähnlich zusehen: Wie in dem hier verlinkten Text ausführlicher dargelegt wird, führt er heutige Probleme der Menschheit sind auf den "Egoismus der menschlichen Individuen zurück, welche den eigenen Vorteil über das Gesamtwohl des Planeten stellen". Russell fordere einen Paradigmenwechsel, der nur denkbar, wenn die Menschheit eine höhere Bewusstseinsstufe erlange. Oder ist es genau umgekehrt? Werden wir ein höhere Bewusstsein erreichen, wenn uns dieses Umdenken sowie resultierendes Handeln gelingt?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen