Sonntag, 5. Februar 2012

Fliegendes Spaghetti-Monster vs. Kreationismus

Logo des fliegenden Spaghettimonsters 
„Wir sind bereit, jedem 250.000 US-Dollar zu zahlen, der empirische Beweise erbringen kann, dass Jesus nicht der Sohn des Fliegenden Spaghettimonsters ist.“

Der Scherz ist nicht neu ...eigentlich handelt es sich auch nicht um einen Scherz im engeren Sinne: Der 25-jährige Physiker Bobby Henderson glaubt fest daran, dass Alles-was-ist (und was man fühlt) von einem, nein ...von dem Fliegenden Spaghetti-Monster erschaffen wurde. Das Glaubensbekenntnis der Pastafarians, d.h. der Anhänger des Nudelwesens:
"Ich und viele andere Menschen in aller Welt glauben fest daran, dass das Universum von einem fliegenden Spaghetti-Monster geschaffen wurde. Es war es, das alles geschaffen hat, was wir sehen und fühlen. Wir sind überzeugt, dass die überwältigenden wissenschaftlichen Beweise für einen Evolutionsprozess nichts als Zufall sind, die Es hinterlegt hat."
Die Argumentation kommt vielen bekannt vor, die mal einen evangelikalen Vortrag zur Schöpfungslehre besucht haben. Weitere 'zentrale Glaubensinhalte':
  • Bobby Henderson ist der Prophet dieser Religion.
  • Das Fliegende Spaghettimonster verlangt das Tragen von Piraten-Isignien (full pirate regalia) - denn Piraten werden als die ursprünglichen Pastafaris verehrt.
  • Einzige Ursache für die globale Erwärmung, Orkane und alle anderen Naturkatastrophen ist die sinkende Zahl von Piraten seit Beginn des 19. Jahrhunderts. Dies gilt unter Pastafaris als empirisch bewiesen.
  • Nach dem Tod stehen den Gläubigen im „Himmel“ unter anderem ein Biervulkan und eine Stripper-Fabrik zur Verfügung.
  • Gebete beenden die Anhänger mit dem Wort Ramen, der Bezeichnung für eine vor allem in Japan verbreitete Nudelart.
  • Im Buch "Das Evangelium des Fliegenden Spaghettimonsters" (Leseprobe, pdf) werden unter anderem analog zu den Zehn Geboten des Christentums die acht Grundsätze „Mir wär’s wirklich lieber Du würdest nicht…“ beschrieben - u.a. gegen Diskriminierung, Vorurteile, religiöse Dogmen, Nötigung und Frauenfeindlichkeit.
Auch religiöse Feiertage kennt der FSM-Kult, z.B. das Passtahfest, Ramendan oder Halloween. Henderson als Prophet preist offensiv deren 'Vorteile' an ... damit hat er ein USP gefunden, denn ihre Vorteile nennen Religionen ansonsten recht selten ;) :
Wir bieten deutliche Vorteile gegenüber anderen Religionen. Dazu gehören vor allem folgende Punkte:
  • Flauschige moralische Standards.
  • Jeder Freitag ist ein religiöser Feiertag. Wir arbeiten an einer bundesweiten Anerkennung.
  • Unser Himmel ist weit besser: wir haben eine Stripperfabrik und einen Biervulkan.
Die FSM-Eschatologie in wenigen Worten: "Nach dem Tod werden Pastafarianer schnellstmöglich in den Himmel kommen - zu Stripperinnen und Biervulkanen; wo sie dann für den Rest der Ewigkeit bleiben. Denn Wiedergeburt gibt es nicht. Wir haben alle eine gewisse Zeitspanne für das Erdenleben, und dann ist es für immer vorbei. Dann bleiben wir im Himmel."

Wie nicht anders zu erwarten war, predigen die FSM-Jünger auch ihr eignes Armageddon: 


Spaghettimonster im Lehrplan?

Henderson fordert die Aufnahme seiner 'Religion' in den Biologie-Lehrplan von Kansas - als drittes Modell neben der anerkannten Evolutionstheorie und dem religiösen, an der Bibel orientierten Kreationismus-Modell. Der US-Bundesstaat Kansas ändere 2005 seinen Lehrplan für den Biologie-Unterricht. Auf Druck christlicher Fundamentalisten werden an den Schulen von Kansas künftig Zweifel an der Evolutionslehre zum Unterrichtsstoff gehören ( "Wo die Erde eine Scheibe ist: Kansas zieht Darwin in Zweifel"). 

Die Reaktionen gehen weit auseinander - von "Ein schlechter Tag für Atheisten" bis zu "Ein schlechter Tag für die Bildung in Kansas". Offenbar ist Kansas der schon der fünfte US-Bundesstaat, der Zweifel an der Evolutionslehre zwangsweise in den Unterricht integriert. Vor diesem Hintergrund argumentiert Henderson nicht ungeschickt:
 
Wenn die "Intelligent Design" nicht, wie vorgegeben, auf Glauben basiere sondern auf Wissenschaft, dann müsse die Schulbehörde den FSM-Jüngern ebenfalls erlauben, ihre Theorie zu unterrichten, die auch auf Wissenschaft und nicht auf Glauben basiere. (ES - Fliegende Spaghettimonster - habe die Welt erschaffen ... und ES habe die Menschen glauben gemacht, die Welt hätte sich selber geschaffen...)

Der Hintergrund von Hendersons Vorhaben ist also nicht lustig: Der satirische Akt der Schaffung einer neuen Glaubensrichtung, die alle Voraussetzungen einer Religion zu erfüllen scheint, soll die Aufmerksamkeit der Welt auf das Vorgehen der fundamentalistischen Christen in den USA lenken, die am liebsten die 'gottlose' Evolutionstheorie aus den Lehrplänen verbannen wollen.
FSM als Stofftier

Monster-Schulstoff auch in Thüringen...?

Als der CDU-Politiker Althaus im September 2005 eine Veranstaltung der Reihe "Erfurter Dialog" plante, bei der Kreationisten und Evolutionsforscher ihre Ansätze diskutieren sollten, sah die deutsche Sektion der Pastafarianer "EVKdFSMiD" eine Chance, dem aerophilen Nudelwesen auch in Deutschland Zugang zum Lehrplan öffentlicher Schulen zu verschaffen. Nun ja, sollte es jemals Kreationisten oder sonstigen Vertretern einer Glaubensüberzeugung ermöglicht werden, ihre Lehre in öffentlichen, steuerfinanzierten Institutionen mit dem Ziel zu verbreiten, die Wissenschaft ins Abseits zu drängen, kann die Strategie der FSM-Anhänger womöglich erzwingen, dass sich Politik und Behörden auf ihre Verantwortung zur Neutralität besinnen.  

Übertreibung macht anschaulich?

Mit viel Geduld und Zähigkeit hat der Österreicher Niko Alm nach dreijährigem Kampf erreicht, dass er auf seinem Führerscheinfoto ein Nudelsieb auf dem Kopf tragen. Die Begründung klingt für Nicht-Initiierte abenteuerlich: Das Küchengerät sei eine religiöse Kopfbedeckung und Herr Alm als Anhänger des "Fliegenden Spaghetti-Monsters (FSM) zu dessen Tragen auch auf offiziellen Fotos berechtigt. Auch ein Deutscher setzte gegenüber zuständige Fahrerlaubnisbehörde ein ähnliches Ansinnen durch, indem er eine Bestätigung vorlegte, dass es sich bei der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland e.V. um eine gemeinnützige Körperschaft handele... Auch der Begründer des Pasta-Kultes provoziert munter weiter auf seiner Webseite:
“We are willing to pay any individual *$250,000 if they can produce empirical evidence which proves that Jesus is not the son of the Flying Spaghetti Monster.”
Dürfte schwierig werden, so ein Beweis... doch was wird mit derlei Provokation gewonnen? Eine Versachlichung der meist sehr emotional geführten Diskussionen zwischen 'Gläubigen und Ungläubigen' ... Einsicht etwa... oder sogar die Bereitschaft zur Versöhnung?? Dass weder "Intelligent Design" noch andere Dogmen im naturwissenschaftlichen Unterricht nichts zu suchen haben, darin wird man Henderson sicherlich zustimmen. Ob der von dem Physiker seit 2005 gewählte Weg, dies zu demonstrieren, geeignet und moralisch vertretbar ist, das ist eine Frage der persönlichen Anschauung. Religiöse Überzeugungen gleich welcher Art ins Lächerliche zu ziehen hat meines Wissens noch nie etwas Positives bewirkt. Der berechtigte Protest gegen die Vermischung biologischer und religiöser Inhalte ist indessen nur die eine Seite der Medaille. 

Was spricht dagegen, dass wissenschaftlich ausgebildete Lehrkräfte (und nicht der Pastor) freimütig die Defizite der Evolutionslehre einräumen? Es handelt sich schließlich um eine nach wie vor in Teilen unbewiesene Theorie - auch wenn einzelne Evolutionsmechanismen inzwischen sehr gut dokumentiert und mit Beispielen belegbar sind?

Dogmatismus findet man auch bei Wissenschaftlern. In der zentralen Frage versagt die Evolutionslehre, denn sie vermag nicht zu erklären, wie Leben aus einer Reihe vermuteter Zufallsketten entstanden sein soll. Genau genommen werden die biochemischen Vorgänge bei der erstmaligen Entstehung von einzelligen Lebewesen von der Evolutionsbiologie gar nicht beantwortet. Intelligent Design ist dagegen auch in einer Weise vorstellbar, die nicht nahezu allen Erkenntnissen aus Biologie und Paläontologie widerspricht.   Wenn Kinder in der Schule 'für's Leben lernen' sollen, dann bedeutet dies sicher auch, sich mit der Frage unseres Ursprungs auseinander zu setzen. 

Nicht im Bio-Unterricht ... und auch nicht einseitig zugunsten einer biblischer oder islamischer Vorstellung. Wie Henderson schreibt, sollten Schüler verschiedene Ansichten zu hören, so dass sie sich für die Theorie entscheiden können, die Ihnen am glaubwürdigsten erscheint. So zu tun als habe die moderne Wissenschaft auf alles eine Antwort ist m.E. ebenso falsch wie Kindern einreden zu wollen, die Erde sei 6000 Jahre alt.- 

Was mag in einem Pastafari vorgehen, der ungeachtet seiner 'eigentlichen' Weltanschauung einen erheblichen Anteil seiner Lebenszeit für ein satirisches Scheinkonzept (als Gegenbewegung zu Kreationismus und Intelligent Design) aufwendet, dessen Ethik zwar ausgesprochen positive Elemente enthält, an dessen 'Schöpfungsaussagen' er jedoch (hoffentlich) nicht glaubt? Darin liegt m.E. der wesentliche Unterschied Christen, Juden, Muslimen, Hindus usw.: Viele (wenn auch nicht alle) von ihnen haben ihre persönliche spirituelle Heimat gefunden - und neigen ebenfalls zu moderaten Positionen sowie unaufdringlichem Verhalten

Siehe auch:

4 Kommentare:

  1. Im Prinzip ein guter Beitrag. Aber leider haben Sie den Grundgedanken hinter dem Fliegenden Spaghettimonster nicht ganz verstanden. Bobby Henderson glaubt nicht dass das Fliegende Spaghettimonster wirklich der Schöpfer des Universums ist. Er hat es sich ausgedacht als Erwiderung auf den Plan Kreatonismus in Schulen zu lehren. Und man kann ihn irgendwo auch verstehen. Hinter der Evolutionstheorie steht ja nichts böses. Wenn man an einen Gott glaubt kann man das ja auch mit der Wissenschaft verbinden, aber das kann ja jeder für sich selbst machen, aber sollte nicht als der allgemeingültige Weg in Schulen gelehrt werden. Meiner Meinung nach wäre es gut wenn an Schulen Wissenschaft und Werte und Normen gelehrt werden. Wissenschaft zum erklären der biologischen, chemischen und physikalischen Vorgänge in unserem Universum und Werte und Normen für die Spiritualität und Ethik in unserem Leben.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Vielen Dank für Ihren erläuternden Kommentar. Ich nehme zur Kenntnis, dass ich meinen Gedankengang nicht sonderlich klar zum Ausdruck gebracht habe - denn mir war und ist durchaus bewusst, dass Henderson nicht an das FSM als Schöpfer, Gottheit etc. glaubt.

      Allerdings ist er offensichtlich bemüht, den formalen Schein aufrecht zu erhalten, damit sein Konstrukt vom rechtlichen Status her in adäquater Weise 'echten' Religionen gleichgestellt wird.

      In Bezug auf sinnvolle Lehrinhalte an öffentlichen Schulen sind wir einer Meinung.

      Viele Grüße
      George

      Löschen
  2. Kein Problem. :) Dankeschön. :)


    Lieben Gruß,

    Harm-Heiko

    AntwortenLöschen
  3. Ein interessanter Text; http://koti.phnet.fi/petripaavola/evolutiontheoryerror.html

    AntwortenLöschen